Dach fürs Ernst-Happel-Stadion : Planung – nur eine Nebenleistung?

Vizepräsident Univ.-Prof. DI Peter Bauer, Präsident Arch. DI Bernhard Sommer und Rechtsanwalt Mag. Sandro Huber (v.l.n.r.)

Vizepräsident Univ.-Prof. DI Peter Bauer, Präsident Arch. DI Bernhard Sommer und Rechtsanwalt Mag. Sandro Huber (v.l.n.r.)

- © elephantandporcelain

Rund um die mobile Dachkonstruktion für das Wiener Ernst-Happel-Stadion brodelt es weiter: Die Stad Wien hatte das auf etwa 50 Mio. Euro geschätzte Projekt Ende 2023 als "funktionale Totalunternehmerausschreibung" ausgeschrieben.

Die Abwicklung des Ausschreibung quittierte die Kammer der Ziviltechniker:innen für Wien, Niederösterreich und Burgenland mit scharfer Kritik, die via Inserat in der Wochenzeitung Falter kundgetan wurde. Nun geht die Auseinandersetzung vor den Verfassungsgerichtshof.

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VIENNA, AUSTRIA - JUNE 05, 2017: The outside of Ernst Happel Stadium on blue sky background
Das Ernst-Happel-Stadion soll ein mobiles Dach bekommen – an der Ausschreibung des Projekts scheiden sich jedoch die Geister. - © unclepodger - stock.adobe.com

Kritik an Angebotsfrist und Suche nach Totalunternehmer

Die Kammer stößt sich insbesondere an der ursprünglichen Angebotsfrist für das Großprojekt. Die gesetzliche Mindestfrist von 30 Tagen wurde von Seiten der Stadt Wien mit 34 Tagen zwar eingehalten, jedoch fiel ein großer Anteil der Frist in die Weihnachtsfeiertage. „Die Vergabefrist wurde eingehalten, aber sie sollte im Verhältnis zur Komplexität des Projektes stehen", betont Kammerpräsident Bernhard Sommer, der die Vorgehensweise als "unseriös" bezeichnet.

Von der Bekanntmachung am 6. Dezember 2023 bis hin zum Angebotsende am 9. Jänner blieben damit effektiv zwölf Werktage zur Angebotslegung für das ca. 14.200 m2 große Stadiondach übrig. Von „hochkomplexen Dienstleistungen", die in der Ausschreibung inkludiert waren, spricht Vizepräsident Peter Bauer. Für kleinere Unternehmen wäre ihm nach mehr Zeit für die Suche nach einem Mitkonsortium zur Angebotslegung nötig gewesen.

Zweiter Kritikpunkt der Interessenvertretung ist die Ausschreibung als Totalunternehmerverfahren. Damit werden sämtliche Gewerke von der Planung bis zur Errichtung an einen Auftragnehmer vergeben. Die Komplexität des Vergaberechtes und eine „Kultur der Verantwortungsvermeidung" hätten dazu geführt, dass Totalunternehmerverfahren für öffentliche Bauvorhaben zunehmen, so die Kammer. Im Falle einer Einzelvergaben bleiben mehr Risiken und Pflichten beim Auftraggeber, während ein Totalunternehmer diese – für einen Preis – übernimmt. „Ein scheinbarer Gewinn", so Sommer, der Auftraggeber gehe so ohne Not höhere Kosten ein. Außerdem sei der einzige „Moment der Steuerung" von Seiten des Auftraggebers in einem solchen Fall die Vergabe an den Totalunternehmer.

>> Lesen Sie den passenden Kommentar dazu: Abreißen, aber richtig – warum das Ernst-Happel-Stadion kein Solardach braucht

Von Seiten der Stadt Wien wird von einer Bauverzögerung und „Verunsicherungstaktik" durch die Kammer gesprochen. Durch die Verfahrensbeeinspruchung habe sich der Zeitplan des Projekts verzögert, heißt es gegenüber dem Standard. Die Stadt steht hinter der Entscheidung, nach einem Totalunternehmer zu suchen, da es sich bei der Überdachung des Stadions um eine „ingenieurtechnische Herausforderung" aufgrund der Belastung des Fundaments sowie des bestehenden Daches handele.

Wir brauchen eine Trennung von Planen und Bauen.
Bernhard Sommer

Vor das Höchstgericht

Eine Beeinspruchen des Verfahrens und ein Nachprüfungsantrag an das Wiener Verwaltungsgericht von Mitgliedern der Kammer folgten im Jänner. Bis zum Urteil wurde die Frist zur Angebotslegung wöchentlich verlängert – seit Februar liegt die Entscheidung des Gerichts vor. Die Planung sei aufgrund ihres geringen Auftragsvolumens als Nebenleistung zu werten, wie die Kammer zusammenfasst – es gibt daher also gar keine Legitimation für das Beeinspruchen des Verfahrens durch Planungsunternehmen.

Neben der Abfuhr vor Gericht zeigt sich die Interessenvertretung weiters darum besorgt, dass Planungsunternehmen zukünftig nicht mehr berechtigt sein könnten, sich gegen Ausschreibungsbestimmungen auszusprechen. Planungsleistungen wüden so zu einem „bloßen Anhängsel" im Gesamtprojekt werden. „Die Planungsbranche darf sich zukünftig nicht mehr wehren, weil sie eben nur einen kleinen Teil vom Kuchen bekommen soll", fasst Rechtsanwalt Sandro Huber pointiert zusammen. Sommer sieht überhaupt eine „ganze Berufsgruppe vom Markt genommen".

Das Urteil zieht demnächst vor den Verfassungsgerichtshof, wo man eine Ungleichbehandlung in der Antragslegitimation anfechten will. Sollte das gelingen, geht das Verfahren zurück an das Wiener Verwaltungsgericht – im Falle einer darauffolgenden Rechtssprechung zugunsten der Planungsunternehmen könnte im Nachgang jedoch nur noch festgestellt werden, dass die Vergabe nicht rechtmäßig war, das Projekt rund um das Stadiondach verzögere sich dadurch nicht, so Huber. „Man kann nichts wirklich gewinnen, aber man kann den Markt verbessern", äußert sich Sommer dazu, der damit ein Exempel „für eine bessere Vergabekultur" statuieren will.