Smarte Initiative : „Das Smart Home soll so selbstverständlich werden wie fließendes Wasser“

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Wenn morgens die Sonne vor Günther Ohlands Haus aufgeht, weiß das Gebäude, was zu tun ist: Die Rollos werden hochgefahren, die Beleuchtung auf ein angenehm sanftes Licht eingestellt und aus den Lautsprechern tönt ruhige Musik zum Aufwachen. Günther Ohland lebt in einem Smart Home, ist begeistert von intelligenter Gebäudetechnik und möchte diesen umfangreichen Komfort jedem ermöglichen. Deshalb hat er vor mittlerweile sieben Jahren die Smart Home Initiative Deutschland gegründet. Was er mit der Initiative erreichen will und welche Rolle Handwerker und Hersteller bei der Smart Home-Planung spielen, erzählt er im Gespräch mit TGA.

TGA: Herr Ohland, Smart Home-Geräte sind längst keine Nischenprodukte mehr. Mittlerweile gibt es zahlreiche Hersteller, die intelligente Assistenten anbieten und auch einige Verbände, die sich mit dem Thema beschäftigen. Warum braucht es da überhaupt noch eine Smart Home Initiative?

Günther Ohland: Das stimmt, es gibt für alle möglichen Gewerke bereits Verbände, die sich ein bisschen mit dem Thema Smart Home beschäftigen. Das Problem daran ist jedoch, dass jeder Verband dabei nur auf seinen Arbeitsbereich achtet. Das Smart Home ist gewerkeübergreifend, es funktioniert nur, wenn alle Branchen zusammenarbeiten. Wir sehen uns als Ergänzung zu den bestehenden Verbänden.

TGA: Und worauf zielt die Smart Home Initiative ab?

Günther Ohland: Wir wollen erreichen, dass Smart Home-Technologien standardmäßig in Gebäuden verbaut werden – egal ob im Einfamilienhaus oder Mehrparteiengebäude. Das Smart Home soll so selbstverständlich werden wie fließend Wasser oder ein Fernsehanschluss. Es reicht, wenn der Anschluss da ist, ob jemand einen Fernseher will, muss jeder für sich entscheiden. Immerhin bringt das Smart Home einige Vorteile mit sich: Es kann vor Einbrüchen schützen und die Heizkosten reduzieren. Wichtig ist, dass Komponenten installiert werden, die zusammen Sinn ergeben. Wir wollen keine kurzweilige Unterhaltungselektronik werben.

TGA: Das bedeutet, eine Alexa zählt für Sie nicht als Teil des Smart Homes?

Günter Ohland: Das kommt ganz darauf an wer sie nutzt, der Anwendungsfall ist entscheidend. Wenn jemand ernsthafte gesundheitliche Beschwerden hat und sich nicht vom Sofa oder aus dem Bett bewegen kann, ist eine Alexa für diese Person ein Stück Lebensqualität. Dadurch kann der Nutzer Geräte per Sprachsteuerung bedienen oder auch jemanden Anrufen, wenn Hilfe benötigt wird. Für andere Menschen sind Alexa und Google Home aber nur Spielereien oder Gadgets, die meist nach sechs bis acht Wochen wieder uninteressant sind.

TGA: Trotzdem haben sich die Sprachassistenten etabliert. Amazon hat bereits über 100 Millionen Alexa-Geräte verkauft und viele Hersteller werben damit, dass ihre Smart Home-Geräte Alexa-kompatibel sind. Wie kann der Konzern mit einer Spielerei so erfolgreich sein?

Günther Ohland: Weil Amazon eben ein großer Konzern ist und jeder etwas vom Alexa-Kuchen abhaben möchte. Amazon hat anderen Herstellern von vornherein die Möglichkeit gegeben, ihr Produkte Alexa-kompatibel zu machen. Dadurch kann mittlerweile nahezu jedes Gerät mit dem Sprachassistenten gesteuert werden, was natürlich auch für die Nutzer praktisch ist. Im Kleinen funktioniert das aber noch nicht, weshalb es sehr schwer ist ein allumfassendes Smart Home zu errichten, das auch zukunftsfähig ist.

