Aus TGA 12: Kolumne : Streitfrage: Schadenersatz bei Sturz von Gerüst

Prüfung von Gerüsten

Die Bestimmung des § 61 BauV normiert, dass ein eine fachkundige Person Gerüste nach ihrer Fertigstellung und vor der erstmaligen Benutzung zu prüfen hat. Zudem sind solche Kontrollen einmal pro Monat sowie nach jeder langen Arbeitsunterbrechung, nach Stürmen, starkem Regen oder ähnlichen Schlechtwetterperioden durchzuführen.

Sachverhalt (OGH 26.05.2021, 2 Ob 70/21i)

Ein Mann stürzte bei Bauarbeiten von einem Gerüst. Die letzte Kontrolle vor dem Sturz lag zwei Tage zurück. Dazwischen lag ein gesetzlicher Feiertag, daher kam es zu einer eintägigen Arbeitsunterbrechung. Der Verletzte begehrte Schadenersatz von der Gerüstaufstellerin sowie Baustellenkoordinatorin.

Rechtliche Beurteilung des OGH

Nach Beurteilung des OGH hat die Gerüstaufstellerin ihre Pflicht erfüllt, indem das Gerüst nach dessen Fertigstellung einer ordnungsgemäßen Überprüfung unterzogen wurde. Der Verletzte argumentierte, dass aufgrund des Unfalles eine weitergehende Prüfung notwendig gewesen wäre. Der OGH verneinte dies, da in dem Zeitraum zwischen dem Aufstellen des Gerüsts und dem Unfall keine besonderen Wetterlagen vorfielen. Daher war keine erneute Kontrolle der Gerüstaufstellerin notwendig. Die Haftung der Baustellenkoordinatorin wurde ebenfalls verneint. Diese führte eine Prüfung der Baustelle einmal pro Woche durch. Der OGH beurteilte dies, trotz der Arbeitsunterbrechung aufgrund des Feiertags, als ausreichend. Nach Ansicht des OGH ist ein Tag nicht als „lange Arbeitsunterbrechung“ iSd § 61 BauV zu verstehen. Demnach war die Baustellenkoordinatorin nicht verpflichtet, das Gerüst innerhalb dieser zwei Tage nochmals zu prüfen. Laut OGH wäre eine Anforderung, die Baustelle aufgrund einer solchen eintägigen Arbeitsunterbrechung nochmals zu überprüfen, eine Überspannung der Sorgfaltspflicht. Hinzu kommt, dass laut den Feststellungen die Unfallursache auf Manipulationen von Sicherungen zurückzuführen war. Diese erfolgten zu knapp vor dem Unfall, sodass sie innerhalb der ordnungsgemäßen Kontrollen nicht mehr festgestellt werden konnten.

Sylvia Unger
Mag. Sylvia Unger, Rechtsanwältin - Ferstelgasse 1/1, 1090 Wien - © Unger

Fazit

Kontrollen von Gerüsten sind gemäß § 61 BauV mindestens einmal pro Monat sowie nach Arbeitsunterbrechungen und allfälligen Schlechtwetterperioden durchzuführen. Eine eintägige Arbeitsunterbrechung – etwa durch einen Feiertag – macht keine zusätzliche Prüfung erforderlich. Diese Sorgfaltspflicht darf nicht überspannt werden. Wird das Gerüst innerhalb des gesetzlichen Rahmens ordnungsgemäß geprüft und werden dabei keine Mängel festgestellt, besteht bei einem Sturz auf einer Baustelle kein Anspruch auf Schadenersatz.

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