Interview : „Wir müssen uns fragen: Welche Unternehmen überleben die Krise und mit welchem Personalstand?“
Wie man Lehrlinge nicht nur gewinnt, sondern auch langfristig an das Unternehmen bindet, weiß Paul Apfelthaler. Er ist Geschäftsführer des Marketingverbands 1a-Installateure und hat eine österreichweite Marke etabliert, die die Regionalität einzelner Installateursbetriebe mit einer Dachmarke vereint. Im Gespräch mit TGA gibt er nicht nur Ratschläge zur Mitarbeiterbindung, sondern spricht auch darüber, wie die Coronavirus-Krise die Branche und den Fachkräftemangel prägen wird.
TGA: In manchen Betrieben ist der Fachkräftemangel nach wie vor nicht spürbar, wie zum Beispiel beim Wiener Innungsmeister Robert Breitschopf. Er meint, er sei froh, dass der Fachkräftemangel bei ihm im Betrieb kein Thema ist. Wo sieht das anders aus, wen betrifft der Fachkräftemangel?
Paul Apfelthaler: Man kann das Thema nicht einfach über Österreich scheren. Die Zahlen zeigen, dass es sehr wohl einen Fachkräftemangel gibt und dieser tendenziell auch steigt. In manchen Regionen mag man vielleicht eher an Fachkräfte kommen als beispielsweise in Oberösterreich. Man muss sich hier die Regionen im Einzelnen ansehen. Die Regionalität und der persönliche Bezug zum Arbeitgeber, sind übrigens große Vorteile, um Lehrlinge an ein Unternehmen zu binden. Für Auszubildende sind große Industriebetriebe häufig weniger attraktiv, da es diesen persönlichen Bezug dort nicht gibt.
TGA: Nun ist der Fachkräftemangel kein plötzliches Phänomen, er hat sich schon vor Jahren angekündigt. Hätte man hier präventiv arbeiten können?
Paul Apfelthaler: Der Mangel an Fachkräften hat meiner Meinung nach mit einem schlechten Image des Handwerks begonnen. Früher hieß es gerne „Wenn du nicht lernen willst, geh arbeiten“. Damit wurde die Arbeitsthematik schlecht dargestellt und heute bekommen wir die Rechnung serviert: Es gibt eine Inflation an Bachelor- und Mastertiteln und viel zu wenige Fachkräfte. Das schadet allen, denn damit verliert der Master an Wertigkeit und das Handwerk lässt man langsam sterben.
TGA: Wie sieht den der Beruf des Installateurs aus Ihrer Perspektive heute wirklich aus?
Paul Apfelthaler: Das Handwerk ist heute hochqualitativ. Wir sprechen hier nicht vom Kanalausräumen und Rohre stemmen, sondern von einem technisch komplexen Beruf. Es ist ein sehr spannender Beruf und ich denke, dass man als Handwerker derzeit oft besser dran ist, als ein Akademiker. Man hat dort alle Möglichkeiten, wenn man Engagement und Interesse zeigt.
TGA: Es geht aber nicht nur darum, Lehrlinge zu finden, man sollte die Mitarbeiter auch halten können. Welche Fehler machen Arbeitgeber Ihrer Meinung nach am häufigsten bei Lehrlingen im Betrieb? Was veranlasst Lehrlinge, die Ausbildung abzubrechen und ein Unternehmen zu verlassen?
Paul Apfelthaler: Der Grund für eine frühzeitige Kündigung ist meist der Ausbildner. Das ist nicht nur meine persönliche Meinung, das zeigen auch Befragungen und Studien zu diesem Thema. Wenn der Ausbildner kein angenehmer Geselle ist, dann werden Lehrverträge schnell aufgelöst. Es reicht also nicht nur, Lehrlinge zu gewinnen, man muss sie auch binden – und kann dann bestenfalls noch weitere Lehrlinge durch sie gewinnen.
TGA: Was meinen Sie damit?
Paul Apfelthaler: Wir versuchen unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu Influencern, sogenannten Markenbotschaftern, zu machen. Wenn Menschen gerne in einem Unternehmen arbeiten, dann tragen sie das auch nach außen und erzählen Familie und Freunden davon. Das wiederum wirft ein gutes Licht auf unsere Betriebe und unsere Marke und so werden wir auch für potenzielle Lehrlinge plötzlich interessanter.
TGA: Nun haben einige Betriebe derzeit aber nicht zu wenige Fachkräfte, sondern zu viele. Die Coronavirus-Pandemie veranlasst Arbeitgeber ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Kurzarbeit zu schicken, schlimmstenfalls muss sogar gekündigt werden. Wie wird das den Fachkräftemangel verändern?
Paul Apfelthaler: Der Fachkräftemangel wird durch die Coronakrise keineswegs besser. Nach der Krise wird sich die Frage stellen: Welche Betriebe haben überlebt und mit welchem Personalstand?
TGA: In manchen Betrieben gibt es keine Alternative, es muss gekündigt werden, damit das Unternehmen überleben kann. Nach der Krise stehen diese Betriebe dann ohne qualifizierte Fachkräfte da. Wie kann man dieses Problem vorausschauend umgehen?
Paul Apfelthaler: Das ist wirklich eine der größten Herausforderungen derzeit. Hier gilt es mit Sorgfalt durch die Krise zu schiffen. Auch wenn es sehr schwierig ist, man darf die guten Leute nicht verlieren, denn die Auftragslage wird sich nach der Coronavirus-Pandemie wieder bessern und dann wird jede Fachkraft benötigt.
TGA: Gibt es hier Ihrer Meinung nach genug Unterstützung seitens der Regierung?
Paul Apfelthaler: Ich denke, die Mittel werden sich laufend anpassen müssen. Wenn ich an das 38 Milliarden schwere Maßnahmenpaket denke, läuft es mir kalt den Rücken runter. Die Regierung muss derzeit machen, was möglich ist und zwischen Gesundheit und Ökonomie abwägen und das machen alle Beteiligten auch ganz gut.
TGA: Welche Lehren wird die Branche aus der Coronakrise ziehen?
Paul Apfelthaler: Ich hoffe, dass es zu einem Umdenken kommt. Einige Produktionsbetriebe müssen sich überlegen, ob es wirklich Sinn ergibt, alle Waren aus China und den USA zu importieren oder, ob es nicht sinnvoller wäre, direkt in Europa zu produzieren. Mittelfristig wird es hier wahrscheinlich ein Umdenken geben. Die Frage ist, was wir langfristig mit diesen Denkanstößen machen.