Verkehrssicherungspflichten auf der Baustelle : Auch den Onkel vor Unfällen schützen

Sachverhalt

Ein Bauherr (Beklagter) ließ ein Gebäude errichten. Mit der Ausführung des Baues war ein Bauunternehmen beauftragt. An den Wochenenden half dem Bauherrn dessen Verwandtschaft, unter anderem ein Onkel, immer wieder am Bau. Der Onkel verunfallte bei der freiwilligen Hilfe schwer, als er vom unvollständigen, ungesicherten Dach abstürzte. Der Arbeitgeber des Onkels erbrachte daraufhin aufgrund seiner Verletzungen Leistungen als zuständiger Krankenversicherungsträger (Kläger). Der Arbeitgeber ließ sich Ansprüche des verunfallten Onkels abtreten und klagte den Bauherrn auf Schadenersatz für die von ihm erbrachten Leistungen.

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Rechtliche Beurteilung

Der OGH hatte zu entscheiden, ob den Bauherrn eine Haftung trifft. Nach Ansicht des Bauherrn traf diesen keine Schuld an dem Unfall, weil der verunfallte Onkel erklärt hatte, er werde am Boden helfen, und ihm keine Aufgaben am Dach zugewiesen waren. Deswegen sah sich der Bauherr nicht für etwaige Verkehrssicherungspflichten am Dach verantwortlich, zumal der Verletzte am Dach nichts zu tun gehabt habe.

Laut OGH hat grundsätzlich derjenige, der eine Gefahrenquelle schafft, alle notwendigen Vorkehrungen zu treffen, um Schädigungen zu vermeiden, auch bei Orten mit beschränktem Verkehr, wie einer Baustelle. Die Verkehrssicherungspflicht entfällt nicht schon deswegen, weil jemand ohne Erlaubnis in einen fremden Gefahrenbereich eingedrungen ist. Besteht nämlich die Möglichkeit, dass Personen versehentlich in den Gefahrenbereich gelangen, so können den Bauherrn dennoch Verkehrssicherungspflichten treffen.

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So war es auch im konkreten Fall: Niemandem wurde ausdrücklich verboten, das Dach zu besteigen. Es konnte nicht davon ausgegangen werden, dass dem Verletzten, als nicht professionellen Helfer, die konkreten Gefahren von Arbeiten auf Dächern bekannt waren. Deswegen hätte der Bauherr damit rechnen müssen, dass seine Verwandten bei Hilfsarbeiten am Wochenende den Dachbereich betreten, und hätte notwendige und zumutbare Sicherungsmaßnahmen ergreifen müssen.

Den Verunfallten traf auch ein Mitverschulden. Nach ständiger Rechtssprechung liegt ein Mitverschulden dann vor, wenn erkennbaren Gefahren nicht ausgewichen wird. Der Verunfallte bestieg das ungesicherte, unvollendete Dach als Laie und ohne Schutzrüstung, womit er sich in einen sehr gefährlichen Bereich begab, dem er eigentlich hätte ausweichen sollen.

Sylvia Unger
Mag. Sylvia Unger ist Rechtsanwältin und begleitet seit über 20 Jahren Unternehmen durch die rechtlichen Herausforderungen ihres Alltags. In ihrer TGA- Kolumne erklärt sie aktuelle OGH-Urteile zum Bau-/Immobilien-/Liegenschaftsrecht. - © Unger

Fazit

Einen Bauherrn treffen Verkehrssicherungspflichten auch für unbefugte Personen auf der Baustelle, wenn die Möglichkeit besteht, dass diese versehentlich in einen Gefahrenbereich eindringen können. Er hat zumutbare Sicherungsmaßnahmen zu treffen.