Aus TGA 5: Normen und Rechte : Bestandsverbesserung im Wohnbau: Ein heikles Thema in der Praxis

Wooden houses and paragraph figurine with judge hammer. Litigation in housing and real estate disputes. Norms and rules for construction, maintenance. Encouraging green and energy-saving technologies
© Andrii Yalanskyi - stock.adobe.com

Praxis und Rechtsprechung zu diesen Fragen sind seit langem viel diskutierte Thematik. Aufgrund des komplexen Zusammenspiels zwischen Baurecht und Zivilrecht gibt es in der Regel keine Standard-Antwort.

Baurecht als Ausgangsbasis

Die rechtliche Ausgangsbasis für die Betrachtung des Bestandsschutzes von Gebäuden beim vorbeugenden Brandschutz bildet das Baurecht, das prinzipiell auf den Personen- und nicht auf den Objektschutz abzielt. Seit der Übernahme der OIB-Richtlinien in die Ländergesetzgebung gibt es nicht nur eine einheitliche baurechtliche Betrachtungsweise in ganz Österreich, sondern ab der Ausgabe April 2019 auch erstmals explizit eine Beschäftigung mit dem Thema Bauführungen im Bestand. Das Thema zieht sich durch alle Richtlinien konsequent durch, auch durch die OIB RL-2, welche die zentrale Basis für den vorbeugenden Brandschutz darstellt. Hier wird im Pkt. 12 explizit auf die Bauführungen im Bestand Bezug genommen:

„Bei Änderungen an bestehenden Bauwerken mit Auswirkungen auf bestehende Bauwerksteile sind für die bestehenden Bauwerksteile Abweichungen von den aktuellen Anforderungen dieser OIB-Richtlinie zulässig, wenn das ursprüngliche Anforderungsniveau des rechtmäßigen Bestandes nicht verschlechtert wird.“

Der Begriff „Bauen im Bestand“ umfasst alle Bauten, die rechtmäßig bestehen, d. h. also entweder eine Benützungsbewilligung erhalten haben oder konsensmäßig errichtet wurden. Das setzt einen konsensgemäßen Zustand der bestehenden Bauten voraus. In der Praxis bedeutet das, die im Baubescheid bzw. Baubewilligung und einem allfällig darin verbindlich erklärten Brandschutzkonzept enthaltenen brandschutztechnischen Anforderungen bzw. Ausführungen sind in bauordnungsgemäßem Zustand zu erhalten. Solange also das Bauwerk in Verwendung ist, müssen diese technischen Anlagen auf dem damaligen Stand instand gehalten werden und die Funktionstüchtigkeit muss gewährleistet sein. Eine Nachrüstung ist nicht notwendig.

TGA-Hefte übereinander liegend.

TGA E-Paper

Jetzt downloaden

Ausnahmefälle

Es gibt allerdings landesspezifische Ausnahmen bzw. Anforderungen, bei denen das Baugesetz Nachrüstungen vorschreibt: Zum Beispiel schreibt die Stadt Wien das nachträgliche Verputzen freistehender Feuermauern, auch wenn diese nur vorübergehend oder teilweise ungedeckt bleiben, in der Bauordnung vor. Das Land OÖ dagegen hat eine ausdrückliche Verpflichtung zur nachträglichen Wärmedämmung der obersten Geschoßdecke oder des Daches von Gebäuden in bestimmten Fällen (§ 38 Oö. Bautechnikgesetz 2013). Solche Ausnahmen finden sich querbeet durch ganz Österreich in allen Bundesländern.

Generell gibt es allerdings bei Wohngebäuden bei bestehenden Häusern keine Nachrüstungsverpflichtung (z. B. müssen, mit Ausnahme in Kärnten (vgl. Artikel V, Abs. 8 der Übergangsbestimmungen der Kärntner Bauordnung RIS – Kärntner Bauordnung 1996 – K-BO 1996 – Landesrecht konsolidiert Kärnten, Fassung vom 14.03.2022 (bka.gv.at) sowie § 32 Abs. 3a der Kärntner Gefahrenpolizei- und Feuerpolizeiordnung RIS – Kärntner Gefahrenpolizei- und Feuerpolizeiordnung, K-GFPO – Landesrecht konsolidiert Kärnten, Fassung vom 14.03.2022 (bka. gv.at)), keine Rauchwarnmelder in bestehenden Wohnhäusern nachgerüstet werden – das bleibt in der Eigenverantwortung). Nur bei Nutzungsänderungen ist Vorsicht geboten, da sich daraus Verpflichtungen ergeben können (z. B. Aufstockung eines Wohnhauses und sich daraufhin verändernde Fluchtwegsituation, die zu einer notwendigen Erweiterung des Treppenhauses führen kann).

