SHK auf Social Media : Vom Schraubenschlüssel zum Like
Haben Sie heute Facebook, Instagram oder WhatsApp genutzt? Vielleicht alle drei? Willkommen in der Statistik! Mehr als ein Drittel der Weltbevölkerung – genauer gesagt, rund 3,2 Mrd. Menschen – nutzt täglich eine App des Konzerns Meta, unter dessen Dach Mark Zuckerberg die oben genannten und diverse weitere Plattformen versammelt hat. Social Media gilt längst nicht mehr als reines Freizeitmedium, um Bilder der eigenen Katze, vom letzten Urlaub oder einem gelungenen Abendessen zu teilen. Immer mehr Unternehmen wissen soziale Netzwerke für ihre eigenen Zwecke zu nutzen – aber nicht nur sie:
In jedem Medium bilden sich über kurz oder lang Multiplikatoren heraus, Meinungsmacher*innen, die große Zahlen an Follower*innen hinter sich versammeln und von diesen als Expert*in in ihrem spezifischen Feld wahrgenommen werden. Influencer wie die US-Amerikanerin Charli D’Amelio, die mit Tanzvideos auf der Videoplattform TikTok ihren Durchbruch feierte und dort inzwischen über 150 Mio. Follower*innen zählt, werden häufig als Beispiel angeführt. Aber auch die Welt der Gebäudetechnik findet sich in den sozialen Netzwerken inzwischen mit erfolgreichen Influencer*innen vertreten.
Wie aus einem Speicherort ein Publikum von Hunderttausenden wird
Bruno Friedmann zählt unter dem Benutzernamen „nample“ zu den größten dieser Kategorie. Auf Instagram folgen ihm rund 230.000 Personen, auf TikTok sogar mehr als 345.000. Er ist seit über 30 Jahren bei der deutschen Gross Energietechnik tätig und nimmt das Publikum in seinen Alltag als Kundendienst-Techniker oder zum Testen von Werkzeugen mit.
Als er vor zwölf Jahren begonnen hat, auf Instagram zu posten, war der Antrieb dahinter keineswegs, Influencer zu werden, wie sich Friedmann erinnert: „Meine persönliche Nutzung von Instagram war anfänglich für mich nur als kostenlose Speicherplattform gedacht, um Fotos von Wartungsarbeiten abzulegen.“
Inzwischen wird er zu Fachmessen eingeladen und hat Kooperationen mit namhaften Anbieter wie PAW, Wiha, Testo oder Bosch. Auf Amazon können Follower Must-haves aus Friedmanns Werkzeugkoffer nachkaufen. Gemeinsam mit Herbert Bachler hat er zuletzt den „X-Bucket“, eine flexible Auffang-, Abpump- und Ablaufwanne, entwickelt.
Geschäftsmodell Wertschätzung
Spricht man über SHK-Influencer, geht in Österreich quasi nichts ohne Herbert Bachler. Er vertritt ausländische Herstellerfirmen der Solar-, Heizungs- und Umwelttechnik in Österreich und ist Geschäftsführer der österreichischen PAW-Niederlassung. Aber eben nicht nur: Für seinen Podcast „Installateur TV“, der inzwischen über 100 veröffentlichte Folgen zählt, wurde Bachler von der WKO Steiermark zum Kommunikator 2020 gekürt.
Auch auf Instagram, LinkedIn und TikTok ist Bachler aktiv und weiß das Feedback seiner Community gewinnbringend umzusetzen: Mit seinem Unternehmen „The Little Tool Company“ stellt er eigene Werkzeuge her, darunter der neue „X-Bucket“, aber auch spezifische Wartungswerkzeuge für Wärmepumpen, Montagehilfen und mehr.
„Oft dringt zu wenig Feedback darüber vor, was der Markt braucht. So passiert es auch, dass viele Dinge produziert werden, die draußen oft korrigiert werden müssen oder gar nicht am Markt ankommen, weil der Installateur einfach anders denkt“, wie Bachler erklärt. Auch der Austausch mit anderen SHK-Influencer*innen fließt in seine Produkte ein, so finden sich zum Beispiel Anregungen von Franjo Sestak („fat_sestak“ auf Instagram und TikTok) im Wärmepumpen-Wartungskoffer wieder. „Es ist schön an neuen Produkten oder Ideen teilzuhaben und die SHK so zu beeinflussen oder zu influencen“, freut sich der Geschäftsführer des bayrischen Installationsbetriebs, der sich und seine Mitarbeitenden auf Instagram mit dem Hashtag „Kanalpiraten“ verschlagwortet.
