Wärmewende : Wiener Wärme aus der Tiefe
Die Wärmeversorgung ist ein wesentlicher Schlüssel für erfolgreichen Klimaschutz in der Stadt, das hat eine Studie im Auftrag von Wien Energie kürzlich aufgezeigt. Seit 2016 erforscht Wien Energie im Projekt GeoTief Wien gemeinsam mit Partnern aus Wissenschaft und Industrie den geologischen Untergrund im Großraum Wien. Jetzt liegen konkrete Ergebnisse in Form eines geologisches 3D-Modells vor: In rund 3.000 Metern Tiefe liegt ein vielsprechendes Heißwasservorkommen für die Tiefe Geothermie, das sogenannte Aderklaaer Konglomerat.
Wärme aus der Tiefe für 125.000 Haushalte bis 2030
„Wien heizt heute schon sehr umweltfreundlich! Um unser Ziel zu erreichen, die Wärmeversorgung bis 2040 komplett zu dekarbonisieren, brauchen wir weitere erneuerbare Wärmequellen. Das 3D-Modell vom Wiener Untergrund ist ein Paradebeispiel für interdisziplinäre Forschung“, erklärt Peter Hanke, Stadtrat für Wirtschaft, Finanzen und Wiener Stadtwerke. Dabei spielt auch die Fernwärme eine Rolle: 2040 sollen rund 56 Prozent des Wärmebedarfs der Stadt Wien über Fernwärme, der Rest im Wesentlichen über Wärmepumpen gedeckt werden. Die Fernwärme soll zu diesem Zeitpunkt gänzlich klimaneutral sein. Neben der Müllverbrennung und der Abwärmenutzung ist dabei Geothermie von großer Bedeutung.
„Damit Klimaschutz in Wien erfolgreich ist, müssen wir unsere Wärmeversorgung noch umweltfreundlicher aufstellen. In der Tiefen Geothermie – also Heißwasservorkommen mehrere tausend Meter unter der Stadt – liegt dabei großes Potential“, ist Michael Strebl, Vorsitzender der Wien Energie-Geschäftsführung, überzeugt. „Unter Wien schlummert ein riesiges Wärmevorkommen! Dieses wollen wir in Zukunft für die Wärmeversorgung nutzen. Mit dem 3D-Modell haben wir jetzt ein detailliertes Bild vom Wiener Untergrund in der Hand und können uns an die Planung von konkreten Projekten machen. Bis 2030 wollen wir bereits bis zu 125.000 Haushalte mit Wärme aus der Tiefe versorgen können!“, so Strebl weiter.
Drei Kilometer unter der Erde
Das Potentialgebiet erstreckt sich oberirdisch von Donaustadt bis Simmering. In diesen Gebieten sieht Wien Energie auf Basis des 3D-Modells Chancen, die Heißwasservorkommen drei Kilometer unter der Erde für die erneuerbare Fernwärme nutzen zu können. Die Forschungen schätzen ein Potential von bis zu 120 Megawatt thermischer Leistung. Seit 2016 arbeitete das Forschungsteam von GeoTief Wien an der bisher genauesten Abbildung des tiefen Wiener Untergrunds: In einem ersten Schritt wurden Bestandsdaten der Kohlenwasserstoffindustrie analysiert und ausgewertet. Anschließend wurden erstmalig in Österreich innovative 3D-Seismik-Messungen durchgeführt. Dafür wurden etwa 2017 auf einem Gebiet von rund 175 Quadratkilometern 16.000 kabellose Sensoren ausgelegt. Mit speziellen Fahrzeugen wurden dafür Schwingungen – ähnlich wie bei einem Ultraschall – in den Erdboden geschickt. 50 Terabyte Daten wurde anschließend analysiert und mit den Bestandsdaten zusammengeführt.
Umfassendstes Geologie-Projekt Österreichs
Die Geometrie und bisher bekannten hydraulischen Eigenschaften des Thermalwasserreservoirs sind vielversprechend. Bei einer Tiefe von rund 3.000 Metern sollte die Wassertemperatur im Aderklaaer Konglomerat bis zu 100 Grad Celsius liegen und könnte sich damit für die Nutzung für die Wiener Fernwärme eignen. Endgültige Gewissheit kann jedoch nur eine Erkundungsbohrung geben. Bevor der Beschluss zur Umsetzung einer Geothermie-Anlage fällt, werden bis zum Frühjahr 2022 parallel zu ersten Planungsschritten noch weitere Forschungsarbeiten durchgeführt. „GeoTief Wien ist das umfassendste Geologie-Forschungsprojekt, das es in Österreich jemals gegeben hat. Nachdem wir nun ein Potentialgebiet identifiziert haben, werden wir uns dessen Eigenschaften mit einer Untersuchung eines alten Bohrlochs noch genauer ansehen“, erläutert Wien Energie-Geschäftsführer Karl Gruber. Mit einem praktischen Test in Essling ist das Forschungsprojekt GeoTief Wien in seiner vorerst letzten Phase. Seit Oktober bis Ende des Jahres 2021 werden am ehemaligen Erkundungsbohrplatz von Wien Energie Untersuchungen durchgeführt.