Aus TGA 10: ESG Monitoring : Mehr als Energiedaten sammeln
Auf der EXPO Real in München war ESG DAS Thema. Keine Diskussion oder Berichterstattung kam aus, ohne diese Abkürzung zu erwähnen. Aber was heißt ESG eigentlich? Es handelt sich dabei um die Verordnung (EU) 2019/2088 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. November 2019 über nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten im Finanzdienstleistungssektor.
Damit soll ein nachhaltiges Finanzwesen („Sustainable Finance“) gefördert werden. Das bedeutet, bei Investitionen sollen nachhaltige Investitionen bevorzugt werden, um ein nachhaltiges und integratives Wachstum zu erreichen, finanzielle Risiken zu bewältigen, die sich aus dem Klimawandel, der Ressourcenknappheit, der Umweltzerstörung und sozialen Problemen ergeben, und Transparenz und Langfristigkeit in der Finanz- und Wirtschaftstätigkeit zu fördern.
Warum ist das so wichtig für den Immobiliensektor? Dieser verursacht rund 40 % der CO₂- Emissionen und ist ein Hauptverbraucher von Energie. Also gibt es hier hohe Einsparungspotentiale für Energie und CO₂ zu heben. Diese Einsparungen gewinnen durch die geplanten CO₂-Steuern nochmals an Bedeutung. Ein hoher Verbrauch wurde bisher von den Nutzern getragen. Die Maßnahmen mussten aber von den Eigentümern bezahlt werden. Nutznießer derartiger Maßnahmen waren daher die Nutzer/Mieter. Nun aber ist es einhellige Meinung, dass auch der Ertragswert, sprich der Wert einer Immobilie, von deren Energieverbrauch beeinflusst wird. Warum? Weil eine umweltschädliche Immobilie schwerer zu vermieten ist und sich ein Investor nicht leisten kann, derartige Assets in sein Portfolio aufzunehmen oder zu halten.
Wie kann man nun vorgehen?
Einerseits kann man in allen Gebäuden Maßnahmen zur Energieeinsparung, wie zusätzliche Isolierungen, anbringen, moderne effiziente Heiz- und Kühlsysteme einsetzen und den Betrieb optimieren. Aber macht es Sinn, alle Gebäude gleich zu behandeln? Sicher nicht. Zuerst muss man feststellen, wo die wirklichen Einsparungspotentiale liegen. Man braucht also Zahlen über die diversen Energieverbräuche, um dann geeignete Maßnahmen ableiten zu können. Wie kommt man aber zu den Verbrauchszahlen? Man kann die Energierechnungen heranziehen und aus den Endabrechnungen im Folgejahr den wirklichen Verbrauch analysieren. Dann kann es aber schon zu spät sein. Ein grünes Gebäude ist dann gegebenenfalls ein „braunes“ und die erweiterte Berichterstattung des Unternehmens ist falsch und muss korrigiert werden. Zeitnahe Verbrauchsdaten sind notwendig. Tools, um diese zu erfassen, sind aber bisher sehr teuer. Meist kamen Feldbusse zum Einsatz. Diese sind sehr verlässlich und lange im Einsatz, aber nicht sehr kostengünstig. Daher ist ihr Einsatz sehr auf A-Klasse-Gebäude beschränkt, wo sie auch für andere Zwecke (Messen und Steuern) benutzt werden. Hier kommen nun die neuen Technologien, die wir ja in den vergangenen Artikeln vorgestellt haben, zum Zug. IoT Devices können messen und ihre Daten einfach über das Internet in Big-Data-Anwendungen übertragen. Dort lassen sich leicht Analytik-Tools einsetzen, um die Daten zeitnahe zu monitoren, einzugreifen und Optimierungsmaßnahmen abzuleiten. Als Universität wollen wir aber nicht nur theoretische Lösungen finden, sondern sie auch in der Praxis testen. Dazu haben wir in den neuen Büroräumen des IFM mehrere Lösungen parallel installiert, um die Vor- und Nachteile zu analysieren.
