Wärmepumpe in der Industrie : Anergienetz für Leiterplattenwerk von B&R
Der österreichische Automatisierer B&R, seit 2017 Teil von ABB, will sich vom Erdgas verabschieden. Den ersten Schritt macht die Umstellung des Leiterplattenwerks in Eggelsberg, das ein Anergienetz mit Großwärmepumpenanlage bekommt.
2,5 Mio. Euro hat B&R in die Anlage investiert, die künftig 15.500 m2 an Produktions- und Büroflächen klimafreundlich heizen und kühlen soll. Die dadurch entstehenden Einsparungen sind beträchtlich, umgerechnet entsprechen sie in etwa dem Gasverbrauch von 150 bis 200 Haushalten.
Als Industriebundesland Nr. 1 der Republik kommt gerade Oberösterreich eine besondere Bedeutung bei der Energietransformation im produzierenden Bereich zu.Markus Achleitner, Wirtschafts-Landesrat Oberösterreich
Zweistufige Wärmepumpenanlage: Das Herzstück
Pro Jahr substituiert das neue Wärmepumpensystem bei B&R künftig mehr als 1.800 MWh Gas. Da aufgrund örtlicher Gegebenheiten keine Tiefenbohrungen möglich waren, hat man sich für eine reversible Luftwärmepumpe des Herstellers Enerblue entschieden. Für die Ausführung zeichnete Anlagenbau Hasenauer verantwortlich, Fuchs & Partner übernahmen die Planungsarbeiten.
Die Gesamtwärmepumpenleistung im B&R Leiterplattenwerk liegt bei 980 kW Heizleistung. Die Kälteleistung beträgt 850 kW und ist speziell für jene Produktionsbereiche relevant, die im Sommer auf ein spezifisches Temperaturniveau gekühlt werden müssen. Das System ist zweistufig: Der „Booster“ ist eine Wasser-Wasser-Wärmepumpe, um die Vorlauftemperatur an kalten Tagen anzuheben bzw. Prozessabwärme nutzen zu können.
Oberösterreichs Wirtschafts-Landesrat Markus Achleitner bezeichnet das Projekt von B&R als „Vorreiter beim Ausstieg aus fossilen Energien". Industrie- oder Großwärmepumpenanlagen wie diese seien „Leuchtturmprojekte" auf dem Weg zur Klimaneutralität. Außerdem bestehe österreichweit mit über 12 Prozent ein bedeutendes Potenzial, den Industriewärmebedarf durch Wärmepumpen zu decken. Dieses gelte es laut Achleitner auszuschöpfen. Die Nachricht scheint durchaus anzukommen: 2022 wurden österreichweit 131 Industriewärmepumpen verkauft, das entspricht einer Steigerung von 134 Prozent im Vergleich zu 2021.
Ein großes Potenzial von Großwärmepumpen liegt in der Verwertung der industriellen Abwärme, was wiederum den Strombedarf reduziert. So auch bei B&R, wo die neue Wärmerückgewinnungsanlage die Prozessabwärme aus der Produktion als Energiequelle zur Beheizung der Büro- und Produktionsflächen nutzt.
Immer noch gibt es große Bedenken, dass sich der Ausstieg aus Gas in der Industrie aktuell noch nicht finanzieren lässt. Unsere neue Wärmepumpe beweist, dass dieser Schritt heute in vielen Industriebetrieben machbar ist, in denen Gas nicht für die eigentliche Produktion erforderlich ist.Jörg Theis, B&R Geschäftsführer
Anergienetz: Das Bindeglied
Überschüssige Abwärme kann dank eines Anergienetzes auch in anderen Gebäudeteilen genutzt werden. Dieses vernetzt die dezentralen Wärmequellen über innerbetriebliche Verteilernetze. Eine neue Wärmerückgewinnungsanlage nutzt die Prozessabwärme der Produktion als Energiequelle zur Beheizung. Die Abwärme der Lötöfen wird über einen „Wärmetransformator“ (= zwei Wasser/Wasser-Wärmepumpen) zurückgewonnen und die Wärmeenergie (140 kW) in das Heizungssystem eingespeist.
Die darüber hinaus benötigte Energie wird durch das Luft-Wärmepumpensystem erzeugt. Überschüssige Wärme kann in anderen Gebäudeteilen genutzt werden. Eine Mess-, Steuer- und Regeltechnik aus dem eigenen Haus sorgt dafür, dass alle Komponenten der Lösung bestmöglich zusammenarbeiten
Konkrete Maßnahmen im Leiterplattenwerk von B&R
- Die drei voll funktionsfähigen Gaskessel wurden durch ein Wärmepumpensystem ersetzt.
- Die luftgekühlte Kompaktkältemaschine am Flachdach wurde demontiert. Durch den Wechsel auf Wärmepumpentechnologie können 200 Kilogramm an R134a Kältemittel durch 104,4 Kilogramm des natürlichen Kältemittels R290 (Propan) ersetzt werden.
- Als Wärmetransformator wurden zwei Wasser-Wasser-Wärmepumpen im neuem Technikraum installiert. Diese Transformatoren dienen zum Anheben des Temperaturniveaus im Heizsystem (=Wärmerückgewinnung).
- Etablierung eines Anergienetzes: In den Übergangsmonaten kann Überschusswärme von den Wärmepumpenanlagen über die innerbetrieblichen Verteilnetze in andere Gebäude verschoben werden. In diesen Gebäuden erfolgt dadurch eine Reduzierung des Erdgasverbrauchs.
Ausbau von Photovoltaik und E-Mobilität in Planung
Die ABB-Gruppe will bis 2030 vollständig CO2-neutral werden. Daher setzt das B&R auch verstärkt auf Elektromobilität innerhalb des Unternehmens. Momentan fährt jedes zehnte Fahrzeug von B&R elektrisch, Ziel ist es, mehr als 90 Prozent der Fahrzeugflotte im Headquarter mit Strom zu betreiben. Aktuell sind 59 Ladestationen auf dem Gelände in Eggelsberg in Betrieb.
Auf dem im Vorjahr eröffneten Innovations- und Bildungscampus bei B&R in Eggelsberg befindet sich bereits eine Eigenverbrauchs-Photovoltaikanlage. Im Vorjahr wurden damit 1.786 MWh Strom erzeugt. In den kommenden Jahren soll die Anlage weiter ausgebaut werden, um etwa auch die Umstellung der Fahrzeugflotte auf Strombetrieb zu unterstützen.