Solarthermie : Paradox: Energiekrise bremst Solarenergie aus

Flachdach-Solarkollektoren und ein Mann, der daran arbeitet.

Kurios: Während die Absätze von Wärmepumpen und Photovoltaik in die Höhe schießen, zeigt sich die Solarthermie rückläufig.

- © Austria Solar/Sonnenkraft
Inmitten der Energiekrise schreit eine Branche auf, von der man erwarten würde, dass sie vom Wunsch der EU, den Gasverbrauch drastisch zu reduzieren, profitiert. Für die Solarthermie ist jedoch das Gegenteil der Fall. Das Tempo beim Umstieg von Öl und Gas auf Solaranlagen bei Warmwasser und Heizung hat sich seit Ausbruch des Krieges in der Ukraine halbiert, wie eine Branchenerhebung von Verband Austria Solar zeigt.

Falscher Fokus?

Aktuell beherrscht das Strompreisdebakel die Medien, dabei haben wir „kein Strom-, sondern eine Wärmeproblem“, bringen es Expert*innen wie die deutsche Wirtschaftswissenschaftlerin Claudia Kemfert auf den Punkt. Der TGA hat bei Roger Hackstock, Geschäftsführer Austria Solar, nachgefragt, ob eine ähnliche Situation in Österreich herrscht. Er findet eine klare Antwort: „Ja, weil der erneuerbare Anteil bei Strom in Österreich und Deutschland viel höher ist als bei Wärme, wo wir noch sehr abhängig von fossiler Energie sind. Zugleich beträgt Wärme 50 Prozent des Energiebedarfs, Strom nur 20 Prozent. Ich stimme Kemfert also voll zu."

Beginnen wir von vorne: Die Ausgangssituation in Österreich

Österreich habe seine Treibhausgasemissionen seit 30 Jahren nicht reduziert, prangert Austria Solar an. In Österreich werden seither unverändert etwa 80 Millionen Tonnen CO2-Emissionen pro Jahr in die Atmosphäre entlassen, weil die Abhängigkeit von fossiler Energie nicht reduziert werde, heißt es weiter. Ein Blick in die Daten der Expert*innen-Institution "Umweltbundesamt" bestätigt, dass die österreichischen Treibhausgasemissionen in ihrer Gesamtheit seit 1990 (78,4 Mio. Tonnen) bis 2020 (73,6 Mio. Tonnen) tatsächlich nicht nennenswert gesunken sind. 2020 gilt dabei als Ausnahmejahr, da insbesondere die Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie als Auslöser für das Sinken der Treibhausgas-Emissionen um 7,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gesehen werden.

Austria Solar stößt sich außerdem an einer Aussage des Bundeskanzlers Karl Nehammer im ORF-Sommergespräch, welcher nach der Blick auf die Emissionen allein zu kurz gegriffen sei, Österreich sei immer noch ein Umweltmusterland. Dem widerspricht der von Germanwatch, CAN International und dem NewClimate Institute veröffentlichte Climate Change Performance Index (Klimaschutz-Index). Österreich stürzte im Ranking 2022 um zwei Plätze auf Platz 37 ab und rangiert seitdem mit der Bewertung "schlecht" eine Position vor China. In das Ranking fließen nicht nur Treibhausgasemissionen ein, sondern auch erneuerbare Energien, Klimapolitik und Energieverbrauch der Nationen.

Rosig sind diese Zahlen nicht, umso mehr Grund, um Tempo beim Erneuerbaren-Ausbau zu machen. Ein Hebel dafür könnte die Solarthermie sein, auf der Nachfrageseite ist das scheinbar aber noch nicht angekommen.

Die gelbe Linie zeigt die österreichischen Treibhausgasemissionen in ihrer Gesamtheit, während die rote Linie die Treibhausgasemissionen der vom Klimaschutzgesetz (KSG) umfassten Sektoren (Nicht-Emissionshandelsbereich) beschreibt. In blau: Der nationale Zielpfad.

