Forschung : Wie viel CO2-Einsparungspotenzial durch Gebäudeautomation möglich ist

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Gebäudeautomation stellt einen Schlüssel für die Dekarbonisierung des Gebäudebereichs dar.

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In einer aktuellen Studie hat das Austrian Institute of Technology (AIT) CO2-Einsparungspotenziale im Gebäudebereich – genauer in den Sektoren Einfamilienhaus sowie mehrgeschossiger Wohnbau im Bereich Heizung, Beleuchtung und Trinkwassererwärmung – in Österreich analysiert. Dabei lag der Schwerpunkt auf der wirtschaftlichen Durchführbarkeit von Sanierungsmaßnahmen, die eine Vernetzung der Technologien forcieren und dadurch Einsparungspotenziale nicht nur in der Planung, sondern auch im Gebäudebetrieb sichtbar und steuerbar machen.

Die größten Einsparungsmöglichkeiten ergaben sich im Bereich Heizung: Eine effiziente Regelung in Kombination mit einer ganzheitlichen Gebäudeautomation kann bei einer Sanierungsrate von fünf Prozent ein Einsparungspotenzial heben, das dem CO2-Ausstoß von mehr als 16.000 dieselbetriebenen Autos entspricht. Weitere Effizienzsteigerungen ergeben sich im Falle eine gesamtheitlichen energetischen Sanierung auch bei der Trinkwassererwärmung und Beleuchtung.

Auszug: Rechtliche Rahmenbedingungen für den Gebäudesektor

  • Erneuerbaren-Energien-Richtlinie 2021 (RED III) der EU: Betrifft die Nutzung von erneuerbaren Energien und setzt Ziele und Maßnahmen, um das Potenzial in allen Sektoren des Energiesystems optimal zu nutzen. Der Anteil der erneuerbaren Energien am Gesamtenergieverbrauch der EU soll so bis 2030 auf 27 Prozent steigen. Im Unterschied zur derzeit geltenden Fassung der Erneuerbaren-Richtlinie (RED II) ist diese neue EU-weite Zielvorgabe unverbindlich, aber in Österreich unter anderem im Nationaler Energie- und Klimaplan verankert.
  • Energieeffizienzrichtlinie der EU: Die Richtlinie (EED I) der Europäischen Union war Teil der Strategie Europa 2020 und hat sich zum Ziel gesetzt, die übergeordneten Energieeffizienzziele der Union von 20 Prozent bis 2020 zu erreichen. Seitdem wurde eine Änderungsrichtlinie (EED II) verabschiedet sowie ein Entwurf für die EED III vorgestellt. Da der vorgesehene Zeitraum zur Erfüllung der Zielsetzungen bereits abgelaufen ist, befindet sich das aktuelle österreichische Energieeffizienzgesetz (Energieeffizienzgesetz-NEU) derzeit in Ausarbeitung
  • Gebäuderichtlinie der EU: Betrifft die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden, wurde 2010 verabschiedet und 2018 novelliert. Wesentliche Vorgaben sind in Österreich im Nationalen Energie- und Klimaplan definiert.
  • Nationaler Energie- und Klimaplan: Zeigt den Weg zur Erreichung der Energie- und Klimaziele Österreichs bis 2030 auf und betrifft jene Sektoren, die nicht dem EU-Emissionshandelssystem unterliegen, wie etwa Verkehr, Landwirtschaft oder Gebäude.
  • Langfriststrategie 2050: Österreich will bis 2050 klimaneutral sein. Was den Gebäudebereich betrifft, will man bis 2030 rund drei Millionen t CO2-Äquivalent gegenüber 2016 einsparen. Bis 2050 soll der Sektor möglichst vollständig dekarbonisiert sein.

