Aus- und Weiterbildung : Über ein Berufsbild der Zukunft

Lukas M.

Lukas M. im Gespräch über sein letztes Großprojekt

- © ATP / Rauschmeir

Gänsehaut auf der tätowierten Haut: Als Lukas M. 2021 mit seiner Freundin die ersten Schritte als Besucher ins Erlebniszentrum ALEJA im slowenischen Ljubljana setzt, ist es eigentlich mehr ein Schreiten als ein Schlendern. Es sind die unzähligen Erinnerungen und Eindrücke, die der wohl auf lange Sicht letzte Shopping Center-Neubau bei ihm hinterlassen hat, die plötzlich wieder ganz präsent sind.

Die ersten Berührungspunkte mit dem von ATP Innsbruck geplanten „Ungeheuer“, dessen Architektur die Drachenlegende von Ljubljana interpretiert, hatte der Tiroler HTL-Absolvent 2017. Damals kontrollierte er noch als Leiharbeiter mit Lineal bewaffnet die ellenlange, in Arial-10-gedruckte Ausschreibungsliste. 2018 erhielt er eine Fixanstellung. Schon ein Jahr später legte er mit der Zusage, als Fachbauleiter die Verantwortung für die Heizungs-, Klima-, Lüftungs- und Sanitäranlagen für das Mega-Projekt ALEJA zu übernehmen, das Fundament für eine vielversprechende Ingenieurs-Karriere im Bereich der technischen Gebäudeausrüstung bei ATP.

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Im Sicherheitsnetz des integralen Teams

„Dass Lukas das durchgezogen hat, ist herausragend“ – Daniel A., Gruppenleiter HKLS weiß selbst, wie wertvoll es ist, Vertrauen vom Vorgesetzten zu bekommen und im richtigen Maß gefördert zu werden. „Es ist ein schmaler Grat, zwischen zu viel und zu wenig Verantwortung. Man braucht schon ein Gespür dafür“, ist er überzeugt. Aber gute Führung bedeute eben auch, abgeben zu können und andere an ihren Aufgaben wachsen zu sehen. Dabei eine große, lernende Organisation hinter sich zu wissen, sei ein enormer Vorteil.

„Mit einer Unternehmensgröße von 1.000+ Architekt*innen und Ingenieur*innen gibt es bei uns zu allen Themen Expert*innen. Es ist uns ein echtes Anliegen, neue Mitarbeitende fachlich wie menschlich bestmöglich in dieses Netzwerk zu integrieren. Mit dieser Sicherheit – nämlich nicht nur für die eigene, sondern für alle Disziplinen, kann man relativ früh Verantwortung für die hochkomplexen Projekte übernehmen, mit denen wir es als Europas größtes Integrales Planungsbüro zu tun haben. Weil wir eben im Team denken“, sagt Daniel.

„Ob mit oder ohne akademische Titel – die Leute, die zu uns kommen, wissen, dass sie bei uns vor allem eines erhalten: Eine wunderbare Praxis-Ausbildung“, berichtet Peter O., Gruppenleiter HKLS und an der Schwelle zur Pension. Durch seine Begeisterung dafür, Wissen zu teilen, hat er neben Daniel schon einige Nachwuchstalente aus den eigenen Reihen heraus generiert. „Junge HTL-Absolvent*innen laufen bei uns in der Regel drei Jahre im Projektteam mit. Das beginnt mit einfachen Zeichnungen in Revit (Building Information Modeling), kleineren, isolierten Rechen- und Dimensionierungsaufgaben, und Unterstützungsleistungen im Bereich der Ausschreibungen und Abrechnungen.“

Im Schnitt bearbeiten TGA-Ingenieur*innen zwei bis drei Projekte gleichzeitig. Eines in der Planung, eines in der Ausschreibung und eines in der Ausführung. „Je nach Projektsituation oder Herausforderung kristallisiert sich nach dieser Lernphase heraus, ob sich jemand eher in Richtung Projektleiter*in oder in Richtung Fachexpert*in entwickeln möchte“, sagt Peter.

>> Lesen Sie hier: ATP gewinnt Wettbewerb für nachhaltiges Forschungsgebäude

Stadtteil- und Shoppingzentrum ALEJA in Ljubljana, von ATP integral mit BIM geplant.

