Verbände : 10-Punkte-Programm für Ausstieg aus Erdgasimporten

Der Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine führt in Verbindung mit der Abhängigkeit Österreichs von Erdgas- und Erdöllieferungen aus Russland zu einer verstärkten Diskussion über die österreichische Energieversorgung. Der Österreichische Biomasse-Verband, der Waldverband Österreich und proPellets Austria legen jetzt ein 10-Punkte-Programm zum raschen Ersatz fossiler Erdgasimporte durch Holzenergie vor.

Fossiles Erdgas ist keine Brückentechnologie

„Fossiles Erdgas wurde immer wieder als Brückentechnologie positioniert, mittlerweile ist allen klar, dass diese Brücke von Putin gesprengt wurde. Mit der Holzenergie haben wir die Möglichkeit, in allen Bereichen der Energienutzung noch einige ‚Scheite‘ nachzulegen. Das 10-Punkte-Programm verfolgt einen umfassenden Ansatz von Rohstoffaktivierung bis hin zum klimaeffizienten Rohstoffeinsatz, vom Wald bis zur Baustelle“, erklärt Franz Titschenbacher, Präsident des Österreichischen Biomasse-Verbandes, anlässlich einer Pressekonferenz. Mit Hilfe der Holzenergie könnten innerhalb weniger Monate die entstandenen Erdgas-Lücken in wichtigen Teilbereichen gefüllt werden. Insgesamt sehen man ein nachhaltig verfügbares Potenzial von 450 PJ Bioenergie pro Jahr vor, dies entspricht 12,5 Mrd. m³ Erdgas-Äquivalent pro Jahr, so Titschenbacher. Die in den vergangenen Jahrzehnten aufgebauten Nutzungsrückstände im Wald würden darüber hinaus noch zusätzlich eingesetzt werden, um die Verbrauchsspitzen der nächsten Jahre bei Problemen mit russischen Erdgaslieferungen abzudecken.

Franz Titschenbacher
Franz Titschenbacher, Präsident des Österreichischen Biomasse-Verbandes - © Österreichischer Biomasse Verband

Aktivierung von Nutzungsrückständen

„Unsere Nutzungsrückstände für verstärkte Waldpflegemaßnahmen liegen aktuell bei über 250 Mio. Festmetern Holz", weiß Rudolf Rosenstatter, Obmann des Waldverbandes Österreich. Er möchte diese Potenziale zügig mobilisieren, denn es sei genug Holz für ein massives Holzbauprogramm inklusive ausreichend Energie, um den Gasbedarf für Raumwärme, Fernwärme und Stromerzeugung die kommenden Jahre zu decken. „Wird der 10-Punkte-Plan umgesetzt, sinkt unsere Import-Abhängigkeit, steigt unsere Versorgungssicherheit, der Wald wird letztendlich gesünder und vitaler. Dadurch kann er in Zukunft mehr nachwachsende Rohstoffe produzieren und ist auch besser gegen den Klimawandel geschützt. Mit Holz können wir Brücken bauen, bei denen als Nebenprodukt große Mengen Energieholz anfallen“, führt Rosenstatter weiter aus.

Umrüstung der Wärmeversorgung

„Oft wird übersehen, dass 50 Prozent unseres Endenergiebedarfs in Form von Wärme benötigt wird – für industrielle Prozesse und für die Beheizung unserer Gebäude. Gerade hier wird das meiste Erdgas benötigt“, erklärt Christian Rakos, Geschäftsführer proPellets Austria. Er spricht zudem von einer aktuellen Investitionswelle in neue Pelletsproduktionen, die zu einer substanziellen Produktionssteigerung führen werde. „Dabei sind wir schon heute Nettoexporteur bei Pellets. Wir stehen bereit für einen beschleunigten Umbau der Wärmeversorgung", betont Rakos.

