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Rechtsfragen : 4 Fragen zum Brandschutz

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Frage 1: Müssen Normen angewendet werden, auch wenn sie rechtswidrig, fehlerhafte oder unvollständige sind?

Eine technische Norm ist eine Beschreibung oder ein anderes Dokument, das für jedermann – wenn auch mit Honorar – zugänglich ist und unter Mitarbeit und im Einvernehmen oder mit allgemeiner Zustimmung aller interessierten Kreise erstellt wurde.

"Eine technische Norm ist ein Dokument, das mit Konsens erstellt und von einer anerkannten Institution angenommen wurde und das für die allgemeine und wiederkehrende Anwendung Regeln, Leitlinien oder Merkmale für Tätigkeiten oder deren Ergebnisse festlegt, wobei ein optimaler Ordnungsgrad in einem gegebenen Zusammenhang angestrebt wird (Normen sollten auf den gesicherten Ergebnissen von Wissenschaft, Technik und Erfahrung basieren und auf die Förderung optimaler Vorteile für die Gesellschaft abzielen)."

„Dadurch, dass die CE-Kennzeichnung nicht die Bauwerkssicherheit gewährleistet und nicht kenntlich machen könne, ob die nationalen Sicherheitsanforderungen an das Bauprodukt erfüllt worden seien, müsse dies weiterhin nach den nationalen gesetzlichen Sicherheitsanforderungen überprüft werden“
(Moufang/Koos in Messerschmidt/Voit, Privates Baurecht4 (2022), § 633 BGB Rn 29f – vgl auch 7Ob43/23h des obersten Gerichtshofes).

Widerspricht eine Prüfnorm den Voraussetzungen der Bauproduktenverordnung oder den österreichischen Gesetzen, so darf sie nicht angewendet werden. Widerspricht ein Normungsentwurf der OIB-Richtlinie 2, dann dürfte eine Norm nicht beschlossen werden. Harmonisierte Normen und EU-Prüfnormen sind keine Gesetze, sondern nur Herstellerempfehlungen. Harmonisierte Normen und EU-Prüfnormen dürfen dann nicht angewendet werden, wenn sie österreichischen Gesetzen widersprechen.

Der maßgebende Stand der Wissenschaft und Technik darf dabei nicht mit Branchenüblichkeit gleichgesetzt werden, denn die in der jeweiligen Branche tatsächlich praktizierten Sicherheitsvorkehrungen können durchaus hinter der technischen Entwicklung und damit hinter den rechtlich gebotenen Maßnahmen zurückbleiben. (8 Ob 126/09a). Haftungsgefahren drohen Herstellern, Planern, Anlagenbauern, Behörden und Eigentümern, wenn Normen – seien es EN Normen oder rein österreichische Normen – angewendet werden, die gesetzlichen Regelungen widersprechen.

Hersteller – Produkthaftungsgesetz §5 PHG

Ein Produkt ist fehlerhaft, wenn es nicht die Sicherheit bietet, die man unter Berücksichtigung aller Umstände zu erwarten berechtigt ist, besonders angesichts

  1. der Darbietung des Produkts,
  2. des Gebrauchs des Produkts, mit dem billigerweise gerechnet werden kann,
  3. des Zeitpunkts, zu dem das Produkt in den Verkehr gebracht worden ist.

Hersteller können auch nach der Verschuldenshaftung in Anspruch genommen werden. Wenn man eine Gefahr schon vorher kennen müsste, liegt ein klares Verschulden vor und auch versicherungsrechtlich ist es sehr problematisch.

Hersteller müssten zumindest hinweisen, dass bei den Normenvorgaben eine Gefahr droht. Widrigenfalls ist zumindest von einem Instruktionsmangel auszugehen. Hersteller können auch nach der Gewährleistung in Anspruch genommen werden.

Ist durch die OIB Richtlinien 2 z.B. EI 90 vorgeschrieben, dann ist die strengere nationale Regelung anzuwenden. Es handelt sich bei Missachtung keineswegs um einen geringfügigen Mangel, sondern um einen schwerwiegenden Mangel, sodass ein Austausch notwendig erscheinen würde, denn der Erwerber kann zu Recht davon ausgehen, dass das Werk weder Menschen noch Eigentum gefährden wird.

Anlagenbauer-Haftung

Die Produkthaftung ist wesensgleich mit denen zu den Herstellern. Auch wenn das Produkt in unbewegliche Sachen eingebaut werden, gilt die Produkthaftung. Anlagenbauer können auch nach der Verschuldenshaftung in Anspruch genommen werden.

