Objektbericht : Innovatives Energiekonzept für Ringana Campus
Das neue Headquarter des Life-Science-Unternehmens Ringana am Ortsrand der steirischen Gemeinde St. Johann bei Hartberg ist nicht zu übersehen. Mit einer hellen, dynamischen Fassade präsentiert der neue „Ringana Campus” straßenseitig den Frischegedanken des österreichischen Frischekosmetik- und Nahrungsergänzungsmittel-Herstellers.
ATP architekten ingenieure Wien plante das neue HQ integral mit BIM. Dadurch wurden maximale Energieeffizienz erreicht sowie mögliche Einsparungspotenziale über den gesamten Lebenszyklus rechtzeitig erkannt.
Der Gebäudekomplex bietet für ca. 500 Mitarbeiter*innen Arbeitsplätze in Verwaltung, Produktion und Logistik. Großzügige Außenanlagen mit Streuobstwiese und Schwimmteich sollen die Aufenthaltsqualität am Campus erhöhen. Rund 9.500 m2 Grünfläche auf den Dächern sorgen für ein natürliches Raumklima im Gebäude und sollen zusätzlich den Verlust an begrüntem Lebensraum durch die Baumaßnahme ausgleichen. Herzstück des Campus bildet die hochtechnisierte Frischeproduktion mit einer möglichen Tageskapazität von bis zu 30.000 Kilogramm Kosmetika.
Das neue HQ des Life-Science-Unternehmens befindet sich auf einem 12 Hektar großen Grundstück mit Anbindung an die Südautobahn. Die aus drei zusammenhängenden Bauteilen bestehende Zentrale führt alle bisherigen Standorte zusammen: Neben der Produktionsstätte mit Forschung und Entwicklung sind der Verwaltungstrakt und die Logistikhalle auf unterschiedlichen Geländehöhen angeordnet und miteinander verbunden. Die Hanglage des Grundstückes bestimmte dabei wesentlich die Form der Baukörper und deren Anordnung auf unterschiedlichen Niveaus.
Innovatives Energiekonzept
Ringana legt auch auf nachhaltige Technologie im Betrieb und bei der Produktion Acht. ATP plante daher ein alternatives Energiesystem als integralen Bestandteil des Objektes, dessen Wirtschaftlichkeit bereits im Vorfeld über den gesamten Lebenszyklus des Gebäudes berechnet wurde. Mittels detaillierter Leistungsaufstellung und den dazugehörigen Lastprofilen errechnete ATP in Zusammenarbeit mit ATP sustain, der eigenen Forschungs- und Sonderplanungsgesellschaft für nachhaltiges Planen und Bauen, für den Betrieb einen Heizbedarf von 5.830 MWh/a und einen Jahreskühlbedarf von 5.710 MWh/a. Die meiste Energie benötigen dabei in der Produktion eingesetzte Behälter, die die Emulsionen in gewissen Zeitintervallen auf bis zu 80 °C aufheizen und anschließend wieder auf ca. 20 °C abkühlen.
Geothermie über Tiefenbohrungen
Die Energieversorgung des Gebäudes erfolgt über Tiefenbohrungen mit Erdwärmenutzung. Die Energiebilanz des Sondenfeldes wird mittels Rückkühler ausgeglichen: So kann überschüssige Wärme abgeführt bzw. das Sondenfeld zu Spitzenlastzeiten regeneriert und während der Übergangszeit als zusätzliche, kostengünstige Energiequelle genutzt werden. Das Sondenfeld besteht aus 161 Bohrungen mit einer Tiefe von 120 Metern. Dabei setzt sich eine Sonde aus zwei U-förmigen Rohrschlaufen (Duplex DA 32 x 3 mm, PN16) zusammen. Die Sonden führen über Verteilerschächte und anschließend über eine Sammelleitung ins Gebäude. Das Sondenfeld wurde mittels ETR-Test (Enhanced Thermal Response Test) energieoptimiert konfiguriert, eine Sondenfeldsimulation und eine Grundwassermodellierung ermittelten bereits im Vorfeld den maximalen Energieertrag.