Christian Rakos
Christian Rakos, Geschäftsführer proPellets Austria - © proPellets Austria/ Wilke

Waldbewirtschaftung und Biodiversität schließen einander nicht aus

„Um unsere Abhängigkeit von fossilen Energieträgern zu beenden, ist ein umfassender Maßnahmen-Mix notwendig: Ein ambitioniertes Energiesparprogramm und der naturverträgliche Ausbau der Erneuerbaren – allen voran Photovoltaik – sind Voraussetzung. Zudem muss die Nutzung von Erdwärme für Wärmepumpen-Heizungen breitenwirksam verfügbar gemacht werden", führt Gerald Pfiffinger, Geschäftsführer des Umweltdachverbandes, aus Um die Energiewende zu schaffen, müssen man auch die Wälder nutzen – doch nur in einer Weise, die den Biodiversitätsschutz mitdenkt. „Fakt ist, dass Bewirtschaftung und Biodiversitätsschutz einander nicht ausschließen, wenn sie von Anfang an gemeinsam umgesetzt werden“, so Pfiffinger weiter

10-Punkte-Programm zum Ausstieg aus russischer Energieabhängigkeit

  1. Sofortiger Stopp der Subventionierung fossiler Rohstoffe. Einführung eines Waldpflegebonus für in Verkehr gebrachtes Energieholz in der Höhe von 30 Euro pro Tonne CO2-Ersatz-Äquivalent. Klarer und vorgezogener Ausstiegspfad für Erdgas im Erneuerbaren-Wärme-Gesetz. Umrüstung der bestehenden Gasinfrastruktur für erneuerbare Gase sowie Ausbaustopp von neuen Gasleitungen für fossiles Methan.

  2. Verabschiedung des Erneuerbaren Gas-Gesetzes. Verdoppelung des Mindest-Zieles für den Ausbau erneuerbarer Gase auf 10 TWh pro Jahr. Keine Rohstoffrestriktionen und Etablierung eines praxistauglichen Fördersystems zur Gaseinspeisung.

  3. Verdoppelung der Ziele zum Ausbau der kombinierten Strom- und Wärmeerzeugung sowohl aus Holzkraftwerken als auch Biogasanlagen im Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (EAG) auf zumindest 2 TWh pro Jahr.

  4. Umstellung der städtischen Fernwärmeerzeugung auf Abwärme und erneuerbare Energieträger mit optimaler Kombination aller verfügbaren Technologien (Biomasse, Solarthermie, Wärmepumpe, Bauteilaktivierung, Effizienzsteigerung, KWK, etc.)

  5. Effizienzprogramm zur Aktivierung zusätzlicher Energieholzpotenziale durch Wärmerückgewinnung bei der Holztrocknung in der Holzindustrie, durch die Modernisierung von Biomasse-Heizwerken sowie durch den Austausch alter Allesbrenner durch moderne Holzheizungen.

  6. Rasche Implementierung neuer Technologien durch stufenweise Ausschreibung von sechs Reallaboren in den Größenordnungen 15, 50 und 100 MW Brennstoffwärmeleistung zur Produktion von Holzgas und Holzdiesel.

  7. Aufstockung der Energieholzlager und Verstärkung der Energieholzlogistik in allen Anwendungsbereichen. Verabschiedung einer gesetzlich verankerten Pelletsbevorratung zum Aufbau strategischer Pelletslager, um die volle Versorgungssicherheit auch in Krisensituationen zu gewährleisten.

  8. Verlängerung der Maßnahmen – insbesondere M2* – im Waldfonds-Programm um mindestens fünf Jahre und Aufstockung der Dotierung, um kurzfristig zusätzliche Holzmengen zu mobilisieren. Abnahme der anfallenden Holzsortimente zu kalkulierbaren Preisen (Langfristverträge) zur Zwischenlagerung in Großlagern zur Versorgung der neuen Kapazitäten.

  9. Umfangreiches Holzbauprogramm und klimaeffiziente Nutzung der anfallenden Koppel- und Nebenprodukte. Verstärkte Nutzung landwirtschaftlicher und kommunaler Roh- und Reststoffe für die Energieversorgung.

  10. Keine neuen Beschränkungen zur Nutzung nachwachsender Rohstoffe im European Green Deal. Klare Positionierung der Bundesregierung und aller Ministerien zur Beibehaltung der aktiven nachhaltigen Waldbewirtschaftung.

    *Maßnahmen zur Regulierung der Baumartenzusammensetzung zur Entwicklung klimafitter Wälder