Aus TGA 6: Rechtskolumne : Schadenersatz: Wann ist es an der Zeit für Sachverständige?

Schadenersatzansprüche können innerhalb von 3 Jahren ab Kenntnis von Schaden und Schädiger*in geltend gemacht werden. Kann ein Laie bestimmte Mängel nicht feststellen, muss zunächst durch ein Sachverständigengutachten Kenntnis über die Sachlage erlangt werden, damit die Frist zu laufen beginnt. Jedoch darf diese Pflicht nicht überspannt werden. Sie liegt nur bei Verdacht auf einen tatsächlichen Schadenseintritt vor.

Beginn der Verjährungsfrist bei Schadenersatz

Der Zeitpunkt der Kenntnis von Schaden und Schädiger*in bemisst sich grundsätzlich daran, wann der Klagende die notwendigen Voraussetzungen in Erfahrung bringen konnte. Vorausgesetzt wird, dass ihm die Umstände soweit bekannt sind, dass eine (vermutlich) erfolgreiche Klage eingebracht werden kann. Setzt die Kenntnis des Schadens Fachwissen voraus, beginnt die Frist erst zu laufen, wenn der Geschädigte durch einen Sachverständigen das notwendige Wissen erlangt hat. Jedoch liegt eine Pflicht zur Erkundigung durch einen Sachverständigen nur bei deutlichen Anhaltspunkten für einen Schadenseintritt vor. Diese Pflicht darf nicht zu streng gesehen werden.

Sachverhalt (OGH 20.10.2021, 5 Ob 42/21v)

Gegenstand des Verfahrens war ausschließlich die Frage der Verjährung des Schadenersatzanspruches. Die Beklagte war für die Herstellung des Wärmedämmverbundsystems zuständig und wurde für Mängel dieser Wärmedämmung in Anspruch genommen. Die Beklagte wandte ein, der Anspruch sei bereits verjährt, da der Kläger seiner Erkundigungspflicht durch einen Sachverständigen nicht nachgekommen sei.

Rechtliche Beurteilung des OGH

Die Ursache des Schadens der Wärmedämmung waren Risse im Putz, welche erst nach einer Untersuchung durch einen Sachverständigen erkennbar waren. Der Kläger selbst konnte bloß einen einzelnen Riss feststellen. Nach Ansicht des OGH stellt ein einzelner Riss keinen Anhaltspunkt dar, der auf wesentliche Mängel im Wärmedämmverbundsystem schließen lässt. Vielmehr müsste es sich um eine Mehrzahl von Rissen und Putzablösungen handeln, um ein insgesamt schadhaftes Wärmedämmverbundsystem vermuten zu müssen.

Der OGH beurteilte die Vermutung des Klägers, dass es sich bloß um einen sanierbaren Mangel hielt, als ausreichend. Demnach bestand keine Erkundigungspflicht. Der Kläger musste kein Sachverständigengutachten einholen. Demzufolge erlangte der Kläger erst zu einem späteren Zeitpunkt Kenntnis über den Mangel. Durch das Nichtverletzen einer allfälligen Erkundigungspflicht begann die Verjährungsfrist erst ab dem Zeitpunkt der tatsächlichen Kenntnis des Schadens zu laufen. Der Schadenersatzanspruch war damit noch nicht verjährt und konnte noch geltend gemacht werden.

Fazit

Die Verjährungsfrist von Schadenersatzansprüchen beginnt zu laufen, sobald Geschädigte von Schaden und Schädiger*in wissen. Ist der Mangel für einen Laien nicht erkennbar, ist ein Sachverständiger zur Begutachtung zu beauftragen; dies aber erst bei konkretem Verdacht auf einen Schaden. Ohne konkrete Anhaltspunkte für einen Schadenseintritt besteht keine Erkundigungspflicht und die Verjährungsfrist beginnt erst bei tatsächlicher Kenntnis zu laufen.

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Sylvia Unger
Mag. Sylvia Unger, Rechtsanwältin - Ferstelgasse 1/1, 1090 Wien - © Sylvia Unger