Marktentwicklung : WKO: Stimmungsbarometer für Handwerk und Gewerbe zeigt nach unten
Ein alarmierendes Stimmungsbild kommt aus Österreichs größter Arbeitgeberbranche, dem Gewerbe und Handwerk. Die jüngste Konjunktur-Umfrage von KMU Forschung Austria diagnostiziert: Die Stimmung ist ins Negative gekippt. Im ersten Halbjahr 2022 gingen die Umsätze bzw. Auftragseingänge mengenmäßig (real) um 4 Prozent zurück. Zwar gab es ein wertmäßiges Plus bei Umsätze bzw. Auftragseingänge von 3,9 Prozent, gleichzeitig aber Preiserhöhungen um 7,9 Prozent. Für das vierte Quartal 2022 herrscht Pessimismus unter den befragten Unternehmen, nur 22 Prozent erwarten eine positive Geschäftsentwicklung.
„Die Kurve zeigt deutlich nach unten - bei den konsumnahen Branchen ebenso wie bei jenen, die den Baubereich umfassen. Besonders pessimistisch sind derzeit neben dem Baugewerbe das Bauhilfsgewerbe, die Fahrzeugtechnik und der Holzbau eingestellt“, erklärt Christina Enichlmair von KMU Forschung Austria. Das Stimmungsbarometer zeigt einen Knick für das dritte Quartal, von Tiefstwerten wie zu Beginn der Corona-Pandemie ist man jedoch (aktuell) noch weit entfernt:
Handwerk steht besser da
Nun müssen bei der Konjunktur-Umfrage Gewerbe und Handwerk bzw. konsumnahe und investitionsgüternahe Branchen unterschieden werden. Die sogenannten konsumnahen Branchen umfassen unter anderem Mechatronik, Fahrzeugtechnik, Kunsthandwerke, Mode und Bekleidungstechnik, Gesundheitsberufe, Lebensmittelgewerbe und Friseur*innen. Dort steckt die Umsatzentwicklung nach Corona weiterhin im negativen Bereich fest: Im dritten Quartal 2022 konnten nur 20 Prozent der Betriebe ihre Umsätze steigern. Für 32 Prozent gab es Rückgänge, bei 48 Prozent stagnierten die Zahlen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass stagnierende Umsätze bei der aktuell hohen Inflationsrate reale Umsatzverluste nach sich ziehen. In Folge daraus verzeichnen also 80 Prozent der konsumnahen Branchen reale Umsatzverluste.
Aber wie sieht es mit den investitionsgüternahe Branchen (darunter z.B. das Baugewerbe, Sanitär-, Heizungs- und Lüftungstechnik, Elektro-, Gebäude-, Alarm- und Kommunikationstechnik und Chemisches Gewerbe und Denkmal-, Fassaden- und Gebäudereinigung) aus? Die Antwort: Besser.
Der durchschnittliche Auftragsbestand ist bei den investitionsgüternahe Branchen im Vergleich zum 3. Quartal 2021 um 9,4 Prozent gestiegen. Eine besonders hohe Steigerung des Auftragsbestandes konnten die Sanitär-, Heizungs-, Lüftungstechniker*innen mit einem Plus von 26,9 Prozent verzeichnen. Auch Maler*innen und Tapezierer*innen (plus 16,7 Prozent) und Kunststoffverarbeitende (plus 15 Prozent) konnten den Auftragsbestand gut steigern. Eine unterdurchschnittliche Steigerungen des Auftragsbestands fuhren jedoch Hafner*innen, Platten- und Fliesenleger*innen, Keramiker*innen (plus 2,3 Prozent), Holzbau (plus 2,6 Prozent) und das Baugewerbe (plus 3,4 Prozent, aber im Vorjahresquartal noch plus 17,7 Prozent) ein.
Das beherrschende Gefühl ist Machtlosigkeit. Die hohen Energiekosten ziehen vielen Betrieben den Boden weg.Renate Scheichelbauer-Schuster, Obfrau der Bundessparte Gewerbe und Handwerk in der WKO
Planbarkeit fehlt
Mit Blick auf Gewerbe und Handwerk streichen ungewöhnlich einheitliche Kommentare in der aktuellen Umfrage das Ausmaß an Verunsicherung hervor. Den überwiegend klein- und mittelständischen Unternehmen fehlt momentan die Planbarkeit: Wie hoch wird die Energierechnung 2023 ausfallen? Woher bekommt man noch Material; und wenn ja, zu welchem Preis? Viele Betriebe würden bereits kalkulieren, ab wann sie den Betrieb schließen müssen, um nicht dauerhaft in die Verlustzone zu rutschen oder sogar zahlungsunfähig zu werden. „Wir machen uns große Sorgen, dass viele still und ohne großes Aufsehen zusperren. Und einmal weg heißt: Für immer weg“, so Renate Scheichelbauer-Schuster, Obfrau der Bundessparte Gewerbe und Handwerk in der WKO.
Reinhard Kainz, Geschäftsführer der WKO-Sparte, ergänzt: „Der jüngst angekündigte Energiekostenzuschuss ist eine wichtige Unterstützung, aber er kann nur ein erster Schritt sein. Weitere Schritte zur Unterstützung der Betriebe sind unbedingt notwendig." Er weist zudem darauf hin, dass bestenfalls ein Drittel der faktischen Mehrkosten kompensiert werde und der Geltungszeitraum bisher nur den Zeitraum bis September 2022 abdecke. In vielen Betrieben sei die finanzielle Decke nach der Corona-Pandemie zu dünn, um die Kosten selbst zu stemmen. Dass sie diese nicht einfach weiterverrechnen können, sei auch an steigenden Insolvenzzahlen zu erkennen.
Mehr Aufträge durch die öffentliche Hand
„Wir brauchen europäische Notfallinstrumente, die die Strom- und Gaspreise dauerhaft runterbringen und unternehmerisches Handeln in Europa wieder möglich machen“, fordert Scheichelbauer-Schuster. Instrumente wie ein dauerhafter Verlustrücktrag und staatlich besicherte Kreditgarantien Instrumente sowie die Kurzarbeit hätten sich schon während der Corona-Pandemie bewährt.
Zudem appelliert Scheichelbauer-Schuster an die öffentliche Hand, die Krise nicht durch das Zurückhalten von Investitionen weiter zu verschärfen, sondern im Gegenteil gerade jetzt vermehrt Aufträge zu vergeben. „Wir haben im Gewerbe und Handwerk eine besonders enge Bindung zu unseren Mitarbeitenden. In Zeiten des Arbeitskräftemangels hat es für uns allerhöchste Priorität, unser Personal im Betrieb halten zu können“, so Scheichelbauer-Schuster. Die investitionsgüternahen Branche zeichnet sich übrigens bereits durch einen relativ hohen Anteil (25 Prozent) öffentlicher Aufträge am Gesamtauftragsbestand aus.