Der österreichische Gebäudesektor

Stand der letzten Zählung 2011 stehen in Österreich 2.191.280 Gebäude, in denen sich 4.441.408 Wohnungen befinden. Über drei Viertel dieser Bestandsgebäude wurden vor 1990 gebaut und gelten laut Statistik Austria zu 60 Prozent aus energetischer Sicht als sanierungsbedürftig. Der dazugehörige Energiebedarf hat es in sich: Raumwärme und Klimatisierung umfassten 2022 rund 26 Prozent des gesamten Endenergiebedarfs in Österreich. Effizienzfortschritte sind daher gerade in diesen Bereichen von großer Bedeutung, wenn die Dekarbonisierung des Gebäudebereichs bis 2050 erreicht werden soll.

CO2-Einsparungen durch Gebäudesanierung

Die Ergebnisse der AIT-Studie zeigen, dass umfassende energetische Gebäudesanierungen zu deutlichen Effizienzsteigerungen beitragen. So können sie unter heutigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in den betrachteten Anwendungen durchschnittlich über 20 Prozent an zusätzlichen CO2-Einsparungen* im Vergleich zu Sanierungen ohne Gebäudeautomation realisieren. Dadurch verringert sich nicht nur der thermische Endenergiebedarf eines Gebäudes, sondern auch der elektrische Bedarf. Außerdem können weitere netzdienliche Services zur Verbrauchsflexibilisierung umgesetzt werden. Das umfasst zusätzlich aktive Maßnahmen im Betrieb des Gebäudes durch intelligente Regeltechnik, verbessertes Haus- und Gebäudemanagement, intelligente Beleuchtung, sowie Maßnahmen zur besseren Integration von Nutzer*inneninformationen und Komfortanforderungen. Damit ist es möglich, Gebäude auch während des Betriebs zu steuern, zu optimieren und dadurch energieeffizient zu betreiben.

Fazit der Studie

Thermischen Sanierungen alleine werden nicht ausreichen, um alle CO2-Einsparungspotenziale im Gebäudesektor zu heben. Sie sollten durch eine gesamtheitliche energetische Sanierung zu ergänzt werden. Dadurch können verschiedene Energieträger verknüpft sowie die optimale Nutzung von Energiequellen – durch die Vernetzung von Systemen und eine Digitalisierung der Energieströme – umgesetzt werden.

* Die Ergebnisse basieren auf jährlichen Sanierungsraten des österreichischen Gebäudebestands von 0,8 Prozent, 3 Prozent sowie 5 Prozent, wobei die Berechnungsbasis die ÖNORM EN ISO 52120 darstellt. Als Basisszenario wurde eine Sanierung ohne Gebäudeautomation angenommen.

TGA hat bei Branchenvertretenden nachgefragt, ob sie der Gebäudeautomation ebenfalls so eine hohe Bedeutung für die Einsparung von CO2 im Gebäudebereich zuschreiben würden. Das sind ihre Antworten:

  • Richard Freimueller, Wärmepumpe Austria
    Richard Freimüller,
    Verbandspräsident Wärmepumpe Austria


    „Wir brauchen die Gebäudeautomation aufgrund der steigenden Anzahl an Endgeräten – von Wärmepumpen bis hin zu E-Autos – immer mehr. All diese Systeme sollen ja ansteuerbar sein und ohne Automation im Haus ist das nicht möglich. Ich glaube, dass die Automation ein wesentlicher Faktor für die CO2-Einsparung im Gebäudebereich ist und in Kombination mit richtig gesteuerten Wärmepumpen, die per se zwei Drittel Energie einsparen, ist das auch netzdienlich.

    Mir wäre es allerdings generell lieber, die Netze weiter auszubauen, anstatt immer netzdienlich sein zu müssen. Aber dazu dient diese Technik natürlich, ohne geht es nicht. Man kann nichts steuern, wenn die Technik dazu im Haus nicht vorhanden ist. Ansonsten müsste man zum Einsparen von CO2-Emmissionen an alle Türen zu klopfen und sagen 'bitte schaltet die Geräte ein oder aus'. Das ist natürlich unrealistisch, Gebäudeautomation ist einfach das Um und Auf."