Händler-Haftung

Entspricht ein Produkt nicht den gesetzlichen Vorschriften, dann ist ein Gewährleistungsmangel gegeben.

Planer & Architekten - Haftung

Architekten und Planer gelten nach § 1299 ABGB als Sachverständiger. Bei Fehlern des Architekten gibt es Gewährleistung – bzw. Schadenersatzmöglichkeiten, auch strafrechtliche Folgen sind möglich, wenn ausgeschrieben wird, ohne den Stand der Technik zu berücksichtigen.

Bei der Auswahl der Baustoffe und ihrer Beschreibung im Hinblick auf den Brandschutz ist stets der sicherste Weg zu wählen. Dies beinhaltet klare und unmissverständliche Angaben, die keinen Zweifel an der zulässigen Art der Ausführung lassen. Genügt die Planung diesen Vorgaben nicht, ist diese mangelhaft.

Behörden-Haftung

Behörden haben gesetzmäßig zu handeln. Ist einer Behörde bewusst oder müsste die Behörde wissen, dass eine Norm nicht nur den Grundgesetzen der Physik widerspricht, sondern auch gegen OIB 2 verstößt, ist bei Missachtung der Gesetze eine Amtshaftung nicht ausgeschlossen.

Eigentümer-Haftung

Eigentümer haften ihren Mietern, wenn sie Verschulden haben. Die Bauwerkshaftung gemäß § 1319 ABGB ist gegeben, wenn Besitzer nicht beweisen, dass sie alle Sorgfalt angewendet haben. Ist den Eigentümern bekannt, dass eine Norm Gefahren in sich birgt, dann werden sie die Bedingungen der Bauwerkshaftung nicht erfüllen. Versicherungsrechtlich ergibt sich die Frage, ob eine Obliegenheitsverletzung vorliegt, wenn trotz Kenntnis einer Gefahr ein mangelhaftes Produkt eingebaut wird.

Zusammenfassung: Widerspricht eine Norm österreichischen Rechtsregelungen, darf sie nicht angewendet werden.

Frage 2: Sind Brandschutzklappen Teil eines Lüftungssystems nach § 27 AStV und daher nach § 13 AStV jährlich zu prüfen oder nicht?

Nach § 3 ASchG sind Arbeitgeber verpflichtet, für Sicherheit und Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer in Bezug auf alle Aspekte, die die Arbeit betreffen, zu sorgen. Und in § 25 ASchG ist geregelt, dass Arbeitgeber geeignete Vorkehrungen treffen müssen, um das Entstehen eines Brandes und im Falle eines Brandes eine Gefährdung des Lebens und der Gesundheit der Arbeitnehmer zu vermeiden.

Vor 2010 wurde im Zuge eines Seminars der Zentralarbeitsinspektorats in Schladming besprochen, dass Brandschutzklappen einen wichtigen Sicherheitsbauteil
der Lüftungsanlagen darstellen, somit ein Teil der Lüftungsanlage sind, weshalb Brandschutzklappen in den Überprüfungsbefund des Zentralarbeitsinspektorats ab 2012 aufgenommen wurden. Seit September 2019 ist das Feld mit Brandschutzklappen nicht mehr enthalten gleichgeblieben ist aber der übrige Text und der Schlusssatz: „Die Lüftungs-, Klimaanlage wurde in allen ihren Teilen sorgfältig untersucht und in sachgemäßer Weise einer Sichtprüfung sowie einer Funktions- und Wartungskontrolle unterzogen.“

Daher ist zu untersuchen, ob Brandschutzklappen Teil der Lüftungs- und Klimaanlagen sind. Das wird zwar grundsätzlich nicht bestritten, soll aber dennoch mit Fundstellen belegt werden. Für jede Klimaanlage ist eine harmonisierte Produktnorm verbindlich. Nach EN 15650 sind Brandschutzklappen Teil des Lüftungssystems.

Ergibt sich diese Eigenschaft zwingend auch aus dem Arbeitnehmerschutz und insbesondere aus der Arbeitsstättenverordnung? Die Antwort ist „JA“.

