Forschung : Projekt Avator - wie verhalten sich Aerosole?

© Fraunhofer ITWM

Der Herbst naht, die Inzidenzen klettern aktuell wieder hinauf, besonders aufgrund der Delta-Variante ist Abstandhalten und Maskentragen daher nach wie vor angesagt. Während die Ansteckungsgefahr im Außenbereich recht gering ist, können sich die infektiösen Aerosole in Innenräumen leicht ansammeln und zu Ansteckungen führen. Aber: Wie genau verbreiten sich diese Aerosole, und wie hoch ist das Ansteckungsrisiko in Flugzeugen, Supermärkten, Klassenräumen und Co.?

Projekt Avator

Das untersuchen Forscher aus insgesamt 15 Fraunhofer-Instituten und -Einrichtungen unter der Federführung des Fraunhofer-Instituts für Bauphysik IBP im Projekt Avator, kurz für "Anti-Virus-Aerosol: Testing, Operation, Reduction". "Wir simulieren und analysieren, wie sich die Viren in Innenräumen ausbreiten und auf welche Weise man die Raumluft effektiv reinigen kann", erklärt Prof. Dr. Gunnar Grün, stellvertretender Leiter des Fraunhofer IBP und Gesamtprojektleiter. Das Besondere: Die Wissenschaftler arbeiten nicht mit einer einzigen Simulationsmethode, sondern erstellen Simulationen durch unterschiedliche Verfahren und Detaillierungsgrade über lange Zeiträume. Das beginnt beim unmittelbaren Nahfeld einer infizierten Person – demzufolge nahe am Mund – bis hin zum Fernfeld, also großen Räumlichkeiten. Wie viele Viren gelangen bei verschiedenen Maskentypen in die Raumluft? Wie verhält sich die Luftströmung in der Nähe einer Person, und in welchem Maße verteilen sich eventuell ausgeatmete Viren im Laufe der Zeit im gesamten Raum?

Unterschiedliche Simulationsszenarien

Das Fraunhofer ITWM widmet sich beispielsweise der Frage, wie sich die Aerosolkonzentration in der nahen Umgebung einer infizierten Person ändert, wenn sie verschiedene Masken trägt. Das Fraunhofer IBP konzentriert sich wiederum auf die großräumige Simulation über lange Zeiträume, etwa in Flugzeugkabinen oder Produktionshallen. Um die Simulationen zu validieren, gleichen die Forschungsteams sie mit Messdaten aus der eigenen Flugzeugkabine ab, in der sich die auftretenden Raumluftströmungen untersuchen lassen. "In unseren Simulationen am Fraunhofer IBP betrachten wir den gesamten Tagesablauf. Die Simulation kann daher natürlich nicht annähernd so genau sein wie die der anderen Institute, die sie auf ein paar Minuten beschränken. Genau hier liegt jedoch der große Vorteil der Simulationskette: Die Simulationen ergänzen sich auf sinnvolle Weise. Da sich die Übergänge zwischen den Simulationen verknüpfen lassen, kann man das erhaltene Bild gewinnbringend erweitern", sagt Grün.

Noch einmal komplizierter wird die Situation, wenn sich die Menschen nicht nur unbewegt in den Räumlichkeiten aufhalten, sondern in ihnen umhergehen. Auch dies haben die Fraunhofer-Forscher in ihren Berechnungen berücksichtigt – mit einem Werkzeug, da von Fraunhofer Singapur entwickelt wurde. Wer geht wo entlang? Auf wen trifft dabei die Person? Das Fraunhofer IGD und das Fraunhofer EMI wiederum liefern die entsprechenden Raumströmungssimulationen. Welche Luftverwirbelungen treten durch die Bewegung auf? Um dies für alle Begegnungen zu simulieren, fehlt schlicht die Rechenkapazität. Deshalb arbeitet Fraunhofer Austria mit Methoden des Maschinellen Lernens, durch diesen zielgerichteten Einsatz von Künstlicher Intelligenz wird die Simulation erst handhabbar. Wie sich die Aerosole in einem Supermarkt verteilen, in dem sich verschiedene Menschen bewegen, wurde bereits beispielhaft berechnet; das Modell lässt sich auch auf Flugzeuge, Klassenzimmer und andere Räume übertragen.

FFP2-Maske effektiv

Aus den Simulationen lässt sich für konkrete Räume ableiten, wie sich die Aerosole verteilen. Wie viele Viren atmet beispielsweise eine Person im Flugzeug ein, wenn ein Infizierter eine Reihe weiter vorne sitzt? Anhand zweier Risikomodelle, die gemeinsam vom Fraunhofer IFF und Fraunhofer ITEM evaluiert werden, kann das jeweilige Infektionsrisiko bewertet und der Einfluss verschiedener Schutzmaßnahmen eingeschätzt werden. "Durch Verknüpfung der verschiedenen Modelle können wir so sehr gut erkennen, dass bereits das Tragen von FFP2-Masken in einer Flugzeugkabine die Exposition um mehr als 95 Prozent senkt und damit auch das Infektionsrisiko", nennt Grün beispielhaft eines der Ergebnisse. Das exakte Risiko hängt natürlich von verschiedenen Faktoren ab: Dem genauen Abstand zur infizierten Person etwa, der Anzahl infektiöser Viren sowie der Aufenthaltsdauer im Innenraum. Aus den Daten der Risikobewertung wiederum leiten die Projektbeteiligten sinnvolle Hygienemaßnahmen ab und prüfen ihre Wirksamkeit. Technologien der Raumluftreinigung sowie der Validierung ihrer Wirksamkeit stehen daher ebenso im Fokus des Projekts.