Aus TGA 6: BIM in Theorie und Praxis : Die Baubranche im
digitalen Wandel

3D-Rendering eines Gebäudes auf einem Smartphone vor dem Hintergrund eines Bauplans.
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Digitalisierung in Österreich

Der Begriff „Digitalisierung“ ist nicht erst seit dem mit COVID-19 einhergehenden Homeoffice und Homeschooling in aller Munde. Die österreichische Bundesregierung hat sich bereits zuvor das Ziel gesetzt, die bestehenden Rahmenbedingungen und die Gesellschaft fit für den digitalen Wandel zu machen. Laut einer Studie des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung (WIFO) ist dies auch dringend notwendig. Diese Studie kommt 2019 zum Schluss, dass Österreich im Bereich der Digitalisierung bestenfalls im Mittelfeld oder weiter zurückliegt. Zu den Spitzenreitern der Europäischen Union zählt Österreich jedenfalls nicht.

Ein Begriff – viele Definitionen

In der Baubranche ist die Digitalisierung unweigerlich mit dem Begriff „Building Information Modeling“ oder kurz „BIM“ verbunden. Dabei gibt es laut den Experten Gerald Goger, Melanie Piskernik, & Harald Urban gar keine eindeutige Definition beziehungsweise Beschreibung des Begriffs „Building Information Modeling“. So haben Planende, ausführende Unternehmen, staatliche Organisationen und Softwareanbieter jeweils ihr eigenes Verständnis in Bezug auf BIM entwickelt.

Building Information Modeling wird in verschiedene Levels (0 bis 3) und Dimensionen (3D bis 7D) sowie in „closed BIM“ und „open BIM“ eingeteilt. Die BIM-Levels beschreiben dabei hauptsächlich den Fortschritt der Zusammenarbeit aller Projektbeteiligten: Level 0 stellt das konventionelle Arbeiten mit 2D-CAD und den Austausch von papiergedruckten Plänen dar, Level 3 beschreibt im Gegensatz dazu den vollständig integralen und gemeinschaftlichen Prozess der Modellierung eines virtuellen Gebäudemodells. Die Bedeutung der Dimensionen wird in der nachfolgenden Abbildung dargestellt:

Beschreibung der Dimensionen von 3D bis 7D von Building Information Modeling.

- © Projekt Digitale Gebäudemodelle für nachhaltige Gebäude

Die Begriffe „open BIM“ und „closed BIM“ beziehen sich vereinfacht gesagt auf die verwendeten Softwarelösungen. Wie die Namen bereits verraten, handelt es sich bei „closed BIM“ um ein geschlossenes System. Das heißt, die Daten werden nach einem proprietären Informationsmodell eines Softwareherstellers ausgetauscht, dessen Struktur nicht offengelegt ist. Im Gegensatz dazu handelt es sich bei „open BIM“ um eine offene Datenaustauschstrategie basierend auf einem offengelegten Schema.

Sowohl „closed BIM“ als auch „open BIM“ haben im praktischen Einsatz Vor- und Nachteile. Aufgrund der größeren Möglichkeit der Einbindung verschiedener Softwaretools konzentriert sich die Forschung bei AEE INTEC auf die Verwendung von „open BIM“. Als einheitliches Datenaustauschformat hat sich in „open BIM“ das IFC-Format etabliert. Bereits im Jahr 2013 wurde das Datenformat als ISO-Standard zertifiziert und wird laufend erweitert und weiterentwickelt. Die Spezifikation von IFC erfolgt unter der Verantwortung von buildingSMART International.

BIM-Forschungsprojekte bei AEE INTEC

Building Information Modeling hielt im Jahr 2016 Einzug in die Forschungsprojekte bei AEE INTEC. Im Projekt „Digitale Gebäudemodelle für Nachhaltige Gebäude“, welches vom damaligen Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft im Rahmen der ACR (Austrian Cooperative Research) gefördert wurde, war das zentrale Ziel die Integration von Instrumenten und Softwaretools im Bereich der Nachhaltigkeitsbewertung von Gebäuden in BIM. Nachhaltigkeitsaspekte sollten so direkt im BIM-basierten Planungsprozess dynamisch optimiert werden können. Als Untersuchungsobjekt diente der Passivhaus-Kindergarten „Wolkenschiff“ in Gänserndorf, der seit 2012 in Betrieb ist und 2015 erweitert wurde

Die Herausforderung in diesem Projekt lag hauptsächlich in der Anknüpfung der unterschiedlichen Werkzeuge an die vorliegende Datenbasis. Dabei mussten nicht nur die technischen Probleme für das Auslesen und Zurückführen der Daten gemeistert, sondern auch die Frage gelöst werden, welche Daten zu welchem Zeitpunkt, in welcher Form, in welchem Umfang und in welcher Qualität in den BIM-Prozess einfließen sollen.