TGA: Woran scheitert die Branche dabei?

Günther Ohland: Kein Hersteller möchte sich darauf verlassen, dass ein anderes Unternehmen etwas baut, das der eigene Kunde am Ende nutzt. Deshalb ist jeder Produzent darauf aus, selber möglichst viele Smart Home-Komponenten zu produzieren. Bei Kooperationen und Produkten fremder Unternehmen gibt es gegenüber dem Kunden immer ein gewisses Risiko. Wenn der andere Hersteller bestimmte Versprechen nicht halten kann, habe ich keine Kontrolle darüber und muss das dem Kunden dann erklären. Im Endeffekt hat jeder Angst, verklagt zu werden. Und diese Angst wollen wir aufheben, indem wir den Herstellern zeigen, dass sie Vorteile aus der Zusammenarbeit ziehen können und der Kunde im Endeffekt profitiert.

TGA: Welche Vorteile zieht der Kunde daraus?

Günther Ohland: Es gibt vor allem einen großen Vorteil: Ein funktionierendes Smart Home. Ziel ist es, für jeden Kunden ein individuelles Smart Home zu generieren, das an seine Wünsche und Bedürfnisse angepasst ist und sich im Laufe des Lebens mit seinen Bewohnern verändern kann. Hier kommt der Beruf des Systemintegrators ins Spiel: Er muss den Kunden erklären, welche Komponenten miteinander Sinn ergeben. Es wird niemals das Smart Home geben. Viel mehr wird es eine Basisinfrastruktur geben, die beliebig erweitert werden kann.

TGA: Wie kann ich mir als junge Person, die heute ein Haus baut, sicher sein, dass die Smart Home-Komponenten auch in 30 Jahren noch funktionieren?

Günther Ohland: Heute steuern wir viele Geräte über das Smartphone, das wird sich bestimmt ändern. Wer weiß, ob es in 30 Jahren überhaupt noch Smartphones gibt? Genauso ist es mit Smart-TVs: Vielleicht gibt es zukünftig anstatt eines Fernsehers eine Tapete, auf der die Nachrichten abgespielt werden? Die Unterhaltungselektronik wird sich bestimmt ändern, hier kann ich nicht gut planen. Ein Rollo-Aktor hingegen wird in 30 Jahren dieselbe Aufgabe haben wie heute: Er wird das Rollo rauf und runter fahren. Auch ein Lichtschalter wird in Zukunft dasselbe machen wie heute. Wichtig ist hier, dass das Gebäude zukunftsfähig erweiterbar bleibt. In Österreich werden glücklicherweise häufig Leerrohre eingebaut, in Deutschland ist das seltener der Fall. Damit kann ich dem Kunden aber das Nachrüsten vereinfachen. Ansonsten besteht natürlich immer die Möglichkeit, mit Funk nachzurüsten. Ich denke, dass künftig ohnehin 80 bis 95 Prozent des Smart Homes über Funk gesteuert werden.

TGA: Wie schätzen Sie die Zukunft der Gebäudetechnik ein? Wird in zehn Jahren jeder in einem Smart Home wohnen?

Günther Ohland: Wenn man das Smart Home nur im Neubau umsetzt, dann nicht. Die Neubaurate liegt derzeit bei rund zwei Prozent, man müsste also 100 Jahre warten, bis jeder in einem Neubau wohnt. Für das Smart Home ist deshalb vor allem der Nachrüstmarkt wichtig – hier gibt es großes Potenzial. Ich denke, hier wird es zu einem Popcorn-Effekt kommen: Am Anfang passiert lange nichts, wenn dann aber einige wenige Hersteller das Potenzial des Smart Homes erkennen, tut sich plötzlich etwas und immer mehr Unternehmen steigen ein. Hier wird sich in den nächsten drei bis vier Jahren bestimmt einiges ändern. Meiner Einschätzung nach werden in 15 Jahren rund 60 Prozent der Leute smart wohnen.