- © ATP/Pierer

Ein Berufsbild mit tausend Facetten

„Man braucht schon ein bisschen Glück – aber wenn man bei innovativen Projekten dabei sein will, dann darf man sich auch vor den Aufgaben außerhalb des Büroalltags nicht verstecken“, sagt Daniel. Gefragt, wie ein typischer Tag eines TGA-Ingenieurs nun tatsächlich aussieht, erzählt er: „Wenn man sich vergegenwärtigt, dass wir als TGA-Ingenieure ab Stunde 0 eines Projektes mit dabei sind, und im Gegensatz zur Architektur ohne Schnittstellen arbeiten – d. h. selbst planen, selbst ausschreiben, selbst ausführen, selbst abrechnen – dann kann man sich vorstellen, wie breit die Palette an unterschiedlichen Tätigkeiten an einem Arbeitstag ist.“

In seinem Team aus zehn bis fünfzehn Ingenieur*innen gebe es dementsprechend auch die unterschiedlichsten Typen und Talente. „Da gibt es den einen, der wunderbar modelliert, einen anderen, der gerne rechnet und eben jene, die wie Lukas strategisch denken, hervorragend kommunizieren und koordinieren. Was sie alle eint, sind die Grundlagen aus Mathematik und Physik und die Begeisterung dafür, ein Projekt wachsen zu sehen.“ Wo auch immer die Talente des Einzelnen liegen mögen, diese zu erkennen und entsprechend zu fördern, sei die große Führungsaufgabe eines Gruppenleiters und mit der richtigen Handhabe ein enormer Gewinn für das Unternehmen und den Mitarbeitenden selbst.

So war es auch bei Lukas. Schon in seiner ersten Anstellung nach der Schule bei einem Konstrukteur habe er erkannt: „Ich bin mehr der Team-Player“. Als er zu ATP wechselte war sein Einstieg geprägt von vielen Fragen „Worauf muss ich schauen, welche Normen muss ich berücksichtigen, wo muss ich mich mit den anderen Fachbereichen abstimmen, was habe ich zu liefern und was muss ich abfragen.“ Anfangs habe er nur zugehört. „Ich bin nicht schüchtern, aber die peinlichen Momente versuche ich eher auszulassen“. Schon immer war es sein Ansatz genau zu beobachten und zu hinterfragen, warum jemand etwas tut. „Es gibt hier viele Menschen wie Peter und Daniel, die ein irres technisches Wissen haben. An ihnen bin ich mit meinem kleinen Haustechnikwissen aus der HTL gewachsen. Ich wusste, ohne die Zusammenhänge zu verstehen, würde ich keine Chance haben, die komplexen Aufgaben eines Projektleiters irgendwann allein zu meistern“.

Gerade auf der Baustelle ist der beste Rat, auf die Menschen zuzugehen, wenn sich irgendwo ein Problem anzubahnen droht, statt sich zu verstecken und zu warten, bis es aufpoppt.
Lukas M.

Peter und Daniel hätten ihn immer wieder auf Baustellen und zu Planungs- und Bauherrenbesprechungen mitgenommen. „Daraus habe ich langsam ein Gefühl entwickelt, um welche Dinge es sich dreht.“ Als sich ihm dann die große Chance bot, vor Ort als Fachbauleiter HKLS den Drachen ALEJA „zum Leben zu erwecken“, war er trotz seines jungen Alters darauf vorbereitet.

„Ich war für die Haustechnik der öffentlichen Bereiche verantwortlich“, erzählt Lukas, „und dabei für Dach, Außenanlagen und die Tiefgarage zuständig, während Daniel sich in erster Linie um die 80 Shop-Partner mit ihren individuellen Wünschen und Anforderungen gekümmert hat.“ In dieser Funktion musste Lukas – auch weil im unteren Bereich des Gebäudes wenig mit Fertigteilen gearbeitet wurde – etwa 2.000 Kernbohrungen planen, mit der ausführenden Baufirma kommunizieren und letztendlich freigeben lassen. Der Planungsaufwand, etliche Besprechungen und Koordinationen schleiften sein kommunikatives Geschick.

Mit den zahllosen Projektbeteiligten von den Bauherrenvertreter*innen, über die Architekt*innen, dem Team der örtlichen Bauaufsicht bis hin zu den Vertreter*innen der Baufirma und den ausführenden Firmen der einzelnen Gewerke sprach er auf Englisch, auf Deutsch und manches Mal auch mit Händen und Füßen. „Ich habe den Drang, mich immer rückversichern zu wollen, dass mich mein Gegenüber auch zu 100 Prozent verstanden hat. Gerade auf der Baustelle ist der beste Rat, auf die Menschen zuzugehen, wenn sich irgendwo ein Problem anzubahnen droht, statt sich zu verstecken und zu warten, bis es aufpoppt. Dieser Zugang hat mir bei ALEJA sehr geholfen“, formuliert Lukas die Herausforderung.

ALEJAs Innenraum zitiert den urban-poetischen Charme der Altstadt von Ljubljana.
ALEJAs Innenraum zitiert den urban-poetischen Charme der Altstadt von Ljubljana. - © ATP/Pierer
Ohne BIM hätten sich die Projektzeiten bei ALEJA mindestens verdreifacht.
Lukas M.