Im Jahr 2017 wurde das von Stadt der Zukunft geförderte Forschungsprojekt „6D BIM-Terminal: Missing Link für die Planung CO2-neutraler Gebäude“ gestartet. Das Ziel des Projektes war es, die Lücken zwischen BIM-basierter Entwurfsplanung und den Fachplanungen zu schließen und eine durchgehende planungsbegleitende Lebenszyklusanalyse zu unterstützen. Im Rahmen des Projekts wurde der Prototyp des „BIM-Terminals“ entwickelt. Das Tool wertet die in IFC4-Dateien enthaltenen Geometrie- und alphanumerischen Daten aus und verknüpft sie mit Daten, die für Gebäudeökobilanzen und Ausschreibungen von Bauleistungen notwendig sind. Auf Basis der ausgewerteten Daten und der hinterlegten Codes berechnet das BIM-Terminal die Ökobilanzwerte und Lebenszykluskosten und erstellt Leistungsverzeichnisse für das Gebäude.

Screenshot des BIM-Terminals.

- © https://bimterminal.com

Die Projektergebnisse unterstützen PlanerInnen dabei, schon zu Beginn eines BIM-Prozesses auf ökologische und ökonomische Optimierungen Rücksicht zu nehmen. Sie sollen vor allem KMUs unterstützen und den Einstieg in die komplexe BIM-Planung erleichtern. Beide oben genannten Forschungsprojekte sind mittlerweile abgeschlossen und deren Ergebnisse verfügbar. Aktuell laufende Forschungsprojekte von AEE INTEC zum Thema Building Information Modeling sind die Projekte „Green BIM“ und „BIMpeco“.

Zunehmend werden Gebäudebegrünungen wie auch innovative großflächige horizontale Begrünungsvorhaben in unseren Städten umgesetzt und erhöhen nachweislich das Wohlbefinden der Menschen im direkten Wohn- und Arbeitsumfeld. Vor allem hochtechnisierte Fassaden- und Dachbegrünungen verlangen eine gesamtheitliche durchdachte Planung, die abseits der Ausführung und Installation auch den laufenden Betrieb und die Pflege miteinschließt. In der Praxis ist es allerdings selten der Fall, dass der gesamte Lebenszyklus solcher Systeme von Beginn an mitgedacht wird. Dieser Problematik soll durch das Forschungsprojekt „Green BIM – Bauwerksbegrünung als Teil BIM-basierter Planung und Pflege“ Abhilfe geschaffen werden.

Aufbauend auf einer umfassenden Status-quo-Analyse von bestehenden Bauwerks- und Gebäudebegrünungen werden die Kriterien für eine BIM-basierte Planung über den gesamten Lebenszyklus (Planung, Ausführung, Pflege, Wartung) ausgearbeitet. Anhand von ausgewählten Fallbeispielen wird eruiert, wie Gebäudebegrünungen in BIM modelliert und bereits bestehende Begrünungssysteme im Nachhinein digitalisiert und BIM-fähig werden. Ziel ist eine Verschmelzung der Begrünungs- und BIM-Planung zur friktionsfreien Umsetzung und Pflege.

© AEE INTEC

Das Forschungsprojekt wird im Rahmen von Stadt der Zukunft gefördert und läuft noch bis August 2022.Das Projekt „BIMpeco – Umweltrelevante Produktdaten in kollaborativen BIM-Umgebungen“ beschäftigt sich mit der Integration von qualitativen, umweltrelevanten Produktinformationen in eine BIM-Umgebung. Bauprodukte können aufgrund ihrer Schadstoffgehalte oder Schadstofffreisetzungen ein Risikopotenzial für Umwelt und Gesundheit darstellen, werden aber bislang noch nicht systematisch in BIM abgebildet.

In diesem Projekt werden dazu Anforderungen und Datenstrukturen für das digitale Informationsmanagement von umweltrelevanten Produktdaten entwickelt und erstmalig Grundlagen für ein lebenszyklus- und lieferkettenbegleitendes Produktinformationsmanagement von umweltrelevanten Eigenschaften von Bauprodukten und Haustechnikkomponenten in BIM geschaffen. Das Projekt wurde im Herbst 2020 gestartet und wird ebenso im Rahmen von Stadt der Zukunft gefördert.

Ausblick

Die Anwendung von Building Information Modeling fordert Änderungen im Bauprojektablauf und in der Arbeitsweise und setzt neue Kenntnisse und neue Organisationsmaßnahmen für alle BauprojektakteurInnen voraus. Gleichzeitig stellt BIM einen wichtigen Schritt im Bereich der Digitalisierung dar. Auch wenn es in vielen Bereichen noch kleinere und größere Schwierigkeiten sowohl technischer als auch nichttechnischer Natur gibt, wird BIM in Zukunft eine wichtige Rolle bei Planung, Bau und Betrieb von Gebäuden spielen.

Für AEE INTEC gibt es im Themenbereich des Building Information Modeling auch weiterhin einiges an Forschungsbedarf. So wäre zum Beispiel der logische nächste Schritt die Verknüpfung der jahrelangen Expertise im Bereich der dynamischen Simulation von Gebäuden und deren haustechnischen Anlagen oder der messtechnischen Evaluierung von Gebäuden mit BIM. Jedenfalls ist offensichtlich, dass der „open BIM“-Ansatz und die offene Herangehensweise klarer Favorit ist, wenn es darum geht, im nationalen und internationalen Kontext an Forschungsprojekten zu arbeiten.