ZTG-Novelle : Berufsstand der Ziviltechniker: Verwässert oder noch schlimmer?

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Einen "Angriff auf das Berufsgesetz" sieht DI Erich Kern in der am 24. März beschlossenen Novelle zum Ziviltechnikergesetz (ZTG). Der Präsident der Ziviltechnikerkammer für Wien, Niederösterreich und Burgenland sieht darin ein "Gold Plating", eine weit über jede Notwendigkeit hinausgehende Übererfüllung eines Urteils des Europäischen Gerichtshofs, das in letzter Konsequenz zum Auslaufen eines österreichischen Erfolgsmodells führen werde.

Neuregelung laut EuGH

Unstrittig ist, dass nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) die Arbeit der Ziviltechniker in Österreich neu geregelt werden musste. Schon der ursprüngliche Entwurf der ZTG-Novelle aus dem Sommer 2020 übererfüllte nach Ansicht von Kern das Urteil. Nach Verhandlungen mit Sektion und Kabinett des zuständigen Wirtschaftsministeriums wurden Umgehungsmöglichkeiten im Gesetz verhindert und eine Umbenennung der nun möglichen Gesellschaften von ZT mit Gewerbetreibenden vorgenommen.

Vorbereitung zur Zerstörung

Die Forderung von der ZT-Kammer für Wien, NÖ und Burgenland, die sogenannte "Urkundentätigkeit" auf die „echten“ Ziviltechnikergesellschaften zu beschränken, wurde von den Regierungsparteien ÖVP und Grünen abgelehnt. Dabei wäre diese Regelung - wollte man seitens Österreich nur dem EuGH-Urteil entsprechen - nicht nötig gewesen. "Das gibt das Urteil nicht her", so Kern: "Der nun beschlossene Gesetzesentwurf der Bundesregierung geht weit über die Anforderungen hinaus. Es ist Gold Plating und völlig unverständlich, warum hier - als Vorbereitung zur Zerstörung – der Berufsstand der Ziviltechniker ohne Not verwässert wird."

Interdisziplinäre Gesellschaften

Teil des Gesetzes sind neue Regelungen betreffend der Beteiligung am Gesellschaftsvermögen von Ziviltechnikergesellschaften. Künftig müssen statt der bisherigen Mehrheit nur 50 Prozent der Gesellschaftsanteile und Stimmrechte von Ziviltechnikergesellschaften von berufsbefugten ZiviltechnikerInnen, Ziviltechnikergesellschaften oder interdisziplinären Gesellschaften mit ZiviltechnikerInnen gehalten werden.

Durch die Novelle werde die Möglichkeit geschaffen, dass ZiviltechnikerInnen interdisziplinäre Gesellschaften mit Angehörigen anderer Berufe bilden, um andere Tätigkeiten als jene des Ziviltechnikerberufs auszuüben, so die Regierungsparteien. Es solle nun sichergestellt werden, dass im Rechtsverkehr deutlich wird, wer an einer Ziviltechnikergesellschaft beteiligt ist - dies auch im Fall der Beteiligung einer interdisziplinären Gesellschaft.

Urkundentätigkeit nicht Teil des Urteils

Konkret spießt es sich an der Frage der Urkundentätigkeit, die ebenfalls neu geregelt wurde - ohne Notwendigkeit, wie Kern nochmals betont: "Die Urkundentätigkeit war nicht Gegenstand des EuGH Urteils, dort geht es vielmehr um den Zugang zum freien Beruf des Ziviltechnikers und der damit einhergehenden höheren Reputation und den Dienstleistungen an sich. Die Urkundentätigkeit ist nicht das Merkmal eines freien Berufes, sondern dies sind die Unabhängigkeit und die besondere Qualifikation. Während bei der Berufsausübung für den Ziviltechniker die Unabhängigkeit, die Unparteilichkeit und die Objektivität die Grundvoraussetzungen sind, wäre bei der Urkundentätigkeit zusätzlich auch der Anschein der Befangenheit zu vermeiden gewesen." Für ihn wurde mit der Neuregelung die Chance vertan, eine für alle Seiten positive Öffnung des Berufsstandes durchzuführen, um den Anforderungen der Internationalisierung und Digitalisierung Rechnung zu tragen. Das wäre laut Kern möglich gewesen: "Ich möchte mich ausdrücklich bei den Oppositionsparteien SPÖ, FPÖ und Neos bedanken, die von der ersten Minute an die Anliegen und Forderungen der Ziviltechniker gehört, ernst genommen und unterstützt haben."

Weitere Novellen des Berufsgesetzes stehen an

Eine Fortsetzung der Diskussionen sei schon alleine deshalb garantiert, weil es auch andere Berufsstände treffen werde, so DI Erich Kern abschließend. Denn nach Aussage von Elisabeth Götze, Abgeordnete der Grünen im Nationalrat, sei "die Novelle des Ziviltechnikergesetzes vorbildhaft für weitere Novellen der Berufsgesetze der freien Berufe ist, die in Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie zu erfolgen haben."