Digitale Planungsmethoden – eine gemeinsame Sprache

Als besonders effizient für das gegenseitige Verständnis der zahllosen Beteiligten hat sich die Arbeit mit Building Information Modelling, kurz BIM herausgestellt. „Ohne BIM hätten sich die Projektzeiten bei ALEJA mindestens verdreifacht“, spricht Lukas über das für ihn längst unverzichtbare Planungstool, in dem alle architektonischen, technischen, physikalischen und funktionalen Eigenschaften eines Bauwerks zentral erfasst, aktualisiert und dokumentiert werden. „Durch kompetente BIM-Koordination können wir übliche Informationsverluste und Missverständnisse an Schnittstellen vermeiden“, so Lukas.

„Wo immer es vor Ort Unsicherheiten bezüglich der Anordnung von Kanälen, Schächten, Leitungen oder Anschlüssen gab, konnten wir anhand des Modells rasche und unkomplizierte Entscheidungen treffen“, erklärt er die Vorteile einfacher Anwendungsfälle wie beispielsweise einer Kollisionsprüfung. „Junge Ingenieur*innen wie Lukas brennen für digitale Planungsmethoden“, weiß Daniel. „Ihnen ist klar, dass BIM in Zukunft noch große Veränderungen mit sich bringen wird und sie diejenigen sein werden, die weitere Anwendungsfälle eruieren werden. Wir bereiten das Feld dazu und schulen sie von Anfang an auf der Basis unserer eigenen Erfahrungen aus über zehn Jahren Pionierarbeit in der Erstellung von 'digitalen Zwillingen'.“

Wenn aus Begeisterung für eine Sache kein Job, sondern eine Erfahrung wird

Die Dynamik in der Entwicklung und der wertschätzende Umgang mit Wissen sei in integral geführten Büros schon immer einzigartig, berichtet Peter. Lukas genießt das sehr. Die hauseigene Academy steht allen Mitarbeitenden zur Verfügung. Dort wird nicht nur Fach- und Toolwissen gelehrt, geteilt und intensiviert; es wird auch Wert auf nicht fachspezifische Aus- und Weiterbildung, insbesondere in den Bereichen Führungskompetenz und soziale Arbeitskonzepte gelegt.

Neben dem Austausch unter mehr als 1.000 Expert*innen, bieten sich engagierten Architekt*innen und Ingenieur*innen wie Lukas bei ATP überdies konzentrierte Entwicklungsprogramme mit unterschiedlichen Zielsetzungen. Das ist zum einen das New Leaders-Programm für zukünftige Führungskräfte auf Gruppenleiterebene und zum anderen das High Potentials-Programm, das hochqualifizierte Talente auch ohne Führungswunsch entsprechend fördert. Davon abgesehen könnten die Möglichkeiten für Job Rotation innerhalb des Unternehmens mit zehn Standorten in Europa, mit Consulting- und Sonderplanungsgesellschaften sowie eigenen Forschungsgesellschaften für innovative TGA, Bauphysik und Nachhaltiges Bauen vielfältiger nicht sein.

>> Lesen Sie hier: Was ein nachhaltiges Gebäude ausmacht

Wohin die Reise auch geht, Lukas ist sicher, dass er auf das richtige Pferd gesetzt hat, als er sich für das Berufsbild des TGA-Ingenieurs entschieden hat: „Ich bin jeden Tag mit spannenden, neuen Aufgaben konfrontiert. Manchmal allein, manchmal im Team, manchmal sind sie technischer Art, manchmal geht es um die Kosten: Die Prioritäten sind immer anderswo. Das macht es so interessant und herausfordernd zugleich. Diese Vielfalt und die Möglichkeit, spannende Projekte von der Planung bis hin zur Ausführung zu begleiten möchte ich durch nichts eintauschen!“.

Von der Herausforderung zum Erfolg

Auf der Rückfahrt seines Shopping-Trips wird Lukas noch einmal nachdenklich. Die Strecke zwischen Ljubljana und Innsbruck kennt er – inklusive aller Radargeräte – im Schlaf. Mit teilweise drei oder mehr Übernachtungen pro Woche war es eine spannende, aber auch eine herausfordernde Zeit. Der starke Teamgeist, das Durchhaltevermögen und der gemeinsame feste Wille, etwas Besonderes entstehen zu lassen, haben dazu geführt, dass er und das ganze Projektteam eine Menge an verschieden gelagerten Aufgaben, in Relation zur Größe des Projektes, in kurzer Zeit strukturiert vorantreiben konnte. Diesen Erfolg kann Lukas heute niemand mehr nehmen.