Dabei kommen folgende Protokolle zum Einsatz:
1. PFC200 über Ethernet oder mit WLAN/3G/4G-Modul
2. 2.4 GHz WLAN
3. enOcean
4. KNX
5. Zigbee
6. 2.4 GHz Bluetooth Low Energy (BLE)
7. Wirepas Mesh über 2.4 GHz Bluetooth Low Energy
Sie sehen, es gibt hier heutzutage viel mehr als KNX und andere Feldbusse. Wir waren vor allem auf die Technologien WLAN und Bluetooth gespannt, da sie neben der Messung auch die Steuerung erlauben. Im ersten Schritt haben wir uns aber auf das Monitoring konzentriert und alle Daten aus den unterschiedlichen Systemen in einer Datenbank zusammengeführt. KNX erweist sich als sehr stabil und auch sicher. Die Kosten sind aber gerade bei kleinen Einheiten und wenn der Fokus auf dem Monitoring liegt nicht zu unterschätzen. WLAN im Energiemonitoring ist mittlerweile auch sehr verbreitet. Bei der Qualität der Devices und der Datensicherheit gibt es aber große Unterschiede. Die Produkte und Features zu vergleichen, zahlt sich aus, damit eine kostengünstige, sichere und qualitative Lösung entsteht. Wir setzen hier in der Demoinstallation auf EDC und WAGO sowie auf Produkte, die die Firmware Tasmota benutzen. Bluetooth ist ebenfalls sehr verbreitet, energieeffizient und auch von den Kosten interessant. Hier haben wir ZUMTOBEL-Leuchten eingesetzt, die über Bluetooth Daten zum Beispiel über das Raumklima und die Nutzung sowie die Beleuchtung liefern, aber auch die Möglichkeit der Steuerung bieten.
Insgesamt kann man sagen, dass eine Integration heute einfach zu bewerkstelligen ist. Für den Bereich der Datenbanken gibt es zahlreiche low-cost-Produkte oder sogar lizenzfreie Angebote mit guter Performance. Dasselbe gilt für den Bereich der Analytik. So wurden in der Demoinstallation nur lizenzfreie Produkte verwendet. Nach rund einem halben Jahr Betrieb sind doch mehrere Millionen Datensätze zusammengekommen, dennoch ist die Performance, bei einem wirklich sehr geringen Hardware-Aufwand, sehr gut. Das System läuft auf einem besseren Laptop.
Optimierungsmöglichkeiten
Interessant sind nicht nur die einzelnen Verläufe der Verbräuche, des Raumklimas sowie der Nutzung, sondern vor allem die Zusammenhänge. Auf Basis der unterschiedlichen Daten lassen sich die meisten Verläufe nachvollziehen und erklären. Eine hohe Belegung hat Auswirkungen auf die Verbräuche und die CO₂-Belastung. Auch Optimierungsmöglichkeiten sind leicht erkennbar. Es gibt keine Energieverschwendung durch Licht, das die ganze Nacht brennt. Auch viele Verbraucher können proaktiv vollständig abgeschaltet werden, statt im Standby Strom zu verbrauchen. Auch die Heizung lässt sich im Zusammenspiel mit den Nutzungsgewohnheiten optimieren.
Zugleich sehen wir auch Ansätze neben der Energieoptimierung. Wie ausgelastet ist der Standort wirklich? Wie ist der Verlauf an den Wochentagen oder über den Tag hinweg? Wo gibt es Engpässe und wo freie, ungenutzte Flächen? Welche Bürotypen sind gut genutzt? Welche kann man reduzieren? Diese Ergebnisse haben ein noch größeres Potential, denn eine nicht gemietete, vielleicht nicht einmal gebaute Bürofläche ist die effizienteste. Wer sich die Demoinstallation in der Praxis ansehen will, kann dies gerne am IFM-Kongress am 11. und 12. November 2021 tun. Wir bieten in den Pausen Führungen an und zeigen die Möglichkeiten, auch am Beispiel der Hofburg in Wien, die dieselbe Architektur verwendet. Auch wird ein Start-up vertreten sein, das basierend auf den Forschungsergebnissen eine eigenständige SaaS-Lösung entwickelt hat.
Kommen Sie zum 14. IFM-Kongress und erleben Sie Forschung zum Angreifen!