Meinung : F-Gase-Verordnung: Die EU geht von falschen Werten aus

TGA: Wenn ich mich am Markt umhöre, bei Herstellern und Ausführenden: So richtig große Freude mit Propan haben die wenigsten, oder?

Richard Freimüller: Ja, der Eindruck stimmt. Es ist viel Unsicherheit da, wie man die Risiken des Umstiegs auf Propan als Kältemittel minimiert. Propan hat fast kein GWP, aber es ist nun mal explosiv und brennbar.

Wie ist die Position des Wärmpumpenverbands dazu?

Freimüller: Wir haben die aus unserer Sicht zu rasche Änderung bekämpft und den Umstieg auch hinausschieben können. Ich bin mit Abgeordneten im Gespräch und versuche sie zu überzeugen, dass es nach 2027 – denn wie es dann genau weitergeht ist noch nicht fix – nicht so rasch zu einem Ende der synthetischen Kältemittel kommt, wie es jetzt angedacht ist. Die Idee ist ja an sich gut, dass wir auf Kältemittel setzen, die möglichst wenig Umweltbelastung haben. Nur was dabei vergessen wird: Das Kältemittel bleibt ja im Gerät! Das verschwindet nicht in der Atmosphäre, wenn keine Leckage entsteht, sondern wird am Ende der Lebenszeit einer Wärmepumpe evakuiert. Das heißt, es wird abgesaugt, recycelt, weiterverwendet oder entsorgt. 

Wie hoch ist die Leckage-Rate in der Praxis?

Freimüller: Es gibt eine Studie des Kälteverbands in Deutschland, der von einem bis maximal zwei Prozent Schwund ausgeht. Aber das ist bloß eine Studie, konkrete Werte hat noch niemand erheben können.

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Richard Freimüller
Richard Freimüller, Wärmepumpe Austria: „Wir brauchen deutlich längere Fristen beim Auslaufen der synthetischen Kältemittel.“ - © WPA
Weil es keine empirischen Werte gibt, müssen Default-Werte angenommen werden. Und die liegen irrational hoch.

Längere Fristen als Lösungsvorschlag

Wie kommt dann die EU zu der hohen Priorität für das Verbot von Kältemitteln mit hohem GWP?

Freimüller: Weil es keine empirischen Werte gibt, müssen Default-Werte angenommen werden. Und die liegen irrational hoch. Aufgrund von Annahmen, die niemand nachvollziehen kann, glaubt man, dass in 15 Betriebsjahren einer Wärmepumpe 60 Prozent des Kältemittels in die Atmosphäre gelangen.

Dann würde ja kein Gerät mehr funktionieren …

Freimüller: … genau, und außerdem hätte sich die Wärmepumpen-Branche längst aufgelöst, wenn das auch nur annähernd so wäre. Aber aufgrund dieser irrtümlichen Annahmen kam es zu diesem viel zu raschen Ausstiegsplan laut F-Gase-Verordnung.

Was wäre Ihr Lösungsvorschlag?

Freimüller: Deutlich längere Fristen beim Auslaufen der synthetischen Kältemittel. Das würde vor allem bei größeren Wärmepumpen helfen. Wir haben das statistisch erhoben: Bei Geräten unter 10 kW liegt der Anteil an Propan-Maschinen bei 13 Prozent, 38 Prozent setzen mittlerweile auf R32, und knapp 50 Prozent noch auf das auslaufende Kältemittel 410a. Bei 10-20 kW-Geräten habe ich schon 66 Prozent 410a, und ganz dramatisch wird es bei 20-50 kW: Da liegt der 410a-Anteil bei 83 Prozent, und der von Propan bei 3 Prozent. Das größte Problem liegt also in den großen Wärmepumpen, und die brauchen wir dringend, wenn wir die Wärmewende schaffen wollen.

Mittelfristig, also in spätestens drei, vier Jahren, wird sich die Wärmepumpe endgültig durchsetzen. Es gibt keine Alternative zu dieser Technologie.

Brennbare Kältemittel vs. Erdgas

Wären überhaupt genug Kältemittel und genug Komponenten am Markt, um den Maschinenpark zeitnah umzurüsten?

Freimüller: Meiner Ansicht nach nicht. Vor allem die Komponenten fehlen: Es dauert Jahre, bis ein Kompressor so weit entwickelt ist, dass er mit allen Sicherheitsprüfungen serienreif ist. 

Bei den Installateur*innen höre ich ebenfalls die gesamte Bandbreite, von „Propan greife ich nicht an“ bis „ja, klar mache ich das“.

Freimüller: Ja, das höre ich auch so. Ich halte derzeit Vorträge vor hunderten Installateuren zu dem Thema, ich kann denen genau sagen, was sie tun müssen und warum die Aufstellungsvorschriften so sind wie sie sind – aber was ich ihnen nicht abnehmen kann, ist die Endverantwortung als Ausführender. 

Wie oft passiert denn etwas mit brennbaren Kältemitteln? Mir ist es bisher nicht gelungen, konkreten Fällen auf die Spur zu kommen, da geht’s viel um Gerüchte.

Freimüller: Ich kenne in den letzten 30 Jahren konkret einen einzigen Fall in Österreich, bei dem ein Außendiensttechniker Verbrennungen davongetragen hat. Da ging es um einen Hersteller und ein System, den es nicht mehr gibt. Auf der anderen Seite habe ich Erdgas, wo jedes Jahr etliche Menschen bei CO-Unfällen sterben – wobei ich bis heute nicht verstehe, warum Raumluft-abhängige Gasgeräte noch nicht verboten sind –, und auch Explosionen gibt es immer wieder. Das wird aus irgendeinem Grund viel leichter abgeschüttelt.

Jetzt ist die Wärmepumpe seit 2022 die Heiztechnologie Nr. 1: Ist die Spitzenposition durch die F-Gase-Verordnung gefährdet?

Freimüller: Ich rechne mit einer Durststrecke, auch weil angesichts der Nationalratswahlen wenige Parteien den Klimawandel im Fokus haben. Mittelfristig, also in spätestens drei, vier Jahren, wird sich die Wärmepumpe endgültig durchsetzen. Es gibt keine Alternative zu dieser Technologie.