Meinung : Schrödingers Kreditvergabe: KIM ist tot - lang lebe KIM!

TGA-Chefredakteur Klaus Paukovits
© WEKA Industrie Medien

In den letzten beiden Jahren habe ich kein einziges Gespräch in der Branche über den darniederliegenden Wohnbau geführt, in dem der Gesprächspartner nicht die KIM-Verordnung für die Wohnbauflaute verantwortlich gemacht hat. Zu Recht, natürlich: Denn die 2022 eingeführte Kreditinstitute-Immobilienfinanzierungsmaßnahmen-Verordnung hat dazu geführt, dass viel weniger Kredite für Kauf und Bau von Wohnungen und Häusern vergeben werden konnten. Gemeinsam mit der Inflation und dem europaweiten Zinsanstieg hat das den Neubau so sehr verteuert, dass die privaten Bauaktivitäten fast zum Erliegen gekommen sind. 

Die Ankündigung vom Dezember 2024, dass die KIM-Verordnung mit Juni 2025 auslaufen wird, hat zu Aufatmen geführt. Gemeinsam mit der begründeten Hoffnung auf ein Baukonjunktur-Paket der neuen Regierung begann sich am Bau und seinen Nebengewerken wieder Optimismus breitzumachen.

>>> Ende der KIM-Verordnung: Neue Chancen für Wohbau und Heizungstausch

Das Finanzmarktstabiltätsgremium hat gesprochen - sehr deutlich

Jetzt hat, mitten in die fast schon abgeschlossenen Regierungsverhandlungen hinein, das Finanzmarktstabilitätsgremium FMSG am Mittwoch, 26. Februar seine Empfehlungen für eine Neugestaltung der Immobilien-Kreditvergabe herausgegeben. Und diese Empfehlung ist nur in zwei kleinen Punkten nicht ident mit der KIM-Verordnung: 

  • Die Eigenkapitalquote bei der Kreditvergabe darf in Zukunft auch nur 10 Prozent betragen, während es bei KIM 20 Prozent waren.
  • Dafür müssen die Banken jetzt vierteljährlich statt wie bisher halbjährlich an die Finanzmarktaufsicht melden, wie das entsprechende Geschäft so läuft (ein Detail, dass der Bauwirtschaft und den Häuslbauern getrost egal sein kann).

Alles andere bleibt gleich: Die Kreditrate darf 40 Prozent des Haushaltseinkommens nicht übersteigen, die Laufzeit von Immobilienkrediten bleibt mit 35 Jahren beschränkt, und das Ausnahmekontingent der Banken bleibt ebenfalls bei 20 Prozent. Das heißt, auch in Zukunft darf nur ein Fünftel der vergebenen Kredite an Kreditnehmer*innen erfolgen, die die anderen Kriterien nicht erfüllen (das ist ein ganz schön großes Ausnahmekontingent, übrigens - aber das steht auf einem anderen Blatt).

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Die Regierung hat gesprochen - sehr leise

Und wo bleibt die Konjunkturankurbelung? Das am Donnerstag, 27. Februar vorgestellte Regierungsprogramm sagt dazu lediglich folgendes - und bitte das ist der exakte Wortlaut aus dem Regierungsprogramm:

  • Um die schwächelnde (Bau-)Konjunktur zu stützen, werden halböffentliche und öffentliche Investitionen nach Möglichkeit in der bestehenden Budgetrahmenplanung (nicht strukturell budgetrelevant) vorgezogen bzw. beschleunigt – mit einem besonderen Fokus auf den Hochbau. 

Dazu kommt noch ein halbherziges Bekenntnis zum Handwerkerbonus für 2025 samt der Einschränkung, dieser werde dann evaluiert, insbesondere um "Mitnahmeeffekte" zu vermeiden. 

Wer die zuständigen Minister*innen für Wirtschaft oder Bau oder Infrastruktur oder Wohnen (der Themenbereich ist auf mindestens drei Ministerien aufgeteilt), da dreht sich die Gerüchteküche noch.

Das war's auch schon wieder zum Bau im engeren Sinne. Eine ausführliche Zusammenfassung inklusive EPBD, Heizungstausch und Sanierungsförderung von Lena Wechselberger finden Sie hier: 

>>> Regierungsprogramm: Schwarz-Rot-Pink bekennt sich zu Heizungstausch und thermischer Sanierung

Was es an strukturell für die Baubranche interessanten Plänen im Regierungsprogramm gibt, insbesondere die Wiedereinführung der Zweckbindung der Wohnbauförderung, hat Kollege Thomas Pöll für unser Schwestermagazin Solid hier zusammengefasst.

Was sagt uns das? Vier Gedanken

  1. Ich fand die KIM-Verordnung sehr nachvollziehbar: Sie sollte eine Wohnbaublase verhindern, die sich aufzubauen drohte. Welch fatale Folgen so eine Blase haben kann, haben wir 2008/2009 erlebt. Nur hat sie mit der potenziellen Blase gleich auch dem ganzen Blasebalg die Luft genommen.
  2. Wenn die KIM-Verordnung ausläuft, die Empfehlung der entsprechenden Gremien an die Banken aber lautet "handhabt es bitte weiter so, es liegt jetzt in Eurem eigenen Ermessen" - dann verschiebt sich die Verantwortung schlicht auf die Entscheidungsträger*innen in den Banken. In deren Haut möchte ich da nicht stecken, ganz ehrlich.
  3. Wenn Politik, Bauwirtschaft und Häuslbauer*innen jetzt auf die Banken Druck machen, wieder mehr Kredite zu vergeben und das Risiko auf sich zu nehmen - siehe oben: In deren Haut möchte ich nicht stecken.
  4. Die Hoffnung, dass die zukünftige Regierung und der zuständige Minister (ich bleib' mal bei der männlichen Form, weil die Gerüchte derzeit auf einen Mann hindeuten) dem Thema Bauwirtschaft und der gesamtkonjunkturellen Wirkung dieser Branche mehr Aufmerksamkeit schenken, die ist intakt - aus dem dürren oben zitierten Absatz im 211-seitigen Regierungsprogramm lässt sich das nicht unbedingt schließen.

Kottan & Schrödinger: Die österreichische Lösung

Es wird wohl auf eine österreichische Lösung hinauslaufen: Die KIM-Verordnung war zu streng, aber nötig - also empfehlen wir, in Zukunft in der Praxis nicht so streng zu sein, aber in der Theorie streng zu bleiben. Oder, mit anderen Worten: "Tuts bitte nicht so heiß essen wie gekocht werden muss".

Ältere unter uns werden sich an den legendären Polizeipräsidenten Pilch aus der Serie Kottan erinnern, der sich - ein running gag, auf den ich als Kind immer mit großer Vorfreude gewartet habe - in jeder Folge die Lippen an einer Tasse zu heißen Kaffees verbrannte. Und die Sekretärin, die ihm den Kaffee gebracht und aufs Verbrennen gewartet hatte, sagte in feinstem Wienerisch und zum Gaudium der anwesenden Kollegen jedesmal "koid kochn kaun i ned", was auch für Nicht-Wiener*innen recht leicht als Hinweis darauf zu dechiffrieren war, dass die Zubereitung von Kaffee nun mal Hitze benötigt und er sich nicht so anstellen solle.

Es passiert beides gleichzeitg: KIM ist tot - lang lebe KIM! Schrödingers Kreditvergabe ist unter uns. Vielleicht kühlt sie ja ab, bis wir am Immobilienkredit nippen wollen.