- © Umweltbundesamt

Solarthermie hat das Nachsehen

„Die Antwort auf die Gaskrise ist eine Vollbremsung bei Solarenergie, das ist total absurd“, meint Hackstock. Denn das Tempo beim Umstieg von Öl und Gas auf Solaranlagen bei Warmwasser und Heizung hat sich seit Ausbruch des Krieges in der Ukraine halbiert, wie eine Branchenerhebung von Austria belegt. Noch letztes Jahr zeigte sich die Lage um einiges positiver, 2021 wurden um 12 Prozent mehr Solarfläche errichtet als im Jahr davor. 2022 hoffte man gar auf eine Kehrtwende am Markt. Während die PV-Nachfrage aktuell durch die Decke geht, kommt der Effekt bei der Solarthermie nicht an. „Solar heißt bei allen mittlerweile Photovoltaik, nicht Solarwärme, daran hat sich leider auch durch die Energiekrise nichts geändert. Daher ist der Absatz sogar rückläufig", umreißt Hackstock.

  • Roger Hackstock
    Roger Hackstock, Geschäftsführer Austria Solar


    „Wir brauchen kein Festhalten mehr an Öl und Gas, sondern einen Run auf Sonne & Co., das muss die Politik den Menschen vermitteln statt zu sagen, dass alles in Ordnung ist."

In Österreich werden jährlich rund 300 Millionen Kubikmeter Erdgas für Warmwasserbereitung verbraucht. Wenn der Gaspreis im Großhandel von über 300 Euro je Megawattstunde die Haushalte erreiche, zahlen die Österreicher*innen allein fürs Duschen eine Milliarde Euro im Jahr und produzieren noch dazu 600.000 Tonnen Treibhausgase, rechnet Hackstock vor. Diese Abhängigkeit könnte mit einer Solaroffensive innerhalb eines Jahres halbiert werden: „Eine einfache Solaranlage für Warmwasser ist in einem Tag montiert und liefert von Mai bis September komplett die Energie, auch im Winterhalbjahr reduziert sie den Gasverbrauch“, so Hackstock.

Außerdem sei die Solarwärme im Gegensatz zu allen anderen Technologien lieferfähig, weil fast zur Gänze in Österreich produziert werde und aufgrund des rückläufigen Marktes zudem genug Material auf Lager sei, wie der Austria Solar Geschäftsführer auf Anfrage des TGA bestätigt. In der Zwischenzeit kämpfen Photovoltaik- und Wärmepumpenhersteller damit, ihre Produkte überhaupt zu bekommen, schuld ist daran nicht nur die explodierende Nachfrage, sondern auch Faktoren wie Lieferkettenschwierigkeiten.

Industrielle Nutzung für Prozesswärme

Nun ist der Gasbedarf in den Haushalten zwar eine wichtige Thematik, die Industrie verbraucht aber doppelt so viel Gas wie alle Haushalte gemeinsam. Hat die Solarthermie auch schon ausreichend Lösungen für die Prozesswärme? „In den letzten Jahren hat der Markt vor allem bei solaren Großanlagen für Prozesswärme und Fernwärme zugenommen, da sind einige beeindruckende Anlagen in Betrieb gegangen", betont Hackstock.

Als Projektbeispiel lässt sich etwa das Betonwerk von Habau Hoch- und Tiefbau im oberösterreichischen Perg nennen, dort werden in vier Hallen Betonfertigteile erzeugt. Mit einer Solaranlage mit 980 kW Leistung und 1.400 m² Kollektorfläche werden die 7.700 m² Produktionshallen über die Betonkernaktivierung im Fundament das ganze Jahr vollsolar beheizt. Ein ehemaliger Gastank mit 80.000 Litern dient als Pufferspeicher. Von April bis Oktober wird die gewonnene Solarenergie auch zur Heizung der Schalungen für die Hohldielendeckenproduktion und der Trockenkammern in der neuen Umlaufanlage genutzt. Umgerechnet entspricht das etwa einer Energieeinsparung von 70.000 m3 Erdgas bzw. 200 Tonnen CO2 pro Jahr.