§ 13 AStV lautet:

(1) Folgende Anlagen und Einrichtungen sind mindestens einmal jährlich, längstens jedoch in Abständen von 15 Monaten auf ihren ordnungsgemäßen Zustand zu überprüfen:

  1. Sicherheitsbeleuchtungsanlagen
  2. Alarmeinrichtungen
  3. Klima- oder Lüftungsanlagen
  4. Brandmeldeanlagen.

Es soll hier also bewusst der Aspekt des Brandschutzes auf das Maß reduziert werden, das mit den arbeitnehmerschutzrechtlichen Vorschriften zur Lüftung untrennbar zusammenhängt: Eine ausreichend zuträgliche Atemluft kann es im Brandfall bei defekten Brandschutzklappen nicht geben, vielmehr dringt bei geöffneter Klappe ein lebensgefährliches Gemisch aus Luft und Rauchgas durch das Lüftungsrohr.

Beschädigungen der Brandschutzklappe können durch chemische oder mechanische Faktoren entstehen. Kein Hersteller kann alle Gefahren, die durch den Betreiber oder sonstige Umstände hervorgerufen werden, ausschließen. Deshalb sieht das ASchG und die AStV schematische Prüffristen des Betreibers (Arbeitgebers) unabhängig von Herstellerangaben vor. Sehen allerdings die Herstellervorgaben kürzere Prüffristen, als in der AStV vorgesehen, vor, dann sind diese einzuhalten. Ein Hersteller von Serienprodukten kann nicht alle Gefahren ausschließen, ohne den konkreten Betrieb zu kennen, es gibt auch Zufälle, Entwicklungsrisken, Vorgänge - wie besondere Verschmutzungen - Lebensdauerprobleme der Produkte und Gefahren, die durch einjährliche Prüfpflichten zumindest minimiert werden können. Risken, die jederzeit eintreten könnten wären beispielsweise auch, dass ein mechanischer Teil der Brandschutzklappe dadurch bricht, dass ein Ventilator einen zu hohen Druck ausübt, oder dass durch eine Reinigung die BSK beschädigt wird. Auch könnten Kanalreinigungen chemische Störungen hervorrufen. Chemische und technische Schäden sind daher absolut denkbar und nicht absehbar. Brandschutzklappen können auch verschmutzt sein, wodurch die Lüftung beeinträchtigt wäre.

§ 27 (7) der AStV besagt, dass mechanische Lüftungsanlagen „jederzeit funktionsfähig“ sein müssen und Absatz (8) der gleichen Bestimmung regelt, dass Klima- und Lüftungsanlagen regelmäßig zu kontrollieren und bei Bedarf zu reinigen sind. Ablagerungen und Verunreinigungen, die zu einer unmittelbaren Gesundheitsgefährdung der Arbeitnehmer/innen durch Verschmutzung der Raumluft führen könnten, sind sofort zu beseitigen. Befeuchtungsanlagen sind stets in hygienisch einwandfreiem Zustand zu erhalten.

„Jederzeit“ bedeutet „immer“: Sogar Verschmutzungen, die zu einer unmittelbaren Gesundheitsgefährdung der Arbeitnehmer führen können, sind sofort zu beseitigen.

Fällt eine Lüftungsanlage aus, werden die Arbeitnehmer nicht sofort ersticken. Ist eine Lüftungsanlage verschmutzt, kann dies zu „unmittelbaren“ Gesundheitsgefährdungen führen, die aber meist nicht lebensgefährlich sein werden. Von einem Funktionieren einer Lüftungsanlage kann sicherlich nicht gesprochen werden, wenn im Brandfall das Luft - und Rauchgasgemisch die Arbeitnehmer binnen kürzester Zeit tötet. Eine sofortige Beseitigung der Gesundheitsgefahr bei Rauchgas ist aber nur durch die vorbeugende also präventive Schutzvorrichtung durch eine funktionierende Brandschutzklappe möglich.

Die Auslegung, dass im Brandfall eine Lüftungsanlage gefährlich sein darf, widerspricht sämtlichen Vorschriften des Arbeitnehmerschutzes, sodass Brandschutzklappen nicht nur nach EN 15650, sondern auch nach der klaren Vorgabe der §§ 3 und 25 ASchG und §§ 13 und 27 AStV in den Bereich der Lüftung fallen und vom Arbeitgeber zumindest jährlich zu überprüfen sind.

Zusammenfassung: Brandschutzklappen sind jährlich zu überprüfen.


Frage 3: Kann es gefährlich sein, wenn Steuersysteme für Brandschutz- und Entrauchungsklappen nicht „heiß“ geprüft werden?

