Aus TGA 7-8: Überraschungsei Altbausanierung : Die Wärmepumpe in der Sanierung − Pro und Contra

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Der Siegeszug der Wärmepumpe setzt sich weiter fort. Der europäische Markt wuchs 2019 in den von der EHPA 21 untersuchten EU-Staaten um über 1,6 Millionen Wärmepumpen, was einem Anstieg um 23 % im Vergleich zum Vorjahreszeitraum entspricht. In Bezug auf die gesamte abgesetzte Stückzahl von 31.986 Anlagen lag Österreich 2020 an 13. Stelle im europäischen Ländervergleich. Insgesamt waren 2019 mehr als 352.260 Wärmepumpen in den heimischen Gebäuden in Betrieb. Nicht nur im Neubau, auch in der Sanierung erhält die Wärmepumpe immer stärker Zuspruch. Völlig unumstritten ist der Einsatz dieser Technologie dabei allerdings nicht. Im Interview vertreten Richard Freimüller, Präsident Verband Wärmepumpe Austria, und Ing. Michael Mattes, Bundesinnungsmeister Sanitär-, Heizungs- und Lüftungstechniker, teils sehr konträre Ansichten.

TGA: Im Neubau von Einfamilienhäusern sind Wärmepumpen angekommen. Wie schätzen Sie die Entwicklung im Gebäudebestand ein und welche Rahmenbedingungen sind Treiber bzw. bremsen die Entwicklung in der Sanierung?

Richard Freimüller: Im Neubau sind Wärmepumpen mittlerweile Standard, so dass sich Häuslbauer in Österreich beim Thema Heizung eigentlich nur mehr die Frage stellen, ob sie eher auf Luft, Grundwasser oder Erdreich als Wärmequelle setzen wollen. Auch im Gebäudebestand sehen wir großes Potential, das jedoch leider durch die Beschränkung der Förderung von Wärmepumpensystemen mit 40 °C Vorlauftemperatur nicht gehoben werden kann, da im Altbau oft Temperaturen bis zu 55 °C nötig sind. Diese können mit modernen Wärmepumpen auch ohne Probleme mit sehr hoher Effizienz erreicht werden. Hier ist der Gesetzgeber dringend gefordert, die Richtlinien an den Stand der Technik anzupassen, um der Wärmepumpe auch im Bestand zum Durchbruch zu verhelfen.

Michael Mattes: Sie sind angekommen, jedoch wird leider fast nur die Billigvariante eingebaut. Nach den Gesetzen der Physik wirkt sich eine Wärmequelle mit berechenbarer und höherer Temperatur (Tiefenbohrung, Erdwärme, Grundwasser, ...) sehr auf die Effizienz aus und es wird bei diesen Anlagen keine E-Zusatzheizung (Direktheizung) benötigt. Mit den zuvor genannten Wärmequellen wird eine höhere Effizienz erreicht und auch kein Schallproblem verursacht. Leider erhalten Sanierungswillige im Altbau oft Fehlinformationen und bemerken das erst mit der Stromrechnung.

Die neuesten Studienergebnisse des Fraunhofer ISE zeigen, dass Wärmepumpen im Sanierungsbereich weitgehend unabhängig vom Baujahr eine oftmals ungeglaubte hohe Effizienz erreichen. Welche Faktoren führen dazu? Stichworte: höhere Quellentemperatur in den längeren Übergangszeiten (längere Heizperiode), historisch sehr oder zu groß dimensionierte Heizkörper etc.

Freimüller: Die Studie vom Fraunhofer ISE ist die erste großflächige wissenschaftliche Studie über den Einsatz von Wärmepumpen im Altbau. Die Ergebnisse haben sogar uns äußerst positiv überrascht, zeigen sie doch, dass Wärmepumpen in jedem Typ Haus als hocheffizientes Heizungssystem funktionieren. Sie widerlegen die weit verbreitete Einschätzung, dass Wärmepumpen nur mit einer Fußboden- oder Wandheizung einsetzbar sind. Heizkörper erfordern nicht zwangsläufig „sehr hohe“ Vorlauftemperaturen. Gerade im Altbau sind diese oft sehr groß dimensioniert und warum Wärmepumpen so gut im Altbau funktionieren, sind die oft sehr groß dimensionierten Heizkörper und sie erreichen selten mittlere Heizkreistemperaturen von über 45 °C. Das heißt, Wärmepumpen können auch in Bestandsgebäuden die benötigte Wärme mit zufriedenstellender Effizienz bereitstellen. Mit Hilfe kostengünstiger und kurzfristig umsetzbarer Maßnahmen lässt sich zudem die Effizienz noch weiter verbessern. Dazu gehört der z.B. der Austausch einzelner Heizkörper.