Installateure und Handwerker sagen nicht, was man hören will, sondern sind knallhart, wenn man Blödsinn herausgibt.Herbert Bachler
Großer Informationsbedarf rund um Gebäudetechnik
Mehr oder weniger hineingerutscht in das SHK-Influencen ist Falko Schling („bonotos“ auf YouTube). 2021 hat der inzwischen pensionierte Unternehmer seine alte Ölheizung durch eine Wärmepumpe samt Schichtspeicher ersetzen lassen und nach der ersten Wintersaison auf der Videoplattform über seine Erfahrungen mit dem neuen System berichtet. Aktuell zählt das Video über 400.000 Aufrufe und rund 1.400 Kommentare. Viele der Kommentare hätten seinen niedrigen Stromverbrauch angezweifelt, beschreibt Schling: „Da bin ich hellhörig geworden und habe mich informiert, was denn Wärmepumpen überhaupt für Effizienzen haben. So bin ich immer tiefer reingerutscht und gelte in diesem Bereich inzwischen als Profi und Fachmann.“
Darauf aufbauend hat Schling ein eigenes Excel-Tool zur Berechnung des Verbrauchs von Wärmepumpen und Schichtspeichern entwickelt und bietet auch Wärmepumpen-Beratungen an. „70 Prozent der Kunden, die ich berate, entscheiden sich für das, was ich empfohlen habe. Die restlichen 30 Prozent trauen sich nicht, mit ihrem Installateur mal Tacheles zu reden“, so sein Fazit. Das Angebot trifft auf rege Nachfrage: Im Februar mussten sich Interessierte mit ihren Beratungswünschen bis Anfang Mai gedulden.
Fachkräftenachwuchs online abholen
Als „Visitenkarte nach außen in die Welt“ beschreibt Bachler Kanäle auf soziale Medien. Das betrifft nicht nur die Wirkung auf Geschäftspartner und Kunden, sondern auch Mitarbeitende – solche, die es schon sind und solche, die es vielleicht noch werden. Insbesondere jüngere Generationen nutzen soziale Netzwerke vermehrt auch, um sich zu informieren – die Gebäudetechnik dort zu repräsentieren, macht die ganze Branche sichtbarer und spricht dort potenzielle Fachkräfte an.
„Ich glaube, dass das Handwerk gut gelernte Fachkräfte braucht. Wir müssen die handwerkliche Arbeit attraktiv für den Nachwuchs machen, indem wir tägliche Einblicke zeigen und die junge Generation darauf aufmerksam machen“, ist sich Ruben Decebal sicher. Der 25-jährige Gebäudetechniker aus Rumänien versorgt seine Community von rund 11.900 Follower*innen auf Instagram unter dem Account „ruben.the.plumber“ mit englischsprachigen Inhalten rund um Heizung, Lüftung und Klimatechnik.
Seit kurzem ist Decebal auch auf TikTok – eine Plattform, die sich auch laut Bruno Friedmann besonders gut eignet, potenzielle Auszubildende anzusprechen oder ihnen das Handwerk zu zeigen. Nicht nur das: „Die Motivation der Azubis oder Gesellen, ihr Arbeit zu zeigen hat oft noch dazu den Nebeneffekt, dass alles sehr viel genauer und sauberer verlegt, montiert und gezeigt wird.“
Ohne meinen Account hätten wir wohl bis heute keinen neuen Mitarbeiter.Melissa Stadali
Von Erfolgen in der Mitarbeiteranwerbung kann auch Melissa Stadali („lissyshandwerk“ auf Instagram) berichten. Seit etwa einem Jahr baut sie ihren Kanal auf Instagram auf, um den die Anlagenmechanikerin inzwischen über 38.000 Follower*innen versammelt hat – einer davon ist inzwischen ein neuer Mitarbeiter.
„Er hat mich über meinem Account kontaktiert und gefragt, ob wir noch einen Kundendienstler suchen würden. Ihm gefiel die Arbeit, die ich durchführe und das Betriebsklima mit den Kollegen so wie ich es auf Instagram teilte“, so Stadali. Wenige Wochen später startete der neue Kollege im Unternehmen.
Auch Franjo Sestak arbeitet daran, die Sichtbarkeit seines Betriebs via Instagram erhöhen, um neue Mitarbeitende oder Lehrlinge ins Boot zu holen. „Wenn du draußen einen Jugendlichen fragst, was ein SHK-Anlagenmechaniker so macht, würdest in den wenigsten Fällen eine Antwort erhalten. Mit uns erhält man fachliche oder auch mal witzige Einblicke in unseren Beruf“, fasst er zusammen.
