Aus TGA 3: Praxis eines Sachverständigen : Wenn Routinedenken vor dem Richter landet

Recht & Normen, Paragraph Hand
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Die Versorgung mit Kalt- und Warmwasser ist wenig aufregender Standard-Teil jeder Hausinstallation. Sollte man zumindest meinen. In der Praxis eines Sachverständigen aus dem Heizungs- und Sanitärfach nimmt sie jedoch eine nicht zu unterschätzende Rolle ein. Das lässt darauf schließen, dass diesem Fachgebiet mitunter nicht das Maß an Aufmerksamkeit geschenkt wird, das für klaglose Funktion der zugehörigen Anlagen notwendig wäre. Dies sowohl von Planer*innen als auch Ausführenden. Das ist kein Vorwurf, sondern lediglich ein Anstoß, genauer hinzuschauen. Dazu drei Beispiele aus der Gerichtspraxis.

Das Wohnhaus für gehobene Ansprüche

Langjährig tätige Sachverständige wissen, dass eigene Erfahrungen nicht vorschnell zur Beurteilung noch nicht gründlich studierter Sachverhalte herangezogen werden dürfen. Aber Lebenserfahrungen sollte man nicht von vornherein ignorieren. Eine davon besagt, dass gerade in außergewöhnlichen Bauten ganz banale und daher umso ärgerlichere Probleme aufzutreten pflegen. So auch hier. Das stattliche und weitläufige Gebäude in wunderbarer Lage weist abgesehen von etlichen anderen Besonderheiten allein im Obergeschoß für Familie und Gäste vier Badezimmer auf.

Familie und Gäste pflegten erwartungsgemäß denselben Tagesrhythmus einzuhalten und benutzten daher auch die Badezimmer einigermaßen synchron. Einer der im Zuge eines Gerichtsverfahrens zwischen Installateur und Bauherrschaft beanstandeten Mängel war die Tatsache, dass es bei fast gleichzeitiger Benutzung der Duschen in den Badezimmern zu unangenehmen Temperatur- oder Mengenschwankungen kommen würde. Wer unter der Dusche steht, empfindet solche überraschenden Änderungen von Temperatur oder Menge als einschneidenden Komfortverlust und ist davon nicht angetan.

Dem ausführenden Installationsunternehmen war rein technisch gesehen nichts vorzuwerfen. Es hatte sich – soweit im Nachhinein prüfbar – in Dimensionierung und Leitungsführung genau an die Vorgaben des Planungsbüros gehalten. Der Planer wiederum hatte in der Auslegung des Leitungsnetzes anscheinend exakt nach Normvorgaben gehandelt. Nun hat die Norm für die im Regelfall durchschnittlich auftretenden Gleichzeitigkeiten ihre Berechtigung. Sie ist aber kein Gesetz und entbindet auch nicht des eigenen Nachdenkens. Dazu hätte auch die Beachtung der erwähnten Lebensgewohnheiten gehört, die Anlass gewesen wäre, die Dimensionierung des Wasserleitungsnetzes etwas großzügiger ausfallen zu lassen.

Das Mehrfamilien-Wohnhaus

An einigen aufeinanderfolgenden Samstagen wurde das Warmwasser für das Dutzend Wohnungen eines Mehrfamilienhauses knapp. Eine nähere Nachschau der vor nicht allzu langer Zeit errichteten Warmwasserbereitung ergab eine starke Verkalkung des Plattenwärmetauschers am Schichtspeicher. Ein beigezogener Privatsachverständiger vermutete außerdem eine „grenzwertige“ Dimensionierung, also eine zu kleine Anlage. Der Eigentümer klagte den Installateur wegen unzureichender Bemessung. Außerdem habe er es unterlassen, eine Enthärtungsanlage zu liefern und einzubauen.

Der Installateur konterte, eine solche sei nicht Teil des Pauschalauftrags gewesen. Ein diesbezügliches Nachtragsangebot habe der Kläger trotz Urgenz und Hinweis auf Notwendigkeit einer Enthärtungsanlage nicht angenommen. Die Parteien hätten zuvor in mehreren größeren Projekten klaglos zusammengearbeitet, mit der Warmwasserbereitung habe es in der gleichen Form bei anderen Projekten immer problemlos geklappt, Verkalkung des Wärmetauschers sei noch nie ein Problem gewesen.

Erst die direkte Warnung des Lieferanten bei Bestellung hatte den Installateur zum Nachtragsangebot veranlasst, das – aus welchen Gründen auch immer – unbeauftragt geblieben war. Übersehen hatte das Installationsunternehmen allerdings die Art der Energieversorgung: Die zuvor errichteten und tadellos funktionierenden Anlagen nutzten Fernwärme, die streitgegenständliche wurde aber über einen erdgasbefeuerten Heizungskessel versorgt. Der lieferte ungleichmäßigere und tendenziell höhere Versorgungstemperaturen. Der Hersteller des Warmwasserbereiters hatte in seinen Unterlagen besonders auf die Verkalkungsgefahr solcher Anlagen – insbesondere bei größeren Wasserhärten – deutlich hingewiesen.

Das Einfamilienhaus

Das auf den letzten thermischen Stand gebrachte Gebäude hatte eine Außenluft-Wärmepumpe erhalten. Von Anfang an ein Problem war die Warmwasserversorgung. Der neu eingebaute Warmwasserbereiter war ausgewählt worden, weil er ein für den Wärmepumpeneinsatz geeignetes größeres Heizregister besaß. Die Vorlauftemperaturen der Wärmepumpe lagen bei 55°C, dennoch stieg die Temperatur des Warmwasserbereiters nie über 40°C. Und das trotz des angeblich ausreichend bemessenen Heizregisters. Was war da los?

Der geklagte Installateur hatte die Anlage nach Art üblicher Lösungen errichtet und beharrte auf seiner Erfahrung, dass andere nach demselben Schema errichtete Anlagen klaglos funktionieren würden. Aber sogar die niedrigste Heizleistung der gleitend laufenden Wärmepumpe war offensichtlich noch zu groß für das Heizregister. Mit der Folge, dass die Wärmepumpe wegen zu hoher Rücklauftemperatur abschaltete. Dass letztere wegen der vielen Schaltspiele bald ihre Funktion aufgab und überhaupt gegen eine mit kleinerer Leistung ausgetauscht werden musste, ist ein anderes Kapitel. Fazit auch hier: Routine allein ist halt kein Garant für Erfolg …