Qualifikation : Ingenieure brauchen Management-Qualitäten
Architekten und Ingenieure müssen zusätzlich zu technischen Qualifikationen in Zukunft verstärkt über Managementkompetenzen sowie soziale und kommunikative Fähigkeiten verfügen. Was allerdings von der Praxis gefordert wird, findet in der Ausbildung noch zu wenig Berücksichtigung, so die Ergebnisse einer vom Verband der Ziviltechniker- und Ingenieurbetriebe (VZI) durchgeführten Umfrage, die im Rahmen einer Podiumsrunde mit Vertretern der Branche bei Microsoft Österreich präsentiert wurde.
So zeigen die Umfrageergebnisse unter 39 österreichischen Architektur- und Ingenieurbüros sowie 186 Schülern und Studenten technischer Fachhochschulen, Höherer Technischer Lehranstalten und Universitäten, dass soziale Kompetenzen, wie etwa die Fähigkeit, im Team zu arbeiten, zwar in der Praxis zunehmend an Bedeutung gewinnen, jedoch für jeden zweiten Auszubildenden und in etwa zwei Drittel der Arbeitgeber derzeit nicht in ausreichendem Maße an technisch höheren Schulen, Fachhochschulen und Universitäten vermittelt werden.
„Das frühzeitige Erlernen umfangreicher, über den rein technischen Bereich hinausgehender, Kompetenzen ist essenzieller Bestandteil für das erfolgreiche Arbeiten im digitalen Umfeld unserer Architekten und Ingenieure von morgen“, ist Andreas Gobiet, Präsident des VZI, Ingenos Gobiet, überzeugt. „Für uns als Technologieunternehmen sind die vom VZI abgefragten Zukunftsqualifikationen die Basis die jeder Mitarbeiter mitbringen muss“, unterstreicht auch Niklas Martin von Microsoft Österreich das Ergebnis der Umfrage.
Aufholbedarf bei Vorbereitung auf Praxis groß
Durch das Abwickeln von stetig komplexeren Projekten wird der Fähigkeit, sich selbst und andere zu führen sowie ein entsprechendes Qualitätsmonitoring sicherzustellen, eine immer größere Bedeutung zugestanden. Während Schüler und Studenten zur Hälfte der Meinung sind, dass ihnen Managementkompetenzen in ausreichendem Maße vermittelt werden, ist dieses Bild nur bei 20 Prozent der Unternehmen zu erkennen.
„In beinahe allen abgefragten Managementkompetenzen attestieren die Unternehmen den Absolventen ein schlechteres Bild, als diese deren Vermittlung an ihrer Ausbildungsstätte bewerten. Dieses Ergebnis zeigt deutlich, dass wir uns auch von Unternehmensseite stärker bemühen müssen, dass reale Projektabläufe in der Ausbildung Platz finden und die frühzeitige Konfrontation mit Herausforderungen stattfindet, die sich in planenden Berufen ergeben“, betont Wolfgang Kradischnig, DELTA.
Zudem sind rund zwei Drittel der Schüler und Studenten der Meinung, ihre Ausbildung bereite sie gut auf die Praxis vor, während rund zwei Drittel der Befragten seitens der Architektur- und Ingenieurbüros der gegenteiligen Meinung sind.
„Digitalisierung heißt Veränderung und für Veränderung bedarf es sowohl Mut als auch Ressourcen. Das rasante Fortschreiten der Digitalisierung unterschiedlichster Prozesse bringt enormes Potenzial mit sich. Das Erlernen sogenannter ‘soft skills‘, wird immer wichtiger und muss daher ein anhaltender Prozess in den Unternehmen sein“, betont Andreas Köttl von Value One.
Iva Kovacic, Universitätsprofessorin und Leiterin der Forschungsgruppe für Integrale Planung der TU Wien betont in diesem Zusammenhang zwei weitere Qualifikationen: „Was wir vor allem benötigen ist die verstärkte Vermittlung mathematischer Kompetenzen und die Vermittlung von Fremdsprachen, vor allem Englisch. BIM lernt man schnell, aber hier haben wir aus heutiger Sicht enormes Potenzial nach oben.“
Vermittlung vom BIM hat deutliches Potenzial nach oben
Der Vermittlung digitaler Kompetenzen wie Building Information Modeling (BIM) wird seitens der Architektur- und Ingenieurbüros eine ebenso große Rolle zugesprochen. Dazu Gerhard Popp, Sektionsleiter der Sektion I, Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort: „Wenn wir über die Bedeutung eines verstärkten Einsatzes von Zukunftsqualifikationen sprechen ist es wichtig, diese mit digitalen Kompetenzen zu verknüpfen. Ab 2020 werden digitale Kenntnisse in 90 Prozent aller Betriebe gefordert. Hier müssen die Unternehmen ihre Mitarbeiter entsprechend unterstützen.“
Hinsichtlich der Vermittlung von BIM wird jedoch sowohl von Studierenden und Schülern als auch von Architektur- und Ingenieurbüros Kritik geäußert. Für rund 86 Prozent der Auszubildenden wird BIM entweder „gar nicht“, „kaum“ oder nur „oberflächlich“ in den Lehr- und Studiengängen vermittelt und in etwa 76 Prozent aller befragten Unternehmen sind der Meinung, dass in Bezug auf die Vermittlung von Kompetenzen rund um das Thema BIM starker Aufholbedarf besteht.
„Eine möglichst breit gefächerte und fundierte Ausbildung sichert unseren Jung-Architekten und -Ingenieuren den Eintrittsschein in die Unternehmenswelt“, betont Susanne Schindler, ALLPLAN.
„Die Unternehmen haben dann allerdings die Aufgabe, die Absolventen als Rohdiamant zu betrachten und mit den notwendigen Fähigkeiten, die es in der realen Arbeitswelt verlangt, auszustatten“, ergänzt Kurt Puchinger von der Stadt Wien, Geschäftsgruppe für Wohnen, Wohnbau und Stadterneuerung, die Relevanz der Umfrageergebnisse für die Branche.