Brandmeldanlagen lösen bei Erkennung eines Brandalarmes in den betroffenen Brandabschnitten bestimmte Funktionen aus, die von der externen Brandfallsteuerung übernommen werden, wie das Schließen von Brandschutzklappen bzw. Öffnen/Schließen von Entrauchungsklappen, Abschalten von Betriebslüftungen, Einschalten der Brandrauchventilatoren, Evakuierungsbefehle von Aufzügen, Aktivierung von Druckbelüftungsanlagen zur Fluchtwegsrauchfreihaltung, etc. Andere, nicht betroffene Brandabschnitte und Funktionen müssen dabei aber voll funktionsfähig bleiben.

Welche Gefahren drohen bei Unterlassung von „heißen“ Prüfungen?

Es droht die Gefahr, dass Brandfallsteuersysteme verbaut werden, die nicht geeignet sind und im Brandfall nicht die von Ihnen verlangten Aufgaben und Funktionen übernehmen bzw. erfüllen. Damit besteht im Brandfall eine große Gefahr für Leib und Leben da Fehlfunktionen sowie der Ausfall des Systems ausgeschlossen werden sollte.

Es soll in der Vergangenheit vorgekommen sein, dass es Fehlfunktionen von Steuerungssystemen unter Temperatureinwirkung gegeben hat. Bei Steuerungssystemen kann es unter Temperatureinwirkung unter Umständen zu Fehlfunktionen kommen.

Was steht in den Normen?

Es werden Brandprüfungen der Brandfallsteuersysteme gefordert bzw. Anforderungen definiert, allerdings gibt es keine dezidierte Prüfnorm, die eine normierte Durchführung der Prüfung verlangt.

  • In ÖNORM F 3001 sind in Punkt 5.6.1. die Anforderungen an periphere Steuerelemente beschrieben. F 3001 gilt für Brandschutzklappen und Entrauchungsklappen.
  • In ÖNORM EN 12101 – 8 (gilt nur für Entrauchungsklappen) ist in Punkt 4.2.1.2. geregelt, dass die Schnittstellenüberwachungseinheit unter den gleichen Zeit und Temperaturkriterien zu prüfen ist, wie der Motor, der die Entrauchungsklappe steuert.

Die gängigen Prüfmethoden sind: CE-Prüfung, Elektromagnetische Verträglichkeit, IP- Zertifizierung, ÖNORM F3001. Diese Prüfungen geschehen alle unter Raumtemperaturbedingen und haben mit den Zuständen (Temperaturen im Brandfall) nichts zu tun.

In der ÖNORM F3001, ÖNORM EN 15650 und ÖNORM EN 12101-8 stehen Hinweise bzw. Anforderung drinnen, dass diese Steuerungen zu prüfen sind, aber es gibt keine Prüfnorm mit einem normierten Prüfablauf.

Ohne Brandversuche kann eine Fehlfunktion nicht ausgeschlossen werden und es gibt keine Sicherheit, dass die Steuerungssysteme im Brandfall funktionieren.


Es stellt sich die Frage, welche Haftungen möglich und welche Haftungen sind sehr wahrscheinlich wären?

Die Haftung des Herstellers nach dem Produkthaftungsgesetz, der weiß, dass Prüfungen im „heißen Zustand“ nicht durchgeführt wurden, ist im Schadensfall höchst wahrscheinlich.

§ 5. PHG definiert den Fehler: (1) Ein Produkt ist fehlerhaft, wenn es nicht die Sicherheit bietet, die man unter Berücksichtigung aller Umstände zu erwarten berechtigt ist, besonders angesichts 1. der Darbietung des Produkts, 2. des Gebrauchs des Produkts, mit dem billigerweise gerechnet werden kann, 3.des Zeitpunkts, zu dem das Produkt in den Verkehr gebracht worden ist.

Der Kreis der Produktdarbietung ist weit gezogen. Er beginnt mit der Werbung, geht über die Aufmachung des Produktes und den Anschluss von Beipackzetteln bis zur mündlichen Information beim Verkaufsgespräch (6Ob162/05z).

Die Unwirksamkeit eines Produkts, dessen Zweck darin liegt, bestimmte Rechtsgüter vor Gefahren oder Schäden zu schützen, ist als Produktfehler zu qualifizieren (6Ob162/05z).

Es macht keinen Unterschied, ob der Fehler auf einem „Zuviel", einem „Zuwenig" oder „Garnichts" an Wirkung beruht.

Der Hersteller kann sich der Pflicht zu einer möglichst ungefährlichen Konstruktionsweise nicht dadurch entziehen, dass er eine technisch mögliche und zumutbare konstruktive Maßnahme durch Warnungen an die Gefährdeten ersetzt.