Social Media im Handwerk ist nicht Hochglanzfotos.Franjo Sestak
Digitaler Content: Authentizität über Perfektion
Während Lifestyle-Influencer*innen ihr Leben oftmals in Glitzer und Glamour präsentieren, spielt im SHK-Bereich das Thema Authentizität eine zentrale Rolle. „Social Media im Handwerk ist nicht Hochglanzfotos wie in den Zeitschriften“, bringt es Sestak auf den Punkt. Vielmehr wolle man die ehrliche Arbeit zeigen. Außerdem ein spannender Faktor: Technik-Influencer*in ohne einen technischen Job zu sein, ist nur schwer möglich – immerhin ist in diesem Bereich der Content durch die Praxis im Arbeitsalltag geprägt. Als Inspirationsquelle dient der eigene Arbeitsalltag auch Stadali: „Weil mein Alltag nicht abwechslungsreicher sein könnte, habe ich mich im Juni 2023 dann dazu entschieden meinen Account zu machen, um dann zeigen zu können, wie toll dieser Beruf eigentlich ist.“
Das hebt auch Bachler hervor: „Die Kollegen müssen wissen, dass man eine Ahnung hat, wovon man spricht – und das kann man nur, wenn man einen Job ausübt.“ Der Erfolg seiner digitalen Mitbegleiter*innen akkreditiert er dem Fakt, dass diese ihr Handwerk mit Stolz präsentieren. Bei der Frage nach der Motivation hinter seinem Instagram-Auftritt antwortet auch Decebal ganz klar: „Das habe ich rein aus Passion zu meiner Arbeit gemacht. Ich sah die Gelegenheit, so Menschen zu erreichen und nutzte sie auch.“ Diese Passion braucht es auch, um neben einem Tagesjob den eigenen Social Media-Auftritt zu betreuen. Denn mit der Erstellung der Inhalte, deren Schnitt und Bearbeitung, bis hin zum neuen Posting, das mit Text und Hashtag versehen werden muss, sowie dem Interagieren mit Follower*innen in den Kommentaren und im Postfach, ist ein hoher Zeitaufwand verbunden. Zeit, die den meisten nur am Feierabend oder Wochenende übrigbleibt.
Authentizität spielt für viele beim Content eine größere Rolle als perfekte Ästhetik. Rügen an der Produktion seiner Fotos und Videos prallen an Bachler etwa ab: „Das Wichtigste ist, authentisch zu sein. Lieber ein schlechtes Video, und es ist authentisch, als die schönsten Videos ohne Inhalt.“ Auch Falko Schling setzt lieber auf einen qualitativen Austausch als große Zahlen, wie er betont. Einige seiner Videos hätten dank „reißerischer Headlines“ sechsstellige Klicks verzeichnet, aber das sei „eigentlich wertlos“. „Wenn ich Videos mache, wo es also auch in die Technik reingeht, nehmen die Klickzahlen enorm ab. Aber dafür kommen dann die Kommentare und das Interesse, das ich eigentlich haben will.“
Das SHK Handwerk hat weitaus mehr zu bieten hat als nur Verstopfungen zu beseitigen und Rohre von A nach B zu verlegen.Melissa Stadali
Negative Behaftung von Social Media
Ob frisch ausgebildet oder in Pension, ob weiblich oder männlich – Plattformen wie Instagram, YouTube und Co. haben das Potenzial, die Gebäudetechnik auf den Kopf zu stellen (und das Ganze währenddessen auch noch zu filmen). Vorurteile, mit denen Friedmann bereits vor zehn Jahren konfrontiert wurde – “schon damals war es für viele unverständlich, dass ich sehr viel Zeit verbracht habe, um mich mit Kollegen aus der ganzen Welt zu vernetzen“ – lassen sich anhand seines Online-Erfolgs leicht entkräften.
Trotzdem ist das Bewusstsein für das Potenzial sozialer Medien weiterhin zu niedrig. „Social Media ist in meinen Augen definitiv kein temporärer Trend. Es ist vielmehr eine Kraft, die immer weiterwächst und unsere Kommunikation und unseren täglichen Austausch aber auch unser Verhalten verändert. Handwerk verbindet, aber Social Media hilft dabei“, betont etwa Stadali. Auch Bachler erzählt davon, dass seine Arbeit als „Spielen am Handy“ abgetan wurde und entgegnet: „Mit Spielen hat das schon lange nichts mehr zu tun.“