8.000 Kilometer Trinkwasserleitungen müssen in Berlin täglich auf Schadstoffe und Verunreinigungen geprüft werden. Diese Aufgabe übernehmen nicht etwa hochtechnologische Labormethoden in unserem Labor, sondern ganz einfache Bachflohkrebse. Die Berliner Wasserbetriebe können mit den Tieren die Trinkwasserqualität überprüfen und werden so informiert, wenn sich Giftstoffe im Wasser befinden. Fereshte Sedehizade, Betreuerin des Projektes, erklärt im TGA-Interview wie die Tierchen für sauberes Trinkwasser sorgen.
Sie haben das Projekt ja von Anfang an begleitet. Wie entstand denn die Idee Bachflohkrebse für die Trinkwasserüberwachung zu nutzen?
Die Idee kam vom Kieler Sensoriktechnologie-Unternehmen Sensatec und Waltertecyard. Unser Team der Berliner Wasserbetriebe hat diese Idee dann für den erweiterten Einsatz an den Trinkwasserleitungen optimiert. Wir suchten von Anfang an nach einer Methode, die uns sagt, dass es Verunreinigungen im Wasser gibt. In erster Linie ist es nicht wichtig was sich im Wasser befindet, sondern dass sich etwas im Wasser befindet. Wir haben also nach einem Indikator gesucht, der anzeigt, wenn das Wasser nicht mehr trinkbar ist.
Und dadurch sind sie auf die Bachflohkrebse gestoßen?
Genau. Bachflohkrebse sind Biosensoren und reagieren auf chemische Schadstoffe wie wir Menschen. Wir haben das Ganze vor fünf Jahren auch mit kleinen Fischen versucht, jedoch war der Aufwand mit diesen Tieren zu groß. Da die Fische unter ein besonderes Tierschutzgesetz fallen, hätten wir einen Tierschutzbeauftragten und jede Menge Genehmigungen benötigt. Zudem müssen die Fische ja gefüttert werden, wodurch wir unsere eigene Wasserprobe verändert hätten. Bachflohkrebse sind hingegen sehr genügsame Tiere. Sie überleben im normalen Trinkwasser und kommen bis zu zehn Tage ohne Nahrung aus. Außerdem brauchen sie viel weniger Platz als Fische.
Ein Leitungsnetz von 8.000 Kilometern zu überwachen, stelle ich mir sehr schwierig vor. Wo werden die Bachflohkrebse eingesetzt?
Wir werfen die Krebse ja nicht einfach ins Wassernetz, sondern haben dafür eigene Anlagen konzipiert. Dabei handelt es sich um einen runden Behälter mit einem Durchmesser von 23 Zentimeter und einer Höhe von sechs Zentimeter. Darin befinden sich acht Kammern, in denen jeweils ein Bachflohkrebs sitzt. Diese Geräte werden dann an Bypässen der Hauptleitungen angebracht. An dem Bypass wird ein Schlauch angeschlossen, der das Wasser aus dem Trinkwassernetz in das Überwachungssystem leitet. Dadurch kann das Wasser laufend überprüft werden.
Und was passiert dann in diesem Behälter?
In jeder Kammer mit Bachflohkrebs befinden sich außerdem zwei Sender und Empfänger. Die Sender schaffen einen Ionenfluss, der durch die Bewegung der Kiembeinchen der Bachflohkrebse beeinflusst wird. Normalerweise bewegen sich die Beine in einer bestimmten Art und Weise. Trifft nun aber ein Giftstoff auf die Bachflohkrebse bewegen diese sich entweder ungewöhnlich schnell oder gar nicht mehr. Diese Daten erreichen uns dann in der Messzentrale und lassen uns umgehend auswerten und gegebenenfalls einen Alarm auslosen.
Was machen die Berliner Wasserbetriebe, wenn es zu einem Alarm kommt?
Unser Ziel ist es die Giftstoffe möglichst schnell aus dem Trinkwassernetz zu bekommen. Deshalb werden alle betroffenenLeitungen mit sauberem Wasser durchgespült, bis sicher gegangen werden kann, dass sich keine Verunreinigungen mehr im Netz befinden. Parallel wollen wir herausfinden um welche Giftstoffe es sich überhaupt handelt. Dafür ist eine Probenfalsche an dem Behälter mit den Bachflohkrebsen angebracht. Darin wird eine Probe des verunreinigten Wassers gesammelt, die wir dann später im Labor analysieren können.
Gab es bisher schon einen Alarm?
Nein, bisher zum Glück noch nicht. Unsere Forschungsarbeit ist derzeit rein zukunftsorientiert, aber sollte es zu Gift in unserem Trinkwassernetz kommen, sind wir auf jeden Fall mit unseren heutigen Werkzeugen gewappnet. Die jetzige und auch aktuelle Herausforderung ist und bleibt die Sicherheit und optimale Überwachung des Trinkwasserverteilungssystems und genau da setzen wir an.
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