Jede Ersatzpflicht setzt ein fehlerhaftes Produkt voraus. Das schutzauslösende Moment ist das sowohl den Körperschaden als auch den Sachschaden umfassende Integritätsinteresse jeder durch das Produkt geschädigten Person. Ausschlaggebend hiefür sind die berechtigten Sicherheitserwartungen, ein objektiver Maßstab, dessen Konkretisierung im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände vorzunehmen ist. Was im Einzelfall an Produktsicherheit erwartet werden darf, ist eine Rechtsfrage (hier: Produktionsfehler, wenn die Verschlussschraube beim Öffnen einer Mineralwasserflasche weggeschleudert wird).

Fehlerhaft im Sinne des PHG ist ein Produkt, das nicht einmal für jenen Gebrauch, der im Rahmen der Zweckwidmung des Erzeugers liegt, die erforderliche Sicherheit bietet, die ein durchschnittlicher Verbraucher oder Benützer erwarten darf und erwartet. (9Ob54/23s; 4Ob109/24v). Die Fehlerhaftigkeit eines gefährlichen Produkts beurteilt sich immer nach dem jeweiligen Zeitpunkt seines Inverkehrbringens. Bei Serienprodukten bedeutet dies, dass immer auf den Zeitpunkt abzustellen ist, in dem das jeweilige schadensstiftende Produkt in Verkehr gebracht wurde, nicht jedoch auf den Zeitpunkt der erstmaligen Einführung der Serie (6 Ob 215/11). Bei den Produktfehlern ist zwischen Konstruktionsfehlern, Produktionsfehlern und Instruktionsfehlern zu unterscheiden. Bei den Konstruktionsfehlern ist die Enttäuschung der Sicherheitserwartung im technischen Konzept, eben in der "Konstruktion" des Produkts, begründet. Beim Produktionsfehler (Fabrikationsfehler) entspricht zwar das Konzept und das danach hergestellte "idealtypische Produkt" den Erwartungen, nicht aber einzelne Stücke, weil der Produktionsprozess nicht normgerecht war. Beim Instruktionsfehler macht nur die unzureichende Darbietung das Produkt fehlerhaft (5Ob224/23m; 4Ob109/24v). Bei den Konstruktionsfehlern ist die Enttäuschung der Sicherheitserwartung im technischen Konzept, eben in der "Konstruktion" des Produkts, begründet. (3 Ob 106/05t) Ein Konstruktionsfehler liegt vor, wenn ein Produkt schon in seiner Konzeption unter dem gebotenen Sicherheitsstandard bleibt. Zur Gewährleistung der erforderlichen Produktsicherheit hat der Hersteller bereits im Rahmen der Konzeption und Planung des Produkts diejenigen Maßnahmen zu treffen, die zur Vermeidung einer Gefahr objektiv erforderlich und nach objektiven Maßstäben zumutbar sind. Erforderlich sind die Sicherheitsmaßnahmen, die nach dem im Zeitpunkt des Inverkehrbringens des Produkts vorhandenen neuesten Stand der Wissenschaft und Technik konstruktiv möglich sind und als geeignet und genügend erscheinen, um Schäden zu verhindern. Der maßgebende Stand der Wissenschaft und Technik darf dabei nicht mit Branchenüblichkeit gleichgesetzt werden, denn die in der jeweiligen Branche tatsächlich praktizierten Sicherheitsvorkehrungen können durchaus hinter der technischen Entwicklung und damit hinter den rechtlich gebotenen Maßnahmen zurückbleiben. Sind bestimmte mit der Produktnutzung einhergehende Risiken nach dem maßgebenden Stand von Wissenschaft und Technik nicht zu vermeiden, so ist unter Abwägung von Art und Umfang der Risiken, der Wahrscheinlichkeit ihrer Verwirklichung und des mit dem Produkt verbundenen Nutzens zu prüfen, ob das gefahrträchtige Produkt überhaupt in den Verkehr gebracht werden darf. Ob eine Sicherungsmaßnahme nach objektiven Maßstäben zumutbar ist, lässt sich nur unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls im Rahmen einer Gesamtbetrachtung beurteilen (8 Ob 126/09a). Für das Bestehen einer Warnpflicht ist entscheidend, ob ein Schutzbedürfnis des Vertragspartners vorliegt. Wenn der Verkäufer einer Sache vernünftigerweise erwarten darf, dass dem Erwerber die mit dem Gebrauch des Gutes verbundenen Gefahren auf Grund der nach Lage des Falles vorauszusetzenden Sachkunde bekannt sind, braucht er nicht zu warnen (15Ob224/23m).

