Projekt : BOKU Wasserbaulabor: Ein
Forschungsgebäude der
Extraklasse

Auf Straßenniveau sind bereits die Untergeschosse des Verwaltungstraktes zu sehen.

- © ATP/Kuball

Am Brigittenauer Sporn, zwischen Donau und Donaukanal, entsteht bis Jahresende 2022 ein hochmodernes Wasserbaulabor der Wiener Universität für Bodenkultur (BOKU), welches praxisorientierte Modellversuche im Originalmaßstab ermöglicht. ATP architekten ingenieure Wien, wurde nach dem im Jahr 2016 gewonnenen geladenen Wettbewerb in Arbeitsgemeinschaft mit iC Consulenten mit der Integralen Planung - Architektur und Tragwerksplanung - für das Vorhaben beauftragt.

Unterirdisches Wasserlabor

Das neue Wasserbaulabor weist dabei weltweit einzigartige Maßstäbe auf: Rund 10.000 Liter Donauwasser werden pro Sekunde – ohne zu pumpen – abgezweigt, um ein unterirdisches Labor zu durchfluten. Herzstück der Forschungstätigkeiten bildet der „Main Channel“ im Untergeschoss, wo künftig umfassende Forschungsarbeit zu den Themen Hochwasserschutz, Gewässermorphologie, Sedimenttransport, Wasserkraft und -straßen betrieben werden können. Für den Mitte 2021 fertiggestellten ersten Bauabschnitt, der bis zu 7,41 m unter dem 100-jährigem Hochwasserspiegel liegt, kamen verschiedene Spezialtiefbau-Techniken parallel zum Einsatz.

Zulauföffnungen in den „Main Channel".

- © ATP/Kuball

Das Wasserbaulabor der BOKU soll langfristig zur Erforschung der Lebensgrundlage Wasser für zukünftige Generationen beitragen. Versuchsaufbauten im großen Maßstab tragen dazu bei, ablaufende Prozesse in Flüssen besser zu verstehen, mathematische Modelle zur Prozessbeschreibung zu entwickeln, die Auswirkungen von flussbaulichen Maßnahmen zu prognostizieren sowie innovative wasserbauliche Methoden zur Verbesserung von Schifffahrt, Energiewirtschaft, Hochwasserschutz und Ökologie zu entwickeln. Außerdem sollen im neuen Labor Maßnahmen zur Problemlösung in verschiedenen wasserbaulichen Themenbereichen wie Stauraumverladung, Fahrwassertiefe, Uferrückbau, Sohlstablisierung und Gewässervernetzung entwickelt werden.

Auslaufbauwerk Donaukanal.

- © ATP/Kuball

Die besondere Lage des Wasserbaulabors zwischen dem Stauraum Freudenau an der Donau und dem Donaukanal bietet beste Voraussetzungen für die Forschungstätigkeiten: Denn die hier herrschende Wasserspiegeldifferenz von etwa 3 Metern ermöglicht es, Wasser aus der Donau zu entnehmen und es mit einem Durchfluss von 10.000 Litern pro Sekunde dem Donaukanal wieder zuzuführen – und das vollkommen ohne zu pumpen. Im rund 92 Meter langen, 25 Meter breiten und 11 Meter hohen „Main Channel" können so Versuchsaufbauten im großen Maßstab gemacht werden. Der Zufluss in den „Main Channel” kann über verschieden groß dimensionierte und verschließbare Zulauföffnungen gesteuert werden. Die Hauptöffnung ist 5 Meter breit und kann durch ein Stahlschütz verschlossen werden. Daneben befinden sich zwei weitere Öffnungen für den Wasserkraftversuchsstand. Es besteht auch die Möglichkeit, Turbinen einzubauen und deren Integration im Gesamtsystem zu untersuchen. Ergänzend zur Hauptöffnung kann Wasser auch über drei Rohre mit Schiebern in kleineren Mengen und damit mit hoher Genauigkeit zugeführt werden. Am Ende des Main Channels fließt das Donauwasser über ein Auslaufbauwerk wieder zurück in den Donaukanal.

„Main Channel" und Hauptzulauföffnung für das 5 Meter breite Schütz.

- © ATP/Kuball

Eco-River Lab & Co.

