Sachverhalt (OLG Wien 22.02.2022, 8 Ra 1/22h)
Der Kläger war beim beklagten Unternehmen als Bauhilfsarbeiter beschäftigt. Der Sitz des Unternehmens ist ein mehrstöckiges Gebäude, wobei das Unternehmen im Erdgeschoss ansässig ist. Der Arbeiter verrichtete seine Arbeiten an einer Baustelle im 4. Stock desselben Gebäudes. Dabei war der Arbeiter täglich in einem Ausmaß von mindestens 3 Stunden tätig und verbrachte insgesamt 107 Tage an der Baustelle. Ein Taggeld wurde jedoch weder abgerechnet noch ausbezahlt.
Rechtliche Beurteilung
Gemäß §9 Punkt I Z1 und 2 des Kollektivvertrages für Arbeiter der Bauindustrie und des Baugewerbes besteht ein Anspruch auf Taggeld, wenn die Arbeit außerhalb des ständigen ortsfesten Betriebes im Umfang von mehr als 3 Stunden verrichtet wird. Die Baustelle lag im 4. Stock des Gebäudes und daher außerhalb des ständigen ortsfesten Betriebes.
Eine ausdrückliche Mindestentfernung der Baustellen vom Betriebssitz ist im Kollektivvertrag nicht festgelegt. Es kann davon ausgegangen werden, dass die Kollektivvertragsparteien wussten, dass Baustellen sich oft in unterschiedlicher Entfernung zum ständigen Betriebssitz befinden, weshalb die Annahme einer ungewollten verdeckten Lücke laut Gericht nicht gegeben ist. Da der Kollektivvertrag nur auf den Umstand der Tätigkeit an einer Baustelle abstellt, was gegeben war, bestätigte das OLG Wien die Entscheidung des Erstgerichtes und sprach dem Arbeiter das Taggeld zu.