Es haftet der Endhersteller, der Teilhersteller, der Scheinhersteller, der Assembler und der Importeur.

Die Haftung des Scheinherstellers ist gegeben, wenn auf dem Produkt ein Name, eine Marke oder ein anderes Erkennungszeichen angebracht wird. Ihm gilt dann das Warenvertrauen. Erkennungszeichen iSd § 3 PHG ist alles, woraus die Identität eines Unternehmens erkennbar ist. Aufgrund des erweckten objektiven Scheins kann der einen Teil des Namens des Herstellers (Scheinhersteller) enthaltende Aufdruck auf dem Produkt als Herstellerhinweis verstanden werden. Es ist nicht erforderlich, dass beim Erwerber des Produktes der Eindruck der Eigenerzeugung "bewusst und gewollt" hervorgerufen wird. (7Ob49/01h; 7Ob82/15g). Für die Frage, ob jemand als „Assembler" (englisch: Monteur) zu betrachten ist, kann es nicht darauf ankommen, ob die Montage auf Wunsch des Kunden oder aus freien Stücken des Verkäufers erfolgt. Der Assembler gilt als Endhersteller .Vielmehr sind die Fälle der Montage, deren Gesamtbetrachtung nach der Verkehrsauffassung das Bild einer bloßen Dienstleistung ergibt, vom Fertigungsprozess im Sinn eines Assemblers anhand verschiedener Kriterien wie die wirtschaftliche Wertveränderung bei der Zusammenstellung; der Umfang der dadurch bewirkten Änderung des Gebrauchszwecks des Produktes oder seiner charakteristischen Eigenschaften (vor allem im Hinblick auf das Sicherheitsrisiko), desgleichen ein über die Gestaltung der gelieferten Teile hinaus erforderliches Konstruktionswissen und Fachwissen für die Zusammenstellung abzugrenzen. Die Abgrenzung ist anhand der Umstände des konkreten Einzelfalls vorzunehmen. Ausgehend davon, stellt nach der Verkehrsauffassung ein gebrauchsfertiger Tisch gegenüber dem in zwei Teilen, nämlich Tischgestell und Tischplatte gelieferten Tisch jedenfalls dann kein eigenständiges Produkt dar, wenn die Verbindung von Tischgestell und Tischplatte auch von einem Laien ohne Konstruktions- und Fachwissen mit einfachen Handgriffen und ohne Spezialwerkzeug bewirkt werden kann. Erfolgt das Zusammensetzen durch den Verkäufer, handelt es sich um make-ready-Service und nicht um die Tätigkeit eines Assemblers (3Ob171/09g). Aus den Gesetzesmaterialien (EB RV § 3 PHG, 272 Blg NR 17. GP 9) ergibt sich, dass die Definition des Herstellers auch den „Assembler" umfasst, der nur vorgefertigte Teile zusammenbaut (8Ob136/06t).

Es trifft zu, dass die Verbindung einer beweglichen mit einer unbeweglichen Sache eine einmal gegebene Produkteigenschaft unberührt lässt, so dass der Hersteller oder Importeur fehlerhaften Baumaterials für den dadurch am (übrigen) Gebäude eingetretenen Schaden haftet; hat der Beklagte aber mängelfreies Material geliefert, liegt ein Fehler im Sinne des § 5 PHG als Voraussetzung für die Produkthaftung des Erzeugers oder Importeurs eines Produkts gar nicht vor (2Ob162/10b).

Ist ein Produktfehler iSd § 5 PHG zu bejahen und damit ein zumindest potentiell schädigendes Ereignis, und ein künftiger Schadenseintritt nicht ausgeschlossen, kann auf Feststellung der Haftung iSd § 228 ZPO geklagt werden (4Ob109/24v).

Dem Kläger obliegt der Beweis des Produktfehlers und des Kausalzusammenhangs zwischen Produktfehler und Schaden. Den Beweis, welcher Bestandteil defekt wurde, muss er nicht führen (4Ob109/24v).

Eine Ausnahme von der Haftung liegt dann vor, wenn der Fehler auf einem Entwicklungsrisiko beruht. Das Kernelement des Entwicklungsrisikos liegt darin, dass die Gefährlichkeit einer bestimmten Produkteigenschaft beim Inverkehrbringen nicht erkennbar war (hier: Produktionsfehler, wenn die Verschlussschraube beim Öffnen einer Mineralwasserflasche weggeschleudert wird). (9Ob54/23s).

