Natürliche Kältemittel für Wärmepumpen : „Nachfrage nach Propan steigt enorm“
Inhalt
- Hersteller fokussieren auf Propan als Kältemittel
- Welche natürlichen Kältemittel gibt es?
- Natürliche Kältemittel in der Praxis: Herausforderungen für Kältetechniker*innen
- Bösch Mozart: Von R32 zu Propan
- Natürliche Kältemittel in der F-Gase- und REACH-Verordnung
- Schlüsselfaktoren der zukünftigen Energieversorgung
Viele wollen daher auf Nummer sicher gehen und setzen nach dem Motto “dann ist das Thema für mich erledigt“ auf Propan.Markus Thielmann, bösch
Hersteller fokussieren auf Propan als Kältemittel
TGA: Natürliche Kältemittel werden zu einem großen Thema für den Wärmepumpenmarkt. Wie schätzen Sie ihren Stellenwert im Moment ein?
Markus Thielmann: Wir haben festgestellt, dass insbesondere bei luftgekühlten Geräten, also Außenaufstellung, die Nachfrage nach Propan seit dem letzten Jahr enorm gestiegen ist. Ich spreche dabei von meinem Bereich der Großkälte und Großwärmepumpen, das bedeutet größer als 40 kW. Für die gestiegene Nachfrage gibt es mehrere Gründe. Zum einen sind viele Lieferanten in der Lage, demnächst Geräte anzubieten, die Propan als Kältemittel haben. Zum anderen schafft die EU mit der F-Gase-Verordnung enorme Unsicherheit, weil diese nicht verabschiedet wird und die Kund*innen nicht mehr wissen, was sie tun sollen. Viele wollen daher auf Nummer sicher gehen und setzen nach dem Motto “dann ist das Thema für mich erledigt“ auf Propan.
Wie sieht es mit anderen natürlichen Kältemitteln, etwa Kohlendioxid aus?
Thielmann: Bei Kohlendioxid ist die hohe Drucklage eine große Herausforderung. Außerdem müssen bei unserem Wärmepumpen-Portfolio gewisse Kriterien erfüllt sein, damit eine Wärmepumpe mit Kohlenstoffdioxid zum Einsatz kommen kann. Es werden hohe Spreizungen zwischen Vor- und Rücklauf benötigt. Man braucht ein Minimum von 30 Kelvin. Da fällt fast jede Wärmpumpe bereits raus, weil ein Wert von 5 oder 7 eigentlich „Standard“ ist. Des Weiteren benötigt man ein großes Wasservolumen. Dies bedeutet, dass man mehrere oder große Puffer braucht. Das führt dazu, dass man bei der Planung mehr Platz berücksichtigen muss. Die Herausforderungen an die Hydraulik sind andere als bei herkömmlichen Wärmepumpensysteme. Hinzu kommt, dass die meisten Hersteller sich auf Propan eingestellt haben. Dementsprechend liegt der Fokus aktuell dort. Aber dort, wo die Kriterien erfüllt werden, leisten Wärmepumpen mit R744 einen effizienten und sicheren Dienst.
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Welche natürlichen Kältemittel gibt es?
Natürliche Kältemittel sind, wie ihr Name schon sagt, in der Natur zu finden. Dazu zählen zum Beispiel:
- Kohlendioxid (R744): Ist fast unbegrenzt vorhanden, nicht brennbar, wenig giftig und günstig. Erfordert als Kältemittel spezifische Anpassungen aufgrund seiner hohen Drucklage.
Anwendungsbereiche: Industriekälte, Gewerbekühlung, …
- Kohlenwasserstoffe, z.B. Propan (R290): Ist nicht giftig, nicht wassergefährdend und günstig. Erfordert besondere Vorkehrungen aufgrund seiner Brennbarkeit.
Anwendungsbereiche: Private und gewerbliche Anwendungen, …
- Wasser (R718): Ist CO2-neutral, ungiftig, nicht brennbar und leicht verfügbar. Aufgrund des geringen Dampfdrucks sind Turboverdichter nötig.
Anwendungsbereiche: Prozesskühlung, IT-Kühlung, …
- Ammoniak (R717): Ist energieeffizient, bedingt brennbar und günstig. Aufgrund seiner Toxizität erfordert der Umgang besondere Sicherheitsvorkehrungen.
