Smarte Gebäude sind ein großes Zukunftsthema. Durch intelligente Technik sowie eine umfassende Kommunikationszentrale können Abläufe im Gebäude perfektioniert und Ressourcen möglichst effizient eingesetzt werden. Doch ab wann ist ein Gebäude wirklich smart und wie viel Smartness ist nötig? Darüber soll bald der Smart Readiness Indicator SRI, der in der neuen EU-Gebäudeeffizienz-Richtlinie verankert ist, Auskunft geben.
Rundum-Smartness-Paket
Die EU-Richtlinie zur Gebäudeeffizienz trat bereits im Juni 2018 in Kraft, die Mitgliedstaaten der EU haben aber noch bis 10. März 2020 Zeit, um die geforderten Maßnahmen umzusetzen. Es ist also noch Zeit bis der endgültige SRI vervollständigt sein muss und so gibt es bisher noch kein endgültiges Konzept, sondern erst vage Vorstellungen. Im Wesentlichen beinhaltet der Indikator drei Ziele: Einerseits soll damit klar bestimmt werden können wie effizient ein Wohngebäude im Betrieb sein kann. Andererseits legt der SRI fest wie gut das Gebäude auf die Bedürfnisse der Nutzer eingehen kann. Und zu guter Letzt wird durch den Indikator auch bestimmt, wie flexibel ein Haus auf Netzschwankungen reagieren kann.
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Die Europäische Kommission, das Projekt-Konsortium sowie eine Gruppe aus Stakeholdern arbeiten derzeit an der richtigen Methodik zur Berechnung des Smart Readiness Indicators. Außerdem legen die Verantwortlichen fest wie die unterschiedlichen Gebäudebereiche in den Mitgliedstaaten gewichtet werden. Ein Heizsystem ist in Griechenland weniger relevant als in Norwegen, was bei dem Indikator berücksichtigt werden muss. „Derzeit gibt es noch viele Stakeholdermeetings für die Erstellung eines umfangreichen Smart Readiness Indicators. Wir gehen davon aus, dass die Berechnungsmethodik Ende Oktober steht“, erklärt Armin Knotzer, Forscher bei der Arbeitsgemeinschaft Erneuerbare Energie AEE Intec. Er ist selbst an der Erstellung der Berechnungsmethodik beteiligt und gibt Briefing.One einen Einblick in den aktuellen Vorgang.
Bewertungs-Katalog
„Im Endeffekt kann man sich die Bewertung eines Gebäudes folgendermaßen vorstellen: Eine fachmännische Person geht mit einem Katalog alle Domänen des Gebäudes ab und gibt eine Einschätzung der Funktionslevels ab“, erklärt Knotzer und führt fort: „Daraus entsteht dann eine Gesamteinschätzung, ähnlich dem Energieausweis.“ Zusätzlich zu dieser aufwendigen Bewertung wird derzeit auch ein sogenannter Quick-Check diskutiert: „Dabei handelt es sich um ein Online-Tool mit mehreren Fragen zum Gebäude. Dadurch soll eine erste Selbsteinstufung ermöglicht werden. Diese Einstufung kann auch alleiniger Indikator sein, möglicherweise ist eine umfassende Bewertung eines Experten notwendig“, so Knotzer.
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Zu den einzelnen Komponenten, die der SRI bewertet, zählen unter anderem die Bereiche Heizung, Lüftung und Klimatisierung. Bewertungsgrundlage ist dabei vor allem die Steuerung der Systeme. „Besonders gut bewertet werden Building Energy Management Systems, sogenannte BEMS. Dabei sind alle Einzelkomponenten über ein zentrales Leitsystem verbunden, wodurch maximale Intelligenz bereitgestellt wird“, erklärt der Experte. Durch das smarte Zusammenspiel der einzelnen Komponenten kann eine maximale Effizienz des Gebäudes erreicht werden, was ganz im Sinne der Gebäudeeffizienzrichtlinie liegt.
Es gibt jedoch einen entscheidenden Haken: Der SRI gibt nur das Potenzial der Technologien an. Wie diese tatsächlich genutzt werden und wie der Betrieb eines Gebäudes aussieht, wird nicht berücksichtigt. Für Knotzer ist das ein entscheidendes Defizit: „Das ist eine klare Schwachstelle, die aktuell noch diskutiert wird. Eigentlich bräuchte der SRI neben Quick-Check und Gesamtcheck noch eine dritte Ebene, die Auskunft über die tatsächliche Gebäudeeffizienz gibt.“ Das würde aber bedeuten, dass erneut ein Experte herangezogen werden müsste, der die Effizienz beurteilt. „Man könnte aber auch auf die automatischen Leitsysteme zurückgreifen. Diese können die einzelnen Indikatoren messen, sodass keine Mitarbeiter vor Ort benötigt werden“, schlägt Armin Knotzer vor.
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Verbesserter Energieausweis statt SRI
Mit der derzeit geplanten Version des SRI ist Knotzer insgesamt wenig zufrieden: „Die Frage ist hierbei wirklich: Was bringt der SRI? Ich freue mich über die Diskussion zu intelligenten Gebäuden, aber ich glaube nicht, dass ein SRI die endgültige Lösung ist.“ Vor allem der Bereich erneuerbare Energie sei im SRI zu wenig verankert, meint der Forscher. Von insgesamt 52 genannten Services adressieren nur zwei erneuerbare Energie. Auch der Bereich Energieflexibilität wird laut Knotzer zu wenig berücksichtigt. Der Bereich wird zwar erwähnt, jedoch ist dabei nicht festgelegt, welche Energie favorisiert werden soll. „Das könnte also genauso gut fossile Energie sein“, erklärt der AEE-Forscher. Hinsichtlich der Pariser Klimaziele müsste hier deutlich nachgebessert werden, damit die Gebäude auch wirklich auf nachhaltige Energie zurückgreifen.
Statt sich auf eine neue, möglicherweise wirkungslose Bewertungsgrundlage zu konzentrieren, sollte die EU sich lieber auf die Ausweitung des Energieausweises konzentrieren, meint Armin Knotzer und erklärt: „Wir müssen uns fragen, wie der Energieausweis der Zukunft aussehen soll. Die Gebäudetechnik sollte bestenfalls direkt in den Energieausweis miteinbezogen werden. Außerdem sollte die Berechnungslogik des aktuellen Energieausweises hinterfragt werden. Momentan versteht den Gesamtenergieausweis nämlich so gut wie niemand.“ Die EU ist aber dennoch überzeugt, dass der SRI einen wesentlichen Beitrag zur Beurteilung intelligenter Gebäude und deren Effizienz leisten wird. Wer Recht behalten wird, Wissenschaft oder Politik, wird sich ab März 2020 zeigen.
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