Abwasser : Hier wird mit Abwasser geheizt

Nach dem Händewaschen, beim Duschen und auch in der Toilette fällt es an: Abwasser. Leise schleicht es durch die Kanalisation und bahnt sich seinen Weg in Richtung Kläranlage. Vom Abfluss über das Abwassernetz bis zur Abwasserbehandlungsanlage bleibt das Schmutzwasser meist ungenutzt. Eine vergeudete Ressource, wie Stephan von Bothmer findet. Er ist beim baden-württembergischen Unternehmen Uhrig für die Geschäftsentwicklung Energie aus Abwasser zuständig und Experte, wenn es um die Kanalisation geht: „Wir sind seit über 50 Jahren im Kanal zuhause.“

Wärmeenergie aus Schmutzwasser

Bei Uhrig wird das Abwasser als thermische Energiequelle für Wärmepumpen genutzt. „Wir sehen uns bei Immobilien an, ob in der Nähe ein Kanal verfügbar ist, der sich für die Wärmegewinnung aus dem Abwasser eignet. Die Gretchenfrage dabei ist, ob der Kanal groß genug ist und die benötigte Mindestabwassermenge durchfließt“, erklärt von Bothmer im Gespräch mit TGA. Das Abwasser bringt eine Temperatur von sieben bis zwölf Grad mit sich. Uhrig hat einen Abwasserwärmetauscher entwickelt, der individuell auf die Größe des Kanals angepasst werden kann. „Grob betrachtet handelt es sich beim Therm-Liner um zwei Edelstahlelemente, die am Boden des Kanals befestigt werden. Über den Wärmetauscher wird dann die Wärmeenergie aus dem Abwasser an ein Transportmedium, in unserem Fall Wasser, übertragen. Dieses erwärmte Wasser wird dann an die Wärmepumpe im Haus geleitet“, so von Bothmer.

Durch das vorgewärmte Wasser benötigt die Wärmepumpe deutlich weniger Energie für die Wärmeerzeugung. Somit wird nicht nur eine ansonsten vergeudete thermische Quelle genutzt, sondern der Kunde spart Strom und Energiekosten. „Bei Luft-Wärmepumpen wird deutlich mehr Energie benötigt, um die kalte Außenluft auf Temperatur zu bringen. Die Geothermie bringt grundsätzlich gute Wärmeenergie, jedoch sind die damit verbundenen Bohrungen sehr aufwendig und auch kostspielig“, erklärt der Experte. Zudem ist das Abwasserpotenzial groß, wie eine Studie von enervis energy advisors zeigt. Rund 14 Prozent des Wärmebedarfs der deutschen Gebäude könnten mit der Energie aus Abwasser gedeckt werden. Das entspricht in etwa 100 Terawattstunden im Jahr.

Bürokratie steht im weg

Ganz unkompliziert ist die Installation des Uhrig-Wärmetauschers jedoch nicht – zumindest was die Genehmigungen angeht. „Es hängt dabei viel von der Bereitschaft der Kanalnetzbetreiber ab. Wir versuchen ihnen klar zu machen, dass sie die Wärme verfügbar machen und so einen Mehrwert daraus generieren sollten. Letztens liegt die Entscheidung aber bei ihnen“, meint Stephan von Bothmer. In den meisten deutschen Großstädten sowie einigen kleineren Städten hat Uhrig aber bereits die notwendigen Genehmigungen erhalten.

Auch in Österreich war das Unternehmen bereits tätig. „Wir haben jeweils in Innsbruck und Wien einen Wärmetauscher in der Nähe der Verwaltungsgebäude der Kanalnetzbetreiber installiert. Die Unternehmen können sich so selbst von dem System überzeugen“, sagt von Bothmer. Für die Kanalnetzbetreiber bringt die Wärmegewinnung einen entscheidenden Vorteil: Geld. Da die Netzbetreiber im Vorhinein offenlegen müssen, welche Kanäle sich für die Wärmegewinnung eignen, erhalten sie im Gegenzug eine kleine Gebühr für jeden installierten Wärmetauscher. „Bei ein, zwei Geräten macht das noch nicht viel aus, aber bei über 100 Geräten lohnt sich die Zusammenarbeit für die Netzbetreiber sehr schnell“, so Stephan von Bothmer. Der Therm-Liner beeinträchtigt das Abfließen des Wassers nicht. Es gibt keine Querschnittsreduzierung und der Edelstahl kann rund 50 Jahre lang bedenkenlos im Kanal bleiben. Auch Reinigungsarbeiten werden von den Edelstahlelementen nicht gestört. Da es sich bei dem Wärmetauscher um ein physikalisches und kein elektronisches Prinzip handelt, ist der Wärmetauscher mit sehr wenig Aufwand verbunden.

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Für öffentliche und private Gebäude

Der Therm-Liner kann nicht nur für Verwaltungsgebäude oder andere öffentliche Immobilien genutzt werden, sondern findet auch im privaten Bereich Anwendung. „Wenn sich zum Beispiel in einem Quartier mehrere Einfamilienhäuser zusammentun, dann können auch sie die Abwasserwärme nutzen. Ab 20 Kilowatt geht es los, nach oben hin sind keine Grenzen gesetzt“, erklärt von Bothmer. Wichtig ist dabei: Das System nutzt nicht das Abwasser aus einem einzelnen Haus, sondern wird im nächstgrößeren Kanal installiert. Dort laufen Schmutz- und Regenwasser aus mehreren Quellen zusammen, wodurch sich der Betrieb des Wärmetauschers auch dann lohnt, wenn einzelne Haushalte für einige Zeit leer stehen. „Ist ein geeigneter Kanal nicht weiter als 900 Meter entfernt, kann der Therm-Liner problemlos installiert werden“, ergänzt Stephan von Bothmer.