Rechtskolumne : Weg mit dem alten und her mit dem neuen Dach: Eine erhebliche Umbaumaßnahme?

Sind Umbaumaßnahmen mit dem Bau eines neuen Gebäudes vergleichbar, gelten sie als „erheblich“. Auf solche erheblichen Umbauten ist das Fern- und Auswärtsgeschäftegesetz (FAGG) nicht anwendbar (§ 1 Abs 2 Z 7 FAGG). Die Entfernung des alten samt Herstellung eines neuen Daches gilt laut OGH nicht als „erhebliche Baumaßnahme“. Daher ist das FAGG auf solche Maßnahmen anzuwenden.

Ausgangslage

Sachverhalt (OGH 23.03.2022, 10Ob 35/21a)

Ein Miteigentümer einer Liegenschaft beauftragte ein Bauunternehmen mit der Entfernung des alten und der damit einhergehenden Herstellung eines neuen Daches, da er das Dachgeschoß zu einer zweiten Wohneinheit ausbauen wollte. Mit sonstigen Arbeiten wurde das Bauunternehmen nicht betraut. Der Vertragsabschluss fand außerhalb der Geschäftsräumlichkeiten des Bauunternehmens statt. Der Auftraggeber trat nach
zwei Monaten vom Vertrag zurück und stützte sich auf die längere Rücktrittsfrist des FAGG.

Rechtliche Beurteilung des OGH

Im FAGG werden Fernabsatzverträge geregelt, die zwischen Verbraucher*innen und Unternehmer*innen elektronisch oder außerhalb der Geschäftsräumlichkeiten der Unternehmer*innen (z.B. telefonisch) abgeschlossen werden. Nach FAGG gilt eine allgemeine Rücktrittsfrist von 14 Tagen. Diese verlängert sich um 12 Monate, wenn der*die Unternehmer*in nicht ausreichend über das Rücktrittsrecht informiert.

Erhebliche Umbauten sind gemäß § 1 Abs 2 Z 7 FAGG vom Anwendungsbereich des FAGG ausgeschlossen, wobei dies nicht zu weit gesehen werden darf. Als erhebliche Baumaßnahme gelten solche, die mit dem Bau eines neuen Gebäudes vergleichbar sind, da z.B. nur die Fassade des alten Gebäudes erhalten bleibt. Nach Ansicht des OGH ist die Errichtung eines neuen Daches bloß mit einem An- oder Zubau vergleichbar. So fällt der Bau eines neuen Gebäudetraktes unter die Ausnahmebestimmung des FAGG, der Anbau einer Garage oder eines Wintergartens ist davon hingegen nicht erfasst.

Der Auftraggeber strebte zwar eine zweite Wohneinheit an, beauftragte das Bauunternehmen aber nur mit einer von mehreren dafür erforderlichen Maßnahmen. Damit spaltete er eine insgesamt „erhebliche Umbaumaßnahme“ in mehrere, isoliert voneinander abgeschlossene Verträge, welche gesondert zu beurteilen sind. Einzelne Gewerke stellen laut OGH in der Regel keine „erhebliche Umbaumaßnahme“ dar. Begründet wird dies damit, dass dadurch nicht die Komplexität einer Neubaumaßnahme erreicht wird.

Sylvia Unger
Mag. Sylvia Unger, Rechtsanwältin - Ferstelgasse 1/1, 1090 Wien - © Unger
Einzelne Gewerke stellen laut OGH in der Regel keine „erhebliche Umbaumaßnahme“ dar.

Fazit

Ist eine Umbaumaßnahme „erheblich", ist sie vom Anwendungsbereich des FAGG ausgenommen. Dies ist dann der Fall, wenn sie mit einer Neuerrichtung eines Gebäudes vergleichbar ist. Die Entfernung samt Errichtung eines neuen Daches stellt keine erhebliche Maßnahme dar, da sie vielmehr mit einem An- oder Zubau vergleichbar ist. Daher kommt das FAGG und damit das Rücktrittsrecht und die Rücktrittsfristen nach FAGG zur Anwendung.

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