Das Kernelement des Entwicklungsrisikos liegt darin, dass die Gefährlichkeit einer bestimmten Produkteigenschaft beim Inverkehrbringen nicht erkennbar war. Für den Haftungsausschluss des § 8 Z 2 PHG kommt es weder auf die Kenntnisse an, die ein mit der Herstellung des Produkts befasster Techniker haben muss, noch darauf, ob der konkrete Hersteller Zugang zum letzten Stand von Wissenschaft und Technik gehabt hat. Vielmehr ist auf den höchsten Stand der Wissenschaft und Technik abzustellen, wie er im Zeitpunkt des Inverkehrbringens des betreffenden Produkts existierte (9 Ob 60/09b).

Der Standard von Wissenschaft und Technik konkretisiert die berechtigten Sicherheitserwartungen des durchschnittlichen Produktbenützers. Ob es dem Unternehmer möglich war, einen Fehler, der kein Entwicklungsrisiko darstellt, zu vermeiden und/oder rechtzeitig zu entdecken, ist für die - verschuldensunabhängige - Haftung hingegen ohne Bedeutung.

Nur die Unmöglichkeit, eine bekannte Eigenschaft der Sache als Fehler zu beurteilen, schließt die Haftung aus, nicht aber die Unmöglichkeit, die Fehlerhaftigkeit eines "Ausreißers", also etwa eines Materialfehlers, festzustellen (9Ob54/23s, 9 Ob 238/01t).

Der Verkäufer eines an sich fehlerfreien Produktes, dessen Verwendung in spezifischen Teilbereichen zu Schädigungen führen könnte, hat die Nebenverpflichtung zur Anleitung und Aufklärung. Die Haftung für "generell-abstrakt" fehlerfreie Produkte, die in "individuell-konkreten" Teilbereichen der Verwendung zu Schädigungen führen können und somit gefahrenträchtig sind, ist zu bejahen, wenn der Veräußerer mit einer derartigen Verwendung rechnen musste. Dementsprechend ist der Veräußerer zu einer richtigen Bezeichnung der von ihm verkauften Ware verpflichtet.

Eine Erleichterung für Hersteller liegt in § 7 Abs 2 PHG. Dort wird eine erleichterte Beweisführung den Herstellern zugebilligt, wenn ein normgerechter oder anderer technischer Standard entsprechende übliche Herstellungsart vorliegt. Ist das der Fall, ist die die Fehlerfreiheit des Produkts indiziert (5Ob152/21w). Der in Anspruch Genommene hat bloß als wahrscheinlich darzutun, dass das Produkt zurzeit, zu der es in Verkehr gebracht worden war, noch nicht den schadenskausalen Fehler hatte. Dieser erleichterte Beweis ist als erbracht anzusehen, wenn das Produkt dem Stand der Technik entsprach und das technische Prüfzeichen einer für die Prüfung anerkannten Anstalt aufwies (10Ob98/02p).

Das Bestehen einer Produktbeobachtungspflicht des Herstellers eines Produkts ist auch für den österreichischen Rechtsbereich zu bejahen und findet ihre dogmatische Grundlage in der Lehre von den Verkehrssicherungspflichten. Sie gründet auf dem Gedanken, dass die Verkehrssicherungspflichten des Produzenten nicht im Zeitpunkt des Inverkehrbringens des Produkts enden, sondern über diesen hinaus bestehen (6Ob215/11b).

Der interne Rückgriffsanspruch eines im Rahmen der Produkthaftung Ersatzpflichtigen gegen Mithaftende beruht nicht in einer Schadenersatzpflicht, sondern auf dem Gemeinschaftsverhältnis. Der Ausgleichsanspruch des in Anspruch genommenen Solidarschuldners ist ein selbständiger Anspruch, dessen Art und Umfang sich nach dem zwischen den Mitschuldnern bestehenden Verhältnis richtet. Es ist ein dem Aufwandersatz nach § 1042 ABGB ähnlicher selbständiger Anspruch (9Ob2138/96v).

Zusammenfassung: Es ist gefährlich, wenn Steuersysteme für Brandschutz- und Entrauchungsklappen nicht „heiß“ geprüft werden. Es drohen nämlich im Schadensfall zumindest die Produkthaftung, wenn nicht sogar Fahrlässigkeitsdelikte.

Frage 4: Ist ein Produkt ohne Leistungserklärung eigentlich brauchbar?