Mattes: Grundsätzlich ist für einen effizienten Betrieb einer Wärmepumpe nur ein abgestimmtes Niedertemperatur-Wärmeabgabesystem brauchbar. Überdimensionierte Radiatoren im Altbestand halte ich für eine Fehlinformation, da bei tieferen Außentemperaturen zu hohe Vorlauftemperaturen erforderlich werden! Die „unglaubliche Effizienz“ kann nur mit einem effizienten Wärmeabgabesystem (Flächenheizung mit max. ca. 35 bis 40 Watt/m²oder Niedertemperaturradiatoren mit passendem Leitungsnetz) sowie einer entsprechenden Quelltemperatur erreicht werden – wie ich auch schon ausgeführt habe.

Ganz im Gegensatz zu den Ergebnissen von Fraunhofer steht ein aktueller TV-Beitrag des Formats Plusminus, ausgestrahlt am 28. Juli 2021 in der ARD, in dem von schlechter Anlageneffizienz und extrem hohen Stromkosten gesprochen wird. Kritisiert wird unter anderem, dass die von den Herstellern im Labor ermittelten Werte zur Festlegung der Energieklasse einer Wärmepumpe nach Einbau nicht zu realisieren wären – Honorarprofessor Klaus Knoll (Staatliche Akademie Riesa): „An den ausgeführten Anlagen ist für den Privatmann die Kontrolle der Effizienz kaum möglich“, Ernst Fischer, Innungsvorstand Sanitär-Heizung-Klima München: „Erst am Stromverbrauch sieht man, dass etwas nicht stimmen kann“. Dr. Werner Neubauer, BUND (Bundesarbeitskreis Energie e.V.), hat mit Experten im Schwarzwald Wärmepumpen auf ihre Effizienz getestet und kommt zu dem Schluss: „Wie viel Wärme kommt heraus, für wie viel Strom, den man einsetzt? Normalerweise sollte es das Vierfache sein, aber in vielen Fällen kam nur das 2,5 bis 3-Fache heraus.“ Reklamiert wird eine Energieverbrauchs- und Effizienzanzeige an den Anlagen (die in D auch bis 1. Jänner 2023 verpflichtend sein soll). Was sind, Ihrer Meinung nach, die Faktoren für schlechtere Anlageneffizienz und wie könnte man diese minimieren? Wie stehen Sie zu den zitierten Kritikpunkten?

Freimüller: Wärmepumpen eignen sich grundsätzlich nicht nur für Neubauten, sondern auch für Bestandsgebäude. Für den effizienten Betrieb ist immer eine fachgerechte Planung und Ausführung notwendig, dies gilt nicht nur für Wärmepumpen, sondern ganz allgemein für alle Bereiche der Gebäudetechnik. Bei dem in dem Beitrag gezeigten Fall handelt es sich offensichtlich um eine fehlgeplante Anlage und einen bedauerlichen Einzelfall, der nicht verallgemeinert werden sollte. Dass Wärmepumpen bei fachgerechter Planung und Ausführung auch in Bestandsgebäuden effizient arbeiten und in der Lage sind, die gewünschten Wohnraumtemperaturen bereitzustellen, zeigen unzählige Praxisbeispiele und nicht zuletzt die Feldstudien des Fraunhofer ISE. Als Verband Wärmepumpe Austria bieten wir gemeinsam mit dem AIT – Austrian Institute of Technology ein umfangreiches Qualifizierungs- und Zertifizierungsangebot, um die Ausführungsqualität installierter Anlagen in Österreich laufend zu verbessern.

