Abwasser : Pilzenzyme sollen Medikamente aus dem Abwasser filtern

© Werner/TUD

Seit zwei Jahren forscht die Arbeitsgruppe Enzymtechnik am Institut für Naturstofftechnik der TU Dresden an einem biochemischen Verfahren zur Entfernung von Xenobiotika aus dem Abwasser. Zu den Xenobiotika zählen Hormone, Schmerzmittel, Antibiotika, Röntgenkontrastmittel sowie Industrie- und Agrachemikalien. Sie werden durch den Menschen an das Abwasser abgegeben und belasten so Flüsse und Seen. Aktuelle Studien zeigen, dass allein in Deutschland jährlich etwa 300.000 Tonnen Mikroschadstoffe in die Wasserkreisläufe gelangen. Schon in sehr geringer Konzentration haben einige dieser Stoffe nachteilige Wirkungen auf unser Ökosystem und beeinflussen die Gewinnung von Trinkwasser negativ.

„Die bestehenden dreistufigen kommunalen Wasser- und Abwasserreinigungsanlagen sind nur teilweise in der Lage, diese Schadstoffe herauszufiltern. Selbst modernste Anlagen können keine vollständige Reinigung leisten", erklärt Projektleiterin Anett Werner das Problem. „Noch gibt es für diese Stoffe keine gesetzlichen Grenzwerte, doch das wird sich ändern müssen. Dann steht in vielen Klärwerken in Deutschland der Ausbau einer vierten Reinigungsstufe an. In der Schweiz ist das an vielen Stellen schon erfolgt.“

Pilzfilter soll Stoffe entfernen

Die Wissenschaftler der TU Dresden haben deshalb ein Biofiltersystem auf der Basis von bestimmten Pilzenzymen entwickelt. Nur Ständerpilze besitzen diesen Enzym-Cocktail. Sie können ringförmige chemische Verbindungen, wie sie auch die kritischen Xenobiotika besitzen, aufspalten und schließlich zu deren Entfernung beitragen. „Wir wollen ein Filtersystem entwickeln, das zumindest einen Teil der Mikroschadstoffe auf natürlichem Weg entfernt. Dabei helfen uns Pilze, deren Enzyme wie chemische Scheren arbeiten. Die Scheren zerschneiden die Ringstrukturen der Medikamente, dadurch werden sie biologisch abbaubar. Wir isolieren die Enzyme, binden sie an hochporöse metallische Werkstoffe und bauen sie in Filter am Ende der Kläranlagen ein. Sobald die Enzyme nicht mehr arbeiten, werden die Kugeln entnommen, erhitzt und mit neuen Enzymen versehen“, so Werner.

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Metallische Hohlkugel ist optimales Trägermaterial

Für das eigentliche Biofiltersystem mussten die Wissenschaftler eine Technologie zur Immobilisierung, also Isolation und Fixierung, der Enzyme auf hochporöse Träger konstruieren. Als Trägermaterial wurden verschiedene Materialien erfolgreich getestet: metallische Hohlkugeln aus einem Sintermaterial, die kaum vier Millimeter groß sind, Metallschäume, Membranen und Luffa-Schwämme, ein Naturmaterial, das als Naturstoff reichlich und günstig verfügbar ist und nach der Nutzung im Filter auch noch biologisch abgebaut werden kann. Die Fixierung auf einem Träger ist wichtig, damit die Enzyme in einem Filtersystem an Ort und Stelle arbeiten können.

Bisherige Laborversuche haben gezeigt, dass die Enzyme auf metallischen Hohlkugeln selbst nach acht Wochen noch aktiv sind. Dieser Zeitraum soll weiter optimiert werden. In einer Biofilteranlage müsste das Wasser etwa zwei bis acht Stunden verweilen bis die kritischen Substanzen abgebaut sind. Zudem konnten die Wissenschaftler nachweisen, dass sich 15 Substanzen mithilfe der Pilzenzyme auf natürlichem Weg aus dem Wasser entfernen lassen – darunter Antibiotika, Schmerzmittel, Blutdrucksenker, Entwässerungsmittel und ein Anti-Epileptikum, für das es bisher keine praktikable technische Lösung gab. Damit entwickeln die Bioverfahrenstechniker der TU Dresden einen wesentlichen Baustein zur nachhaltigen Wassernutzung.