Die Bauproduktenverordnung (BPV) ist eine EU-Verordnung und ist daher für Mitgliedstaaten und die Einzelnen verbindlich und unmittelbar geltendes Recht. Sie ist in ihrer Gliederung das Vorbild für die OIB Richtlinien.

Grundsätzlich sagt der Artikel 4 Absatz 2 der Bauprodukteverordnung folgendes aus:

Leistungserklärung UND CE-Kennzeichnung

In Artikel 4 ist die Leistungserklärung erwähnt: Ist ein Bauprodukt von einer harmonisierten Norm erfasst oder entspricht ein Bauprodukt einer Europäischen Technischen Bewertung, die für dieses ausgestellt wurde, so dürfen Angaben in jeglicher Form über seine Leistung in Bezug auf die wesentlichen Merkmale gemäß den anwendbaren harmonisierten technischen Spezifikationen nur zur Verfügung gestellt werden, wenn sie in der Leistungserklärung enthalten und spezifiziert sind, es sei denn, gemäß Artikel 5 – das betrifft nur wenige Ausnahmefälle - wurde keine Leistungserklärung erstellt.

Ein Gutachten kann die für den bestimmten Anwendungszweck fehlende Leistungserklärung nicht ersetzen.

Für die rechtskonforme - also der BPV entsprechende- Verwendung von Bauprodukten sind die am Bau Beteiligten (Bauherr, Entwurfsverfasser und beauftragte Unternehmer) verantwortlich( Vgl auch Internet Struktur- und Genehmigungsdirektion Süd Johann Brill Umsetzung des Urteils des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 16.10.2014 in der Rechtssache C-100/13 ) , das eigentlich gar nicht am Markt existieren dürfte , weil es ja vom Hersteller – beispielsweise für eine bestimmte Leistung - nicht in Verkehr gebracht wurde. Der Planer hat die Verantwortung für die Auswahl eines Bauproduktes und zwar nicht nur hinsichtlich der Eignung des Baustoffes (Materials), sondern auch im Hinblick darauf, ob die jeweils in der CE-Kennzeichnung deklarierten Werte des Leistungsverhaltens die für die jeweilige Anwendung erforderlichen Werte erfüllen (Höhnl, Schremser, Die neue europäische Bauproduktenverordnung, Austrian Standards, 2011, S 8).

Wie soll das im Nachhinein auf der Baustelle korrigiert werden, wenn Planer sich nicht nach dem Stand der Technik orientiert haben?

Bauherren, Architekten und Planer sind schon im Vorhinein, das heißt bei der Ausschreibung und Planung in der Verpflichtung der BPV, weil die BPV das „Entwerfen“ und die „Ausführung“ mitumfasst, was nur durch strikte Einhaltung der durch die BPV vorgegebenen Verpflichtungen zur Befolgung der Leistungserklärung gewähreistet ist. Bauherren, Architekten und Planer müssen daher diesen- durch Prüfungs- Bewertungsverfahren- sichergestellten Sicherheitsstand gewährleisten. Weichen sie verschuldet von diesen Vorgaben ab, handeln sie fahrlässig.

Der Anlagenbauer, der Brandschutzprodukte kauft und sie, sei es auch mit weiteren Dienstleistungen weiterveräußert, ist ein Händler im Sinne der BPV und damit ein Wirtschaftsakteur. Sein Verschulden wird nach dem Wissensstand und den technischen Erkenntnissen zum Zeitpunkt der Herstellung des Werkes beurteilt. Die Vorschriften der BPV sind der aktuelle Stand der Technik und gehören daher zum verantwortlichen Wissensstand aller Personen, die für Bauprodukte Verantwortung tragen. Die BPV ist ein Schutzgesetz.

Was für Architekten gilt, gilt auch für die örtliche Bauaufsicht, welche die Einhaltung der technischen Regeln und der behördlichen Vorschriften durch die mit der Ausführung der Arbeiten beauftragten Bauunternehmen zu überwachen und die Interessen des Bauherrn wahrzunehmen hat. Einschreiten muss die ÖBA, wo Fehler erkennbar sind, wo also ein „Wissenmüssen“ gegeben ist (vgl. 8 Ob 618 / 93).

Zusammenfassung: Ein Produkt ohne Leistungserklärung ist grundsätzlich nicht brauchbar.

  • Dieser Beitrag von Alfred Popper ist die Langfassung der in Brandschutzreport 2024 erschienenen, gekürzten Fassung des Artikels.
  • Dieser Beitrag erscheint in Kooperation mit G&P Air Systems.