Wärmepumpen & Kältemaschinen
Die Herstellung der Kosmetikprodukte benötigt sowohl Heiz- als auch Kühlleistung. Dabei fungieren Wärmepumpen als Wärmerückgewinnung, da beim Wärmepumpenprozess gleichzeitig Kälte- und Wärmeenergie erzeugt wird. So schafft das Energiekonzept von ATP über die Wärmepumpen eine effiziente und kostengünstige Energieverschiebung im Gebäude selbst, ohne übermäßige Fremdenergie zuzuführen. Überschüssige Energie wird über das Sondenfeld abgeführt. Die entzogene Wärmeleistung im Winter wird über Niedertemperaturwärmepumpen auf ein höheres Temperaturniveau gehoben und wiederum in die haustechnischen Anlagen eingespeist. Die nachgeschalteten Hochtemperaturwärmepumpen versorgen den Produktionsprozess mit Heißwasser. Für die Kälteversorgung im
Sommer werden ebenfalls diese Wärmepumpen verwendet. Die dadurch entstehende Abwärme wird über das Sondenfeld bzw. die Rückkühler abgeführt. Als natürliches Kältemittel kommt ausschließlich Ammoniak zum Einsatz. Dank besserem Wärmeübertrag bewirkt Ammoniak einen höheren Wirkungsgrad der Wärmepumpen. Zudem werden geringere Füllmengen benötigt.
Sonnenenergie
Eine Photovoltaikanlage mit einer Leistung von 850.000 kWh/a auf den Dachflächen minimiert den Stromverbrauch zusätzlich.
E-Ladestationen
Da Ringana den eigenen Fuhrpark auf Elektro-Autos umstellt, wurden am Campus 20 E-Ladestationen errichtet, samt einer Schnell-Charger-Station mit 150 kW Ladeleistung.
Integrale Planung mit BIM
Im interdisziplinären Planungsprozess gelang es ATP, ein ökologisch und ökonomisch nachhaltiges Gebäude mit einem klimafreundlichen Energiekonzept zu entwerfen. Die Integrale Planung mit Building Information Modeling (BIM) ermöglichte neben einem schlanken Planungsprozess ein optimiertes Gebäudekonzept, das alle Anforderungen an eine anspruchsvolle Produktion erfüllt. BIM lieferte im zentralen Datenmodell tragfähige Entscheidungsgrundlagen für den Auftraggeber zu einem sehr frühen Zeitpunkt und unterstützte das Planungsteam dabei, Ressourcen zu schonen, Verschwendung im Errichtungsprozess zu vermeiden und Einsparungspotenziale über den gesamten Lebenszyklus darzustellen.
Lichtplanung
Bei der Auswahl der Innenbeleuchtung stand nicht nur die optische Wirkung des Lichtes im Fokus: Während in den Büro- und Produktionsstätten aktivierendes Licht vorherrscht, sorgt in den Aufenthalts- und Gemeinschaftsräumen ein warmer Farbton für eine entspannende Atmosphäre. Bei der Außenbeleuchtung wählte das Planungsteam ausschließlich direkt strahlende Lichtsysteme ohne Himmelsaufhellung zur Minimierung der Lichtverschmutzung. Eine Warmton-Lichtfarbe soll außerdem störende Auswirkungen auf Insekten und Vögel verhindern.