Zivilrechtliche Ergänzung

Neben den baurechtlichen Fragen birgt das Thema eine nicht zu unterschätzende haftungs- und schadenersatzrechtliche Dimension für Gebäudeeigentümer*innen, denn im Zivilrecht besteht kein genereller Bestandsschutz. Im Gegenteil: Es gibt allgemeine Verkehrssicherungspflichten bzw. spezielle Verpflichtungen aus der Bauwerkehaftung der Eigentümer*innen/Halter*innen eines Gebäudes, die ihn zur zuständigen Kontrolle des Gebäudezustands und der Gebäudesicherheit im weiteren Sinn verpflichten. Beispielhaft aus einem entsprechenden Urteil des OGH:

„Den Hauseigentümer kann eine einmal erteilte Benützungsbewilligung nicht für allemal entschuldigen, sondern hat er die bauliche Sicherheit laufend zu überprüfen und die Baulichkeiten dem Ergebnis der Kontrolle entsprechend einwandfrei instand zu setzen und ganz allgemein den für die körperliche Sicherheit der Gäste – bzw. Bewohner – maßgeblichen, nach einschlägigen Gesetzen und anderen Vorschriften, aber auch nach dem jeweiligen Stand der Technik geltenden Mindeststandard durch ihm zumutbare Verbesserungsarbeiten einzuhalten. Dieser Mindeststandard ist herzustellen, sofern die Vorschriften die Sicherheitsanforderungen verschärfen.“
(OGH, l Ob 39 /08d.)

Viele Eigentümer*innen von Wohnbauten sind sich ihrer Pflichten (aus denen sich gegebenenfalls eine Nachrüstung auf den Stand der Technik ergeben kann) und Haftungsrisiken nicht bewusst. Die Verkehrssicherungspflichten sind nach der Judikatur des OGH dann eingehalten, wenn dem nach dem jeweiligen Stand der Technik geltenden Standard durch zumutbare Instandhaltungs- und Verbesserungsarbeiten entsprochen wird. Der jeweilige Stand der Technik wird vom OGH bei der Konkretisierung von Sorgfaltspflichten als zu gewährleistender Mindeststandard verlangt. Daraus würde aber eine Pflicht der Eigentümer*innen zur laufenden Adaptierung an aktuelle Sicherheitsstandards resultieren.

Tipp der Redaktion: Weitere Vertiefungen zum Thema Recht & Normen lesen Sie hier.

Diese strenge Adaptierungspflicht wird daher auf diese Fälle eingeschränkt, in denen zusätzlich ein Baugebrechen, ein Mangel oder eine sonstige Reparaturbedürftigkeit des Gebäudeteils vorliegt, die eine Gefahr für die Verkehrssicherheit darstellen. Grundsätzlich ist im Zivilrecht daher keine allgemein gültige Aussage zum Bestandsschutz bzw. zur Nachrüstungspflicht möglich, sondern immer eine individuelle Betrachtung jedes einzelnen Falles im Hinblick auf die Zumutbarkeit einer Maßnahme hinsichtlich der Gefahrengeneigtheit notwendig. Oft sehen sich Eigentümer*innen daraus resultierend in einem Spannungsfeld zwischen dem Wissen, dass die Erhaltung des baurechtlichen Konsenses zu wenig ist, um allfällige Haftungsrisiken abzuwehren, und der Problematik, dass eine Ertüchtigung auf den aktuellen Stand der Technik wirtschaftlich nicht darstellbar und/ oder weitgehend technisch auch nicht umsetzbar ist.

Individuelle Gefahrenevaluierung und zweckmäßiges Maßnahmenpaket

Vor dem Hintergrund der zivilrechtlichen Haftungsthematik ist es nicht ausreichend, ein Gebäude nur auf dem baurechtlichen Konsens zu halten. Aus Sicht von Gebäudeeigentümer*innen ist daher eine individuelle Gefahrenevaluierung und Risikobewertung sinnvoll. Das IBS Technisches Büro erstellt ein auf das Objekt zugeschnittenes, brandschutztechnisches Gesamtpaket (in Anlehnung an Pkt. 13.12 der KSB Erläuterungen bzw. Pkt. 4. der KSB Bildungsrichtlinie), welches auf Basis der Risikobewertung in Abstimmung mit den Kund*innen gereihte, vordringlich durchzuführende Maßnahmen enthält, um eine möglichst große Wirkung auf das brandschutztechnische Schutzniveau zu erreichen. Die Lösungen werden unter den Gesichtspunkten der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit sowie Zweckmäßigkeit beurteilt und ermöglichen eine stufenweise Umsetzung über die nächsten Jahre. Somit kann der Bestand auch bei bescheidenen Rücklagen im Laufe der Zeit substanziell verbessert werden, Eigentümer*innen kommen ihrer Sorgfaltspflicht nach und reduzieren ihre (Haftungs-)Risiken.

www.ibs-tb.at