  • Elisabeth Berger
    Elisabeth Berger, Geschäftsführerin
    Vereinigung Österreichischer Kessellieferanten (VÖK)


    „Jede intelligente Maßnahme egal ob thermisch, energetisch oder das Verhalten der Nutzer*innen trägt zur Reduktion des Energieverbrauches bei. Natürlich auch die Regelung der Heizung und die Gebäudeautomation. Basis sämtlicher energetischer Optimierungen sind aber immer ein effizienter Heizkessel oder eine effiziente Wärmepumpe. Die intelligenteste Steuerung kann das nicht kompensieren.

    Das Entscheidende ist immer noch, dass das Heizsystem zum Gebäude passt und optimal von Fachleuten dafür ausgelegt und installiert wurde. Brennwertkessel brauchen im Vergleich zu herkömmlichen bis zu 30 Prozent weniger Energie, bei Wärmepumpen macht es einen Unterschied, ob die Arbeitszahl 2 oder 5 ist. Wenn dann noch zusätzliche Optimierungen des Energieverbrauchs und des Komforts erfolgen können, dann ist das sehr begrüßenswert."

  • Roger Hackstock_Austria Solar
    Roger Hackstock,
    Geschäftsführer Austria Solar


    „Mit einer intelligenten Steuerung der Heizung lässt sich der Heizbedarf und damit der CO2-Ausstoß um mindestens 20 Prozent senken, wie Erfahrungen aus der Praxis zeigen. Auch der Ertrag von Solarwärmeanlagen kann mit laufender Sammlung und Auswertung von Daten bei Kund*innen gesteigert werden. Insgesamt helfen die Tools der Gebäudeautomation, den Ressourceneinsatz beim Heizen zu reduzieren, was die Geldbörse und das Klima schont."

Abgeleitete Handlungsempfehlungen

Die Analyse des AIT verdeutlicht, dass zusätzliche politische Maßnahmen nötig sind, um das volle energetische Einsparpotenzial im österreichischen Gebäudebestand inklusive der damit verbundenen ökologischer Einsparungspotenziale zu heben. Sind die richtigen Marktbedingungen gegeben, kann das kostenwirksame Sanierungspotenzial mehr als verdoppelt werden. Um dies zu erreichen, wurden anhand der Studie Empfehlungen erarbeitet:

  • Strategische Maßnahmen: Schaffung eines politischen Rahmens auf Basis
    internationaler Standards, Kommunikation und Sichtbarmachung des gesamtwirtschaftlichen Nutzens (Vorbildfunktion), Kommunizieren der Potenziale moderner Gebäudetechnologien, Roadmap für Gebäudesanierung, Stärkung des Vertrauens von Investor*innen durch kurz- und mittelfristige Ziele
  • Ökonomische Maßnahmen: Ausrichtung der Fördersysteme auf umfassende energetische Sanierung, Setzen wirtschaftlicher Signale und Anpassen der finanziellen Instrumente, Beseitigung indirekter Subventionen fossiler Energieträger
  • Technische Maßnahmen: Energiemonitoringsystem zum Erhalt eines optimierten Zustands, Verankerung energetischer Parameter in den OIB-Richtlinien, Überprüfungsmechanismen zur Evaluierung der Energieeffizienz, Nutzen von Lastverschiebungspotenzialen
  • Organisatorische Maßnahmen: Stakeholderdialog zur Steigerung energetischer Sanierungsquoten

Gut zu wissen: Über die Studie

Die Studie „CO2-Einsparungspotenziale im Gebäudebereich“ wurde durchgeführt vom AIT Austrian Institute of Technology, Center for Energy. In Auftrag gegeben und finanziert haben die Studie der OVE Österreichischer Verband für Elektrotechnik, der FEEI Fachverband der Elektro- und Elektronikindustrie, des Bundesgremiums des Elektro- und Einrichtungsfachhandels sowie der Bundesinnung der Elektro-, Gebäude-, Alarm- und Kommunikationstechniker.

Zur Studie: www.wko.at/branchen/handel/elektrohandel/co2-einsparungspotenziale-gebaeudebereich-lang.pdf