Tragwerksplanung
Das Bürogebäude ist ein Skelettbau in Stahlbetonbauweise. Das fünfgeschossige Tragwerk (UG 2 bis OG 3) besteht aus STB-Stützen und drei Stahlbetonkernen, welche die Stahlbeton-Flachdecken tragen. Die Parapete wirken als zwischen den Stützen gespannte Randträger und damit als Deckenauflager. Sämtliche vertikalen Einwirkungen werden primär über die Flachdecken und die Stahlbetonstützen abgeleitet. Ein Teil des Gebäudes ist unterkellert und auf einer Bodenplatte fundiert. Die restlichen Stützen sind auf Einzel- und Streifenfundamenten gegründet. Die horizontale Gebäudeaussteifung gegen Wind, Schiefstellung und Erdbeben erfolgt über die Stahlbetonkerne und Pendelstützen. Das Bürohaus wurde flexibel für mögliche Änderungen und Anpassungen in der Zukunft konzipiert.
Die Produktionshalle mit einer Außenabmessung von rund 120 x 48 Metern und einer Höhe von 10 Metern ist zur Hälfte unterkellert. Die vertikalen Elemente werden überwiegend von Stahlbetonstützen (60 x 60 Zentimeter) im Raster 12 x 24 Meter gebildet, welche in Köchereinzelfundamente bzw. in die Kellerkonstruktion im unterkellerten Bereich
eingespannt sind. Die Unterkellerung ist mittels Bodenplatte fundiert. Die horizontale Aussteifung gegen Wind, Schiefstellung und Erdbeben erfolgt über die eingespannten Stützen. Die Decken über UG und EG sind als Flachdecken, die auf Stützen und Wänden gelagert sind, ausgebildet. Der Hallenboden im nicht unterkellerten Bereich ist eine schwimmende monolithische Bodenplatte mit minimierter Fugenteilung.
Dachtragwerk
Das Dachtragwerk bilden Stahlbaufachwerke mit Spannweiten von 12 Metern als Hauptträger bzw. 24 Metern als Nebenträger mit einem Raster von je 6 Metern. Die Dachdeckung ist eine Trapezblech- Dachkonstruktion. Die Aussichtsplattform wurde in Stahlbauweise errichtet und in die Fachwerke aufgehängt. Das statische System bietet ausreichende Stützenfreiheit in der Produktionsebene (EG, 12 x 24 Meter) und zugleich die erforderliche Tragfähigkeit in der Dachebene für die geplante HKLS und Elektroausrüstung. Durch die Fachwerkkonstruktion ist auch die Flexibilität für künftige Änderungen, Anpassungen oder Nachrüstungen, unter Einhaltung der wirtschaftlichen Aspekte, mitberücksichtigt. Die ca. 15 Meter hohe Logistikhalle hat Außenabmessungen von ca. 84 x 60 Metern. Die vertikalen Elemente bilden überwiegend Stahlbetonstützen (60 x 60 Zentimeter) in einem Raster von 12 x 12 Metern, welche in Köchereinzelfundamenten eingespannt sind. Der gewählte Raster bietet einerseits ausreichend Platz für die Regale, andererseits ermöglicht er die schlanke und wirtschaftliche Konstruktion der STB-Stützen als auch der Stahldackonstruktion.
Die horizontale Aussteifung gegen Wind, Schiefstellung und Erdbeben erfolgt über die eingespannten Stützen. Das Dachtragwerk bilden vollwandige Stahlträger mit einer Spannweite von 12 Metern als Hauptträger bzw. 12 Metern als Nebenträger mit einem Achsraster von je 6 Metern. Die Dachdeckung erfolgt als Trapezblech-Dachkonstruktion.
Projektdetails
- Auftraggeber: Ringana
- Ort: St. Johann bei Hartberg, AT
- Baubeginn: 2019
- Fertigstellung: 05/2021
- Bruttogesamtfläche: 25.520,87 m2
- Bruttorauminhalt: 189.599,43 m3
- Integrale Planung: ATP architekten ingenieure, Wien, ATP sustain
Externe Planungspartner:
- Licht: Hailight
- Landschaftsgestaltung: Kieran Fraser (Studie)
- Verkehr: Moleplan
- Brandschutz: Rabl
- Logistik: Fb Industry Automation GmbH
- Küchenplanung: Ronge
- Büro-Konzepterstellung: M.o.o.con