Aus TGA 10: Gebäudelebenszyklus : Die Chance der frühen Phase
Digitalisierung und Nachhaltigkeit dominieren nicht erst seit der Taxonomie-Verordnung der EU den Diskurs der Baubranche. Schlagworte wie Lebenszyklus von Gebäuden, klimapositiver Betrieb, zukunftssicheres Betreiben und integrale Planung mit „BIM“ sind in aller Munde.
TGA: Dass Gebäude schon bei der Errichtung Einfluss auf das Klima haben, ist unbestritten, doch wissen wir, dass der längere Hebel zur Nachhaltigkeit im Betrieb zu finden ist. Wie reagiert man darauf als Planer?
Michael Haugeneder: Als Sonderplanungs- und Forschungsgesellschaft für nachhaltiges Bauen innerhalb der ATP-Gruppe beschäftigen wir uns intensiv mit der Vernetzung der Informationen aus der datenbankorientierten Planung mit BIM. Daraus können wir Prognosen entwickeln, welche Entscheidungen, die in der frühen Planungsphase getroffen werden, welche Ergebnisse im Betrieb eines Gebäudes bewirken. Wir können gesicherte Aussagen über das Verhalten des Objektes in 20 oder 30 Jahren treffen.
Wie weit hat die Digitalisierung in der Planungsbranche schon Einzug gehalten?
Haugeneder: Sie ist bereits Realität, vor allem, weil die Ansprüche an die Planung enorm gestiegen sind. Eine Immobilie wird heute schon vor Errichtung auf Herz und Nieren geprüft. Jeder Auftraggeber muss sich mit ESG und nachhaltigem Investieren auseinandersetzen. Wir können mögliche Wege aufzeigen und richtige Antworten auf Zukunftsfragen liefern. BIM unterstützt uns dabei maßgeblich.
Der Aufwand, ein BIM-Modell zu erstellen und zu pflegen, ist ungleich höher als der einer konventionellen Planung. Warum lohnt es sich trotzdem?
Haugeneder: Die Planung mit BIM bedeutet zwar anfänglich einen erhöhten Aufwand, ist aber ein unverzichtbares Werkzeug, um eine Prognose über den gesamten Lebenszyklus des Gebäudes zu erstellen und um Transparenz in der Kommunikation und im Datenaustausch herzustellen. Und es lohnt sich, gerade in die frühe Planungsphase mehr Zeit zu investieren. Denn die intensive Beschäftigung mit dem Kernprozess des Gebäudes bereits zu Beginn garantiert uns schlanke Prozesse und reibungslose Abläufe sowie einen nachhaltigen Betrieb, in dem sicher das größte Potenzial für CO₂-Einsparungen, Ressourcenschonung und Vermeidung von Verschwendung liegt.
Sie arbeiten mit Architekten und Ingenieuren integral im BIM-Modell. Was ist der Vorteil?
Haugeneder: Die Integrale Planung bei ATP architekten ingenieure bietet uns als ATP sustain die Chance, gemeinsam mit allen Fachdisziplinen gleichberechtigt an dem Datenmodell zu arbeiten und alle auf demselben Informations- und Planungsstand zu sein. Dadurch minimieren wir Fehler und optimieren Schnittstellen im laufenden Prozess. Wenn wir mit einem Planungsteam zusammenarbeiten, das nicht unter einem Dach zusammensitzt, sondern in wirtschaftlich eigenständigen Einheiten getrennt operiert, ist der Austausch der Daten eine größere Herausforderung. Hier ist der Auftraggeber viel stärker gefordert, diesen im Vorfeld zu systematisieren, festzulegen und mit den Planungspartnern zu vereinbaren. Bei ATP ist der Ablauf friktionsfreier, was aber nicht am BIM Modell, sondern an der richtigen Vorbereitung des integralen Planungsprozesses liegt.
Was bedeutet die Digitalisierung für die Arbeit im Team der ATP sustain?
Haugeneder: Mit den digitalen Möglichkeiten, LZ-orientierter Planung und EU-Taxonomie kommen neue Herausforderungen und komplexe Aufgaben auf uns zu. Dadurch ändern sich auch die Mitarbeiteranforderungen in der Bearbeitung solcher Projekte massiv. Neben der fachlichen Qualifikation bedarf es einer neuen Teamstruktur und eines neuen Verständnisses der Kooperation. Offene und transparente Kommunikation ist wesentlicher Bestandteil der datenbankorientierten Planung. Dies bedeutet für uns als Forschungs- und Sonderplanungsgesellschaft, dass wir kontinuierlich ausbilden, gemeinsam die Zusammenarbeit, den Dialog erlernen, üben und durchführen und dies in integralen Planungsteams mit unterschiedlichen Qualifikationen und Erfahrungen tagtäglich trainieren.
Wo finden Sie qualifizierte Planer für solche Teams?
Haugeneder: Viele Fachkräfte mit Erfahrung, guter Ausbildung und Motivation haben die neuen Planungs- und Kollaborationsmethoden nicht erlernt. Wir versuchen, sie in unsere Teams so zu integrieren, dass wir unsere Aufgaben zu einem Erfolg führen können. Das Spannende und Motivierende ist, dass wir in einem großen, kreativen Feld arbeiten, das nur durch die Digitalisierung und transparente Integrale Planung möglich ist. Wir haben also noch viel zu tun!