Anwendungsbereiche: Industrielle Kältetechnik, …
Natürliche Kältemittel in der Praxis: Herausforderungen für Kältetechniker*innen
Gibt es weitere Challenges im Umgang mit natürlichen Kältemitteln, die noch nicht genug wahrgenommen werden?
Thielmann: Ich glaube das Thema Service wird ganz oft unterschätzt. Für bösch ist der Service ein ganz zentraler Baustein. Eine Challenge, die natürliche Kältemittel mit sich bringen, ist das Werkzeug. Wenn wir CO2 einsetzen, brauchen wir spezielles Werkzeug, was zum Beispiel das Manometer angeht. Die üblichen Kältemittel arbeiten bis knapp 42 Bar, dann kommt der Hochdruckschalter oder das Sicherheitsventil. Bei CO2 ist es anders, da kommt das Sicherheitsventil vielleicht bei 120 oder 140 Bar. Das ist eine ganz andere Herausforderung und bedeutet natürlich, dass spezielles Werkzeug erforderlich ist. Auch bei Propan ist das der Fall. Hier müssen beispielsweise ATEX-Richtlinien beachtet werden. Der Einsatz von falschem Werkzeug kann zu großen Problemen führen – für die Techniker*innen und für das Umfeld. Mit synthetischen Kältemitteln war das in der Vergangenheit deutlich einfacher.
Jemand, der noch nie mit Propan oder CO2 gearbeitet hat, hat enorme Hemmungen und fühlt sich unsicher.Markus Thielmann, bösch
Das richtige Werkzeug muss dann auch korrekt verwendet werden. Wie handhaben Sie die Schulung auf natürliche Kältemittel bei bösch?
Thielmann: Schulungen sind bei bösch ein ganz zentrales Thema. Ausgehend von der F-Gase-Verordnung dürfen Kältetechniker*innen, die diese Ausbildung durchlaufen haben, auch mit Propan und CO2 arbeiten, ohne zusätzlich Kurse zu belegen. Vereinfacht gesagt: Kältemittel ist gleich Kältemittel. Aber ich weiß aus eigener Erfahrung, dass das nicht so ist. Jemand, der noch nie mit Propan oder CO2 gearbeitet hat, hat enorme Hemmungen und fühlt sich unsicher. Wenn wir ein Produkt mit natürlichen Kältemitteln platzieren wollen, dann muss der Service so sicher wie möglich sein.
Wir haben im CO2-Bereich mit einer kleinen Auswahl an Techniker*innen gestartet. Alleine in Österreich haben wir weit über 230 Techniker*innen. Das bedeutet einerseits eine Investition in Werkzeug und Schulungen. Andererseits rechnen wir damit, dass Propan im großen Stil auf den Markt kommen wird. Darauf wollen wir uns vorbereiten, weil wir demnächst die ersten Geräte mit Propan anbieten wollen. Aktuell prüfen wir intern, wie wir das am besten umsetzen. Eine theoretische Schulung ist zwar gut, aber um den Kollege*innn wirklich Sicherheit im Umgang mit diesen Kältemittel zu geben, braucht es eine praktische Schulung.
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Eine Umstellung auf Propan ist als Hersteller alles andere als einfach und häufig mit hohen Investitionen verbunden.Markus Thielmann, bösch
Bösch Mozart: Von R32 zu Propan
Wenn wir auf das aktuelle Portfolio an Wärmepumpen von bösch schauen: Sie arbeiten bei eigenen Modellen wie der bösch MOZART mit R32. Warum genau dieses Kältemittel?
Thielmann: Die Mozart ist ein großartiges Produkt. Das soll jetzt keine Werbung sein, sondern wirklich rein aus technischer Sicht. Warum gerade R32 und nicht Propan, woher kommt das? Neben den deutlich einfacheren Aufstellungsbedingungen war es anfangs nicht möglich, dass gesamte Portfolio von 4 bis 20 kW auf Propan umzustellen. Eine Umstellung auf Propan ist als Hersteller alles andere als einfach und häufig mit hohen Investitionen verbunden – das betrifft die Entwicklung, Umbau der Produktionslinien, etc. Das Kältemittel muss eingefüllt werden, Testläufe und Dichtheitsprüfungen durchgeführt werden. Propan hat komplett andere Eigenschaften als zum Beispiel R410A oder R32.
