Fachkräftemangel : Fachkräfte abwerben: Was dürfen Arbeitgeber?
Da investiert man als Arbeitgeber drei oder gar vier Jahre und viel Zeit und Geduld in die Ausbildung eines Lehrlings und kurz nach der Lehrabschlussprüfung verlässt er den Betrieb – ein Konkurrent hat ihm ein besseres Angebot gemacht. Dem Arbeitgeber kommt das teuer, laut einer Berechnung des deutschen Bundesinstituts für Berufsbildung kostet eine dreijährige Ausbildung dem Arbeitgeber rund 15.000 Euro. Auf den Ausbildungskosten bleibt er sitzen.
Was dürfen Mitbewerber?
Durch den wachsenden Fachkräftemangel und dem Auftrags-Boom nach der Corona-Krise suchen Installationsbetriebe aber händeringend nach qualifizierten Arbeitnehmern und werben diese häufig bei anderen Unternehmen ab. Aber darf man das? Unter Berücksichtigung des österreichischen Wettbewerbsrechts schon, so Rolf Gleißner, Leiter der Abteilung für Sozial- und Gesundheitspolitik in der Wirtschaftskammer Österreich: „Rechtlich relevant wird das Abwerben dann, wenn es auf eine Weise passiert, die nach dem österreichischen Wettbewerbsrecht als unlauter gilt. Wann ein Verhalten wettbewerbswidrig ist, lässt sich nicht allgemein sagen. Die Entscheidungen des OGH dazu sind alle auf den Einzelfall bezogen. Klar ist jedoch, dass ein Unternehmen keinen Anspruch darauf hat, dass ihm Mitarbeiter erhalten bleiben, das hat der OGH bereits klargestellt.“ Das Abwerben von Mitarbeitern eines Mitbewerbers ist daher für sich allein nicht wettbewerbswidrig. „Auch dann nicht, wenn es unter Verleitung zum Vertragsbruch erfolgt. Es müssen noch andere Umstände dazukommen. Etwa ein besonders aggressives geschäftliches oder ein irreführendes Verhalten“, ergänzt Gleißner. Wettbewerbsrechtlich bedenklich wäre das Abwerben, wenn der neue Arbeitgeber zum Beispiel zusagt, Kosten zu übernehmen, die durch den Vertragsbruch entstehen. Dazu zählt unter anderem die Übernahme der Konventionalstrafe, wenn ein Konkurrenzverbot besteht. Rein rechtlich spricht damit nichts gegen ein normales und nicht aggressives Abwerben.
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Was gilt für Arbeitnehmer?
Das erwähnte Konkurrenzverbot schadet dabei weniger dem Mitbewerber als dem Arbeitnehmer. Ist eine Konkurrenzklausel im Arbeitsvertrag enthalten, wird die Erwerbstätigkeit des Arbeitnehmers für die Zeit nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses eingeschränkt. Verstößt der Mitarbeiter gegen die Vereinbarung, wird ein pauschalisierter Schadenersatz, die Konventionalstrafe, fällig.
Geregelt wird die Konkurrenzklausel durch §36 des Angestelltengesetzes. Demnach ist die Vereinbarung nur wirksam, wenn „sich die Beschränkung auf die Tätigkeit des Angestellten in dem Geschäftszweig des Dienstgebers bezieht und den Zeitraum eines Jahres nicht übersteigt und die Beschränkung nicht nach Gegenstand, Zeit oder Ort und im Verhältnis zu dem geschäftlichen Interesse, das der Dienstgeber an ihrer Einhaltung hat, eine unbillige Erschwerung des Fortkommens des Angestellten enthält.“ Irene Holzbauer, Arbeitsrechtsexpertin der Arbeiterkammer, ergänzt: „Die Konkurrenzklausel gilt außerdem erst ab einem bestimmten Einkommen.“ Im Angestelltengesetz ist dies folgendermaßen geregelt: „Eine Vereinbarung nach Abs. 1 ist unwirksam, wenn sie im Rahmen eines Dienstverhältnisses getroffen wird, bei dem das für den letzten Monat des Dienstverhältnisses gebührende Entgelt das Zwanzigfache der Höchstbeitragsgrundlage nach § 45 ASVG nicht übersteigt. Allfällige Sonderzahlungen sind bei der Ermittlung des Entgelts im Sinne des ersten Satzes außer Acht zu lassen.“ Eine Konkurrenzklausel kann dem Arbeitnehmer damit nicht einfach aufgedrängt werden, sie darf nur mit Einschränkungen in den Arbeitsvertrag aufgenommen werden.
Was bringt ein Ablösesystem?
Da sich Arbeitgeber nur geringfügig vor dem Abwerben schützen können, werden die Forderungen nach einem Ablösesystem immer lauter. Bekannt ist das System aus dem Fußball: Junge Talente werden dort jahrelang von den Vereinen finanziert und trainiert. Wird der ausgebildete Spieler dann abgeworben, muss der neue Verein für die Ausbildungskosten aufkommen. Ein ähnliches System fordert der Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks, Hans Peter Wollseifer, da die Betriebe viel Geld in die Ausbildung der Lehrlinge stecken: „Die Ausbildung kostet im ersten und zweiten Jahr Geld – im ersten Jahr viel, im zweiten Jahr etwas weniger. Im dritten Lehrjahr kommt dann auch ein bisschen was rein.“
Helmut Dornmayr vom Insitut für Bildungsforschung der Wirtschaft (ibw) hält ein Ablösesystem für eine berechtigte Forderung: „Die Lehre rentiert sich für den Betrieb nur, wenn er sich die Rekrutierungskosten erspart, also der fertig ausgebildete Lehrling nicht gleich wieder weg ist“, sagt er gegenüber der Tageszeitung Kurier. Laut einer ibw-Studie sind die ersten drei Jahre nach Lehrabschluss nur noch 35 Prozent aller Auszubildenden bei ihrem Ausbildungsbetrieb tätig – zu kurz, damit sich die Lehrzeit auch für den Arbeitgeber lohnt.
Eine Entschädigung für die Ausbildung solle aber nicht von den Mitbewerbern kommen, sondern von der öffentlichen Hand übernommen werden, meint Dornmayr. Das begründet er damit, dass die Ausbildung eines Lehrlings deutlich weniger kostenintensiv ist, als die eines AHS- oder BMS-Schülers. Ähnlich sieht die Situation in Deutschland aus: „Jetzt fehlen uns im Handwerk 250 000 Fachkräfte. Wenn also unsere Betriebe die Ausbildungskosten tragen, und uns dann die anderen die Fachkräfte abwerben, dann halte ich es schon für angebracht, über Entlastungen für die ausbildenden Betriebe nachzudenken. Bei Studenten bis 25 zum Beispiel zahlt die Allgemeinheit die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung. Bei den Azubis nicht. Das ist ungerecht“, so Wollseifer.