Im 2. Obergeschoss, direkt über dem „Main Channel“, liegt das Eco-River Lab, ein zweites Versuchslabor, in dem unter anderem flussmorphologische Untersuchungen im kleineren Maßstab in Schnittmodellen durchgeführt werden. Hier wird großteils Klarwasser verwendet, gespeichert wird das Wasser für die Versuche in einem Tiefbehälter mit einem Fassungsvermögen von 2,2 Mio. Litern direkt unter dem „Main Channel”. Die Werkstatt im 2. Obergeschoss bedient beide Forschungsebenen über Hallenkräne. Durch ein angeschlossenes Public Lab wird Besuchern der Wissenschaftsbetrieb nähergebracht. Büros, Verwaltung und Sonderlabors sind im integrierten Bürotrakt untergebracht. Für den mittelfristigen Ausbau ist im Außenbereich ein Stream Lab angedacht.

Zwei Wasserkreisläufe

Zur Beforschung stehen im Labor zwei verschiedene Wasserkreisläufe zur Verfügung: Zum einen fließt das Wasser über einen Hochbehälter mit einem Fassungsvermögen von bis zu 70 m³ in das Labor. Für diese Variante galt es in der Planung, die Dimension der Zuleitungsrohre mit einem Durchmesser von bis zu 120 Zentimetern zu berücksichtigen. Zum anderen gibt es auch die Möglichkeit eines Donauwasserkreislaufs, welcher direkt an das bestehende Forschungsinnere angeschlossen ist. Über ein Verteilerbecken mit ca. 230 m³ wird Donauwasser in das Gebäude geleitet.

Herausforderungen bei Tragwerksplanung und Spezialtiefbau


1. Hauptgebäude

Das Gewicht des Wassers, die Masse an Sedimenten und der lockere Untergrund machten die Tragwerksplanung des Wasserbaulabors zu keinem gewöhnlichen Ingenieursprojekt. Ein komplexes System aus Stahlbeton sowie konstruktivem Stahl- und Holzbau trägt nun das Gebäude. Eine doppelt gekreuzte Struktur aus gebogenen Holzleimbindern überspannt die 25 Meter breite Halle im 2. Obergeschoss, während beeindruckende 3-Gurtträger die Decke über der darunterliegenden Halle tragen, bei Nutzlasten von 20 bis 40 kN/m².

Blick durch die 7 x 7 Meter große Öffnung in den tiefsten Bereich
des Gebäudes, den Niederdruckkraftwerksversuchstand für Turbinen.

- © ATP/Kuball

Vor allem aber der Spezialtiefbau forderte das ATP-Planungsteam zu höchster Ingenieurs-Kunst: Eine erste Herausforderung bildete der Untergrund, bei dem es sich auch um angeschwemmtes Material handelt. Fehlender Feinsand und das daraus resultierende „lockere Gefüge“ mit einer offenen Porenstruktur machten Niederdruckinjektionen notwendig, umden Boden zu stabilisieren. So konnte bei den nachfolgenden Schlitzwandarbeiten verhindert werden, dass die Stützflüssigkeit im Boden verloren geht. Die Baugrubensicherung erfolgte durch eine 60 Zentimeter dicke Schlitzwand mit zwei verschiedenen Höhenniveaus (3 Meter Unterschied); die Tiefe variiert je nach Belastung zwischen 15 und 22 Metern. Da die Schlitzwand als Stütze ohne zusätzliche Aussteifung nicht ausgereicht hätte, war es notwendig, in drei Reihen Abstützungen (Anker und Stahlaussteifungen) zu setzen. Im Endausbau übernehmen die 1 Meter dicke Bodenplatte, die als weiße Wanne ausgeführt ist, und die Decken die Halterung der Schlitzwand. Über 270 Laufmeter und 6.000 m² ist die Baugrube nun mit der Schlitzwand dicht umschlossen.

Rechts im Bild: Die Schlitzwände der Untergeschosse des Verwaltungstraktes.

- © ATP/Kuball

Parallel zum Abschluss der Schlitzwandarbeiten begannen die tatsächlichen Aushubmaßnahmen und die Ankerungsarbeiten: Der schrittweise Erdaushub erfolgte jeweils bis 50 Zentimeter unterhalb des Ankerhorizonts, danach wurden die Anker hergestellt und gespannt. Der Ankerhorizont konnte erst entspannt und herausgezogen werden, sobald die Schlitzwand durch die schon fertige Konstruktion des Hauses ausreichend gestützt wurde. Eine Ausnahme bildete der Bereich der Achsen 1 bis 5: Hier kam eine Schrägaussteifung als Zwischenhalterung zum Einsatz, bevor die Decke die Halterung übernahm. Das Aushubmaterial wurde in großen Becken zwischengelagert, damit es für den Abtransport trocknen konnte.