Wir arbeiten aktuell mit unserem Lieferanten daran, die Produkte auf Propan umzustellen und in unsere Gesamtlösungen zu integrieren. Zum einen, weil es die aktuelle Situation durch die F-Gase-Verordnung erfordert, und zum anderen auch im Hinblick auf den Klimaschutz. Wir hätten die Mozart auch mit R410A bringen und dann auf R290 umstellen können. Das wollten wir nicht, weil R32 viel umweltverträglicher ist als R410A. Ein Gerät mit R32 bekommt außerdem eine viel bessere Förderung.
Ich schätze, dass eine innen aufgestellte Maschine mit Propan das Doppelte, bis Dreifache von dem kostet, was bisher eine R410A-Anlage gekostet hat.Markus Thielmann, bösch
Natürliche Kältemittel in der F-Gase- und REACH-Verordnung
Sie haben es bereits erwähnt, sowohl die F-Gase- als auch die REACH-Verordnung werden aktuell überarbeitet. Worauf sollte sich die Branche einstellen?
Thielmann: Das sind aktuell zwei absolut gigantische Themen. Der Knackpunkt dabei ist, dass die die F-Gase-Verordnung und die REACH-Verordnung miteinander verknüpft sind. Ein gutes Beispiel ist R32. R32 gibt es in sehr großen Mengen am Markt. Es wird auch nach wie vor in großen Mengen am Markt eingeführt. Wenn man sich die neue F-Gase-Verordnung oder auch den IPCC-Bericht AR6 ansieht, dann hat R32 einen GWP von 771. Die neue F-Gase-Verordnung will in Richtung Low-GWP gehen. Dafür sind die 771 aber zu hoch. R32 würde wahrscheinlich rausfallen. Aber, wenn man sich die REACH-Verordnung in Bezug auf PFAS ansieht, dann hat R32 keine PFAS. Genau da liegt das Problem. Momentan lässt leider nicht vorhersagen, in welche Richtung sich diese großen Themen bewegen. Derzeit warten alle darauf, dass die Überarbeitung der F-Gase Verordnung verabschiedet wird. Bis dahin herrscht leider Ungewissheit und Unsicherheit.
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Sie sehen also noch Verbesserungspotential bei den beiden EU-Normen in Hinblick auf natürliche Kältemittel?
Thielmann: Ja. Es gibt Bereiche, in denen natürliche Kältemittel zum Problem werden können. Denken wir an die Innenaufstellung, wo das Gerät in einem geschlossenen Raum im Gebäude steht. Bei Propan ist die große Herausforderung, dafür zu sorgen, dass wenn Kältemittel austritt, nichts passiert. Es braucht also ein gewisses Raumvolumen. Es benötigt auf jeden Fall etwas, das die Kältemittelkonzentration erkennt. Es braucht eine Regelung, die darauf reagiert. Das sind alles Kosten. Ich schätze, dass eine innen aufgestellte Maschine mit Propan das Doppelte, bis Dreifache von dem kostet, was bisher eine R410A-Anlage gekostet hat. In gewisser Weise hinkt dieser Vergleich aber, da R410A und Propan verschiedene Klassifizierungen haben und der Mehrpreis nicht unbegründet ist. Da man aber R410A durch Propan ersetzen möchte, muss der Punkt „Kosten“ doch berücksichtigt werden.
Die Politik stellt es aktuell so dar, als sei das alles kein Problem. So sehe ich das nicht. Es gibt auch Bereiche, in denen man gar keine brennbaren Kältemittel oder explosionsfähige Geräte aufstellen darf. Aber genau bei diesen Aufstellungsbedingungen liegt das Thema. Ich würde mir wünschen, dass wir eine F-Gase-Verordnung bekommen, in der beides möglich ist: Dass man nach bestem Wissen und Gewissen versucht, natürliche Kältemittel einzusetzen, und dass es für Bereiche, wo es technisch nicht möglich oder wirtschaftlich unrentabel ist, eine Alternative gibt.
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