Sanitärmarkt : Alape-Insolvenz: Das Ende des Ausgussbeckens?

Alape Ausgussbecken

Seit 1930 millionenfach in praktisch unveränderter Form auf den Markt gebracht: Das Ausgussbecken ist ein Symbol für die Industrialisierung der Sanitärproduktion. Steht es jetzt vor dem Aus?

- © Alape

Die nahezu rechteckigen, weißen Email-Ausgussbecken, die millionenfach in Garagen, Werkstätten, Gärten und Ateliers hängen: Sind waren traditionell Umsatzbringer und Aushängeschild von Alape. Das unscheinbare Allerweltsprodukt ist das Brot-und-Butter-Geschäft der Design-Manufaktur, die sich in den letzten beiden Jahrzehnten auf exklusive Waschbecken und Waschtische spezialisiert hat. Die am 4. Juli 2023 angemeldete Insolvenz von Alape zeigt schlaglichtartig, welche Herausforderungen der Markt derzeit für die Sanitärhersteller bietet – und worauf die Branche in Zukunft Antworten finden muss.

Der Siegeszug der Serienfertigung

Alape war ursprünglich kein reiner Sanitärhersteller. 1896 begann Adolf Lamprecht, verschiedenste Produkte aus glasiertem Stahl herzustellen, unter anderem Waschkrüge und -schüsseln. In Herstellung und Bearbeitung des Materials liegt die technologische Kernkompetenz des Unternehmens. 1930 wurde das Ausgussbecken auf den Markt gebracht, praktisch genau so wie wir es heute kennen: Aus einem Teil geformt, für den Transport stapelbar, quadratisch praktisch gut – so wie es in dieser ersten Phase der Industrialisierung von Konsumprodukten üblich war und für den Boom bei erschwinglicher Massenware gesorgt hat. Bis heute wird das Ausgussbecken auf längst ausbezahlten und abgeschriebenen Maschinen in wenig aufwändigen Arbeitsprozessen in großen Stückzahlen gefertigt. Sie sind zu Preisen im 100-Euro-Bereich nahezu überall erhältlich und hielten so auch der noch etwas billigeren Konkurrenz aus Fernost stand.

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Das robuste Ausgussbecken ist unter anderem in Klassenzimmern bis heute weit verbreitet.

Von der Massenproduktion zu individuellen Design-Stücken

In den 1980ern begann sich Alape auf Design-Produkte aus emailiertem Stahl zu konzentrieren. In enger Zusammenarbeit mit sieger design entstanden verschiedenste Produktfamilien, die alle eines gemeinsam hatten: Sie wollten den neu entstandenen Wunsch der Kunden nach coolem Design von Alltagsprodukten befriedigen, und außerdem den nach Exklusivität, nach Individualität - sich abheben von der Masse begann im Trend zu sein. Dieter Sieger, ursprünglich Architekt und Schiffsbauer, begann mit Alape den Fokus zunehmend auf den Waschplatz zu legen. Mit der Übernahme des Unternehmens durch den Armaturen-Spezialisten Dornbracht 2001 wurde diese Fokussierung besiegelt. Alle anderen Produkte – von Papierkörben bis Lampenschirmen – wanderten ins hauseigene Museum, aus Alape wurde die Design-Manufaktur für den hochwertigsten Sanitärbereich. Doch parallel dazu lief das ertragreiche Geschäft mit den Ausgussbecken nahezu von selbst weiter und bracht Alape ein solides Einnahmen-Fundament: Auf dieser Basis waren Design-Experimenten und kleinste Serien möglich.

Individuelle Waschtische mit hochwertigen Einzelstücken aus glasiertem Stahl sind heute das Aushängeschild von Alape.

Wo liegen die Herausforderungen des Sanitärmarkts?

Stahl-Email hat aber eine Besonderheit, die im letzten Jahr plötzlich für massive Probleme sorgte: Die Herstellung ist energieintensiv. Die hohen Energiepreise in Verbindung mit der harten Konkurrenzsituation zu noch billigeren Anbietern führte nun sehr rasch in die Insolvenz, sagte Geschäftsführer Bode Müller vom Hofe: „Für ein kleines Unternehmen wie Alape ist das Geschäftsmodell mit seiner energieintensiven Produktion unter den neuen deutschen Rahmenbedingungen nach der Energiewende nicht mehr wirtschaftlich zu betreiben.“ Eine rentable Produktion im niedersächsischen Goslar sei daher nicht mehr möglich.

Die gestiegenen Produktionskosten in diesem speziellen Fall treffen nämlich gleichzeitig auf ein paar andere, allgemeinere Probleme am Sanitärmarkt. Da ist die Nachfrageflaute, die mit dem außergewöhnlichen Boom bei der Heizung einher geht: In dem eng verschränkten Markt für Gebäudeinstallation sind meist entweder Badausstattung oder Heizung nachgefragt, beides gemeinsam hatte nur selten Hochkonjunktur. Es würden ja auch die Fachkräfte fehlen, um sowohl Bad als auch Heizung gleichzeitig zu bedienen.

Und auf Herstellerseite spitzt sich die Frage nach Markenprodukten der Industrie oder Eigenmarken des Großhandels weiter zu. Eine aktuelle Umfrage von SHK Tacheles in Deutschland zeigt die Präferenz des Marktes für Handesmsarken klar auf: Der geringere Preis im Vergleich zu Industriemarken, die fehlende Vergleichsmöglichkeit zu Preisen im Internet oder Baumarkt, und die höheren Margen für die Wiederverkäufer setzen die Industrie unter Druck. Der Vorsprung der Industriemarken scheint außerdem dahinzuschmelzen: 39 Prozent der Befragten sehen kaum noch einen Unterschied zu den Eigenmarken der Großhändler, was Qualität, Design und Innovationsgrad anbelangt. Umfrage-Ersteller Knut Maria Siebrasse, nie um eine Zuspitzung verlegen, spricht in diesem Zusammenhang schon von einem „Überlebenskampf der Badausstatter“.

Produktionskosten, Nachfrageflaute, Handelsmarken

Nimmt man das Beispiel Alape her, scheint der erste etablierte Marktteilnehmer ihn schon verloren zu haben, wenn auch unter besonders erschwerten Bedingungen. Denn hier treffen alle drei Herausforderungen des Sanitärmarktes in besonders hohem Maße zusammen: Die durch Energiepreissteigerung und Inflation stark erhöhten Produktionskosten, die den Standort Europa unter Druck bringen; die Nachfrageflaute, die das Spitzensegment ganz besonders hart trifft; und der Druck auf die Hersteller durch den Trend zu den Handelsmarken, die den Abstand zur Markenindustrie in Sachen Innovation und Qualität kontinuierlich senken konnten. Ob die Produktion der Ausgussbecken, diesem „made in germany“ Aushängeschild, weitergeführt werden kann, wird Gegenstand des Insolvenzverfahrens sein.

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