Planer im Porträt: Dietmar Stampfer : TB Stampfer: 40 Prozent aus „Lebensenergie“

Planer im Porträt: Dietmar Stampfer von TB Stampfer
- © TB Stampfer/TGAUnter „Lebensenergie“ versteht der 62-jährige Planer Energie aus Abwasser, also „alles, was der Mensch produziert, also Kochen, Körperpflege, Wäschewaschen, Fäkalien, usw. Diese Lebensenergie wurde Jahrzehnte lang unterschätzt, steht 365 Tage (in Schaltjahren wie heuer natürlich 366 Tage) im Jahr zur Verfügung und „sie wird immer wichtiger“, erklärt der Planer im Gespräch mit der TGA.
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Hier gibt es keine Brennstoff-Logistik mehr.Dietmar Stampfer, TB Stampfer
Gnice: Die Siedlung als Kraftwerk
Demonstriert wird das gerade beim Megaprojekt „Gnice“ –ein Wortspiel mit dem Salzburger Stadtteil Gneis und dem englischen „nice“ – wo Stampfer massiv involviert ist. Hier baut die Genossenschaft Heimat Österreich insgesamt 258 Wohnungen mit etwa 25.000 m² Brutto-Geschoßfläche inklusive der Gewerbeflächen in der Sockelzone. Gnice sei ein „Meilenstein, sagt Stampfer, „die Siedlung als Kraftwerk. Hier gibt es keine Brennstoff-Logistik mehr. Das ist unser Highlight und wird auch sehr stark gehypt“.
17 mehrgeschossige Wohnbauten und ein Kindergarten wurden von Strobl Architekten (Salzburg), Froetscher Lichtenwagner (Wien) sowie Harder Spreyermann (Zürich) geplant, die Landschaftsplanung stammt von Carla Lo (Wien). 130 geförderte Mietwohnungen sollen kommen, teilweise für betreutes Wohnen, 50 Eigentumswohnungen und ca. 70 Baurechts-Eigentumswohnungen. Das Bauvolumen betrug ursprünglich rund 75 Millionen Euro, dürfte sich aber geändert haben.
100 Prozent der benötigten Energie für Heizung und Warmwasser werden auf dem eigenen Grundstück erzeugt – „Ich denke, das ist Europa-weit einzigartig“, sagt Stampfer, den auch seine Auftraggeber nur „Didi“ nennen. Heizung und Kühlung erfolgen über thermische Bauteilaktivierung. Dafür sorgen Flächen-Kollektoren in der rund 10.000 m² großen Bodenplatte der Tiefgarage, die aus dem Grundwasser und der Erde die Energie beziehen. Wärmepumpe ist im Kühlbetrieb keine nötig, ein Trenntauscher reicht.
Abwasser als Teil des Energiesystems
Rund 80 m³ Abwasser fallen täglich an, deren Nutzung rund 40 Prozent der gesamten Wärme-/Kältemenge bringt, während die Geothermie für 60 Prozent sorgt. Zur Kühlungs-Unterstützung im Sommer sorgt kostenloses „Free-Cooling“ über Flächenkollektoren. Dazu kommt eine Photovoltaik-Anlage (PV) mit 500 kWp, was insgesamt die Erzeugung von ca. 1.500.000 kWh pro Jahr ermöglicht und „was die Wohnanlage buchstäblich zu einem eigenen Kraftwerk macht“, sagt die Heimat Österreich. „Als zusätzliches Goodie werden die Wohnungen während der Sommermonate kostenlos und CO₂-neutral gekühlt. Durch die thermische Aktivierung der Geschossdecken wird ganzjährig eine homogene Wohlfühlatmosphäre in den Wohnungen geschaffen“, erklärt die Genossenschaft.
>>> Innovative Wärmerückgewinnung: Grauwasser als unterschätzte Energiequelle
Nach Auskunft der Genossenschaft befindet sich der Kindergarten noch nicht im Bau, die Mietwohnungen wurden teilweise begonnen und die Eigentumswohnungen gibt es „im Rohbau bis gar nicht“. Ein Haus sei allerdings schon fertig, bei dem wurden Ende Oktober die Fenster eingesetzt. „Im Sommer/Herbst 2026 soll alles fertig übergeben werden“, teilt die Heimat Österreich mit, deren größter Gesellschafter die Caritas ist.