Mattes: Die zitierten Kritikpunkte sind meiner Meinung nach angebracht und nach meiner Information wird ohnehin schon eine monatliche Betrachtung vom Energieverbrauch und der Effizienz seitens der EU angedacht. Leider ist das so, dass der Einbau eines Stromzählers nach EN 15450 (2007) zwecks Effizienzüberwachung zwar empfohlen, jedoch seitens der Hersteller abgelehnt wird. Auch mit den Prüfbedingungen im Labor nach EN 14511 werden bessere Ergebnisse erreicht. Um einen wirtschaftlichen Betrieb zu erreichen, müssen der Wärmeerzeuger und das Wärmeabgabesystem abgestimmt sein und auch die Gebäudehülle passen. Noch eines gebe ich zu bedenken – mit erneuerbarem Strom, den es nur bei uns im Sommer gibt, kann im Winter nicht elektrisch geheizt werden und 100 % bilanziell erneuerbarer Strom ist als Träumerei entgegen den Gesetzen der Physik zu werten.

Der Einbau von Wärmepumpen wird in Deutschland wie auch in Österreich vom Staat durch attraktive Förderungen forciert. Die ARD richtet dazu eine Frage an das (deutsche) Bundesministerium für Wirtschaft und Energie: „Warum fördert man ineffiziente Anlagen und warum gibt es keine verpflichtende Prüfung der Effizienz?“ – und kommt zum Schluss „Wärmepumpen sind politisch gewollt“, propagiert wird „der Einbau von 6 Millionen Wärmepumpen bis 2030, um die Klimaziele des Bundes zu erreichen“. Wie beurteilen Sie solche Aussagen?

Freimüller: Die Förderung von Wärmepumpen ist in Österreich an sehr strenge Effizienzkriterien geknüpft, die den Herstellern durch Erlangen des EHPA-Gütesiegels bescheinigt werden. Man kann also davon ausgehen, dass jede in Österreich geförderte Anlage technisch gesehen hocheffizient ist. Dies lässt sich am sogenannten COP ablesen, der die Effizienz einer Wärmepumpe auf einem genormten Prüfstand zeigt. Die im Betrieb erzielten Effizienzwerte, die JAZ (Jahresarbeitszahl), hängt jedoch stark von der spezifischen Einbausituation und der Installationsqualität ab. Hier ist der ausführende Installateur gefragt, für das konkrete Projekt die richtigen Einbauentscheidungen zu treffen, um eine bestmögliche Anlageneffizienz sicherzustellen.

Und noch ein letzter Aspekt aus dem sehr kritischen Bericht in der ARD: „Wo soll der Strom für diese Wärmepumpen herkommen?“ Der BUND berechnet für Deutschland je nach Effizienz der Anlagen einen Verbrauch von 50 Terawattstunden Strom pro Jahr, das entspricht 1/10 des Gesamtstromverbrauchs der Bundesrepublik. Wie sind die Berechnungen für Österreich? Und: wird es Ihrer Meinung nach gelingen, diesen Strombedarf aus erneuerbaren Energien bereitzustellen – denn nur dann würden die Wärmepumpen ja klimaneutral laufen? (Der ARD-Bericht vertritt die Meinung, dass es in Deutschland nicht funktionieren wird, derzeit wird der meiste Strom in D aus Frankreich zugekauft ... 70 % dieses Stroms wird in Atomkraftwerken produziert ...)

Freimüller: Die Situation in Österreich lässt sich mit der in Deutschland nicht vergleichen. Österreich hat bereits jetzt einen sehr hohen Anteil an Ökostrom, von 80 % und mehr. Dies führt jetzt schon beim normalen österreichischen Strommix zu sehr geringen CO2-Emissionen. Überdies wird laut Plan der Bundesregierung Österreich bis 2030 bilanziell mit 100% Ökostrom versorgt. Somit ist der Betrieb einer Wärmepumpe spätestens dann komplett CO2-neutral. Szenarien der deutschen Denkfabrik Agora Energiewende und des österreichischen Klimaministeriums zeigen, dass durch den vermehrten Einsatz von Wärmepumpen der Energieverbrauch in der Wärmebereitstellung insgesamt sinkt. Dies trifft sogar für den Stromverbrauch zu, da man davon ausgehen kann, dass die zahlreichen Elektrodirektheizungen auch durch effizientere Heizsysteme wie Wärmepumpen ersetzt werden.