2. Ein- und Auslaufbauwerk



Die Baugrubensicherung des Einlaufbauwerks erfolgte durch zwei Maßnahmen: Im Bereich des bestehenden Fischaufstiegs, errichtete man eine aufgelöste Bohrpfahlwand. Diese ist aufgrund der Grundwassersituation mit DSV-Zwickel abgedichtet. Die insgesamt 60 Bohrpfähle haben dabei einen Durchmesser von 60 Zentimeter, sind in einem Abstand von 1,50 Metern gesetzt und reichen ca. 15 Meter tief ins Erdreich. Sie sind zur Absicherung gegen die Auftriebskräfte aus dem Grundwasser für Druck und Zug ausgelegt. Im Endzustand wird die Bohrpfahlwand durch die Bodenplatte des Einlaufbauwerks ausgesteift. Im restlichen Teil des Ein- und Auslaufbauwerks erfolgte die Sicherung der Baugrube mittels Spundwand, wobei im Bereich des Auslaufbauwerks zusätzlich vorab eine Arbeitsplatte geschüttet werden musste. Gehalten wird diese mit einer Stahlaussteifung. Der Übergang zwischen Spundwand und den anderen Baugrubensicherungssystemen ist mit DSV-Säulen abgedichtet.

© ATP/Kuball

Wasserhaltungsmaßnahmen

Da der Grundwasserspiegel deutlich über der Baugrubensohle liegt, waren Wasserhaltungsmaßnahmen notwendig: Im Hauptgebäude erfolgte die Grundwasserabsenkung innerhalb der Kiese mit ca. 10 Bohrbrunnen, die man in die Schluffe, also fein verwittertes Gestein des Miozäns, führte. Zusätzlich wurden im Bereich der tieferliegenden Baugrubensohle die Grundwässer in den miozänen Sanden entspannt. Hierzu dienten vier Vakuumbrunnen. Mit dem Beginn der Wasserhaltung wurden die Vakuumbrunnen mit Unterdruck beaufschlagt. Im tieferliegenden Bereich wurden Entspannungsbrunnen mit einem Raster von 8 x 8 Metern gebaut. Zu deren Überwachung gibt es sechs Kontrollpegel. Auch das Auslaufbauwerk erhielt acht Entspannungsbohrungen für Brunnen zur Grundwasserabsenkung, zwei mit einem Kontrollpegel. Im Bereich des Bypasses führte man zwischen der Schlitzwand des Hauptgebäudes und der äußeren Baugrubenumschließung zwei Bohrungen für die Grundwasserabsenkung durch.

Die bestehende Fischaufstiegshilfe.

- © ATP/Kuball

Betonkernaktivierung und Geothermie

Die 60 Bohrpfähle, die Schlitzwand, die Bohrpfahlwand und auch Wände sowie Bodenplatte des Bypasses haben nicht nur einen statischen Nutzen, sondern dienen darüber hinaus auch der Nachhaltigkeit: Über die energieaktivierten Bohrpfähle und über die Betonkernaktivierung in den Schlitzwänden wird Erdwärme für Heizung und Kühlung genutzt. Hierfür installierte man in jedes Gründungselement, jeden einzelnen Schlitzwandkorb und jeden Bohrpfahlkorb eine Geothermie-Leitung. Damit konnte man die erforderliche Nennleistung von 280 kW gewährleisten. In der Gebäudestruktur über dem „Main Channel” ist eine Haustechnikebene vorgesehen, in der ein Kalt- und ein Warmwassertank als Wärmetauscher dienen. Dieses System versorgt nachhaltig und umweltfreundlich die Heizung bzw. Kühlung des Gebäudes.

Projektdaten:

  • Auftraggeber: Universität für Bodenkultur Wien (BOKU)
  • Ort: Wien, AT
  • Baubeginn: 2019
  • Fertigstellung: 2022
  • Bruttogeschossfläche: 14.500 m²
  • Bruttorauminhalt: 110.000 m³
  • Integrale Planung (Architektur und Tragwerksplanung): ATP architekten ingenieure, Wien