Staatspreis für Architektur und Nachhaltigkeit
Didi Stampfer sagt dazu: „Das funktioniert wie in der Friedrich-Inhauser-Straße, die seit drei Jahren in Betrieb ist. Die Anlage läuft sensationell gut und wir machen dort das Monitoring über unsere ECA“. Dabei hat es sich um ein Nachverdichtungs-Projekt gehandelt, ebenfalls in Salzburg und von der Heimat Österreich, bei dem fossile Energieträger ausgeschlossen waren und stattdessen PV, Wärme-Rückgewinnung aus Raumluft und Abwasser sowie Pufferspeicher eingesetzt wurden.
Sehr zu Recht darf sich Stampfer dafür über den „Staatspreis 2024 für Architektur und Nachhaltigkeit“ freuen. Und im EU Horizon 2020-Projekt „Syn.ikia“ wird das Projekt als Modellbeispiel kommuniziert.
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⇨ Dieser Artikel stammt aus dem TGA-Planerjahrbuch 2025. Darin erwarten Sie folgende Highlights:
- Zukunftstrends: Grüner Wasserstoff, Gleichstrom, klimaneutrale Haustechnik, GEFMA 116 und künstliche Intelligenz – das erwartet die Branche
- Referenzen vom „Proton Therapy Center“ bis zum CO₂-neutralen Bürohaus
- Innovative Projekte: Gute Luft am Gletscher, chemiefreie Kalkschutzanlagen, kompakte Mischkreislösungen und weitere Leuchtturmprojekte
- Kreative Lösungen: Über das Gebäude als Energiespeicher, kontrollierte Wohnraumlüftung, kreislauffähige Badlösungen und vieles mehr
- Produktneuheiten
- Und natürlich: Der gesamte Firmenindex für Elektrotechnik, Installationstechnik, sowie Mess-, Steuer- und Regeltechnik

Patent für integrierte Vorlaufzirkulation
Seit mehr als zehn Jahren ist Dietmar Stampfer auch Patent-Inhaber für eine „Integrierte Vorlaufzirkulation“, die es möglich macht, die Rücklauftemperatur in einen Speicher ganzjährig unter 25 Grad Celsius zu halten. Sie verbessert den Rücklauf im Heizwasser-Kreislauf und besteht im Wesentlichen aus einer kleinen Extraleitung im Vorlauf. Und bereits seit 2011 ist der Planer auch Lektor an der Fachhochschule Kuchl mit der Lehrveranstaltung „HKLS Materials Science & Green Engineering“.
Formell gewonnen hat den Staatspreis die ECA energy consulting austria gmbh, eine der drei Stampfer-Firmen. Er ist hier Allein-Geschäftsführer und hält laut firmenabc 24,5 Prozent der Anteile, bei der Heimat Österreich liegen 51 Prozent und bei Hans Steurer (Instaplan) ebenfalls 24,5 Prozent. An der ECB energy consulting business gmbh hält Stampfer zwei Drittel der Anteile, ein Drittel hat Hans Steurer. 100 Prozent schließlich hält der Gebäudetechnik-Planer an der TB Stampfer GmbH, die TB Karbasch GmbH gehört ihm zur Hälfte. Selbstständig ist Dietmar Stampfer schon seit 1990.
Wenn man 15 ist, kann man es kaum erwarten, 20 zu werden. Wenn man aber älter wird, werden aber aus einem Jahr gefühlsmäßig zwei.Dietmar Stampfer, TB Stampfer
„Energieplaner“ als Dachmarke
Thomas Karbasch sei ein Planer-Kollege, „mit dem wir eine Bürogemeinschaft bilden. Gemeinsam versuchen wir, den ‚Energieplaner‘ als Dachmarke zur Qualitätssicherung zu entwickeln“, sagt Stampfer. „In der Energieplaner-Gruppe sind wir rund 20, meine Leute machen 14 aus“. „Energieplaner“ sei ein geschütztes Qualitätslabel „zur Sicherung von höchster Planungsqualität im Bereich der HKLS- und Energieplanung“, schreibt das TB Stampfer.
Dietmar Stampfer plant aber nicht nur raffinierte Gebäudetechnik-Lösungen ganz genau, sondern auch seine eigene Zukunft: „Meine Nachfolge ist schon geklärt: Markus Lerchner, mein leitender Techniker, wird an meinem 65. Geburtstag das TB Stampfer übernehmen und ich habe für die Zeit danach schon einige Dinge vorbereitet“, stellt der überzeugte Freiluft-Sportler fest: Ski-Tourengehen, Skifahren, Mountainbiken, usw. An seinem 65. Geburtstag wird Dietmar Stampfer fast vier Jahrzehnte lang selbstständig sein.
„Wenn man 15 ist, kann man es kaum erwarten, 20 zu werden. Wenn man aber älter wird, werden aber aus einem Jahr gefühlsmäßig zwei“, sinniert der heuer 62-jährige über das Älterwerden.