Meinung : Österreich und der Ausstieg aus russischem Gas: Zwei Leitfragen, drei Antworten

TGA-Redakteurin Lena Wechselberger
© WEKA Industrie Medien

Österreichs Abhängigkeit von russischem Gas hat seit Ausbruch des Angriffskrieges auf die Ukraine hierzulande nicht nur für einen sprunghaften Anstieg der Energiepreise gesorgt, sondern auch zu einem verstärkten Hinterfragen dieser Beschaffungsstrategie. Die Frage, ob Österreich es sich leisten kann, sich vom russischen Gas abzunabeln, lässt sich auf zwei Weisen deuten: Ist es volkswirtschaftlich zu stemmen, die Knebelverträge mit der Gazprom zu zahlen, ohne das Gas zu beziehen und ist es als Nation zu vertretbar, sich weiterhin öffentlichkeitswirksam mit dem russischen Regime anzubiedern, sei es nur als Mittel zum Zweck? Der Versuch einer Antwort in drei Teilen und drei Modalverben.

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Können tut Österreich ...

2018, als der Ukrainekrieg noch ein unwahrscheinlicher Fleck am Horizont war – und die völkerrechtswidrige Annexion der Krim vier Jahre zuvor noch nicht mal Volksschulalter erreicht hatte, aber gut und gerne aus dem frischen Gedächtnis gestrichen wurde – verlängerte die teilstaatliche OMV ihren Gasliefervertrag mit der russischen Gazprom bis 2040. Der Vertrag wäre ansonsten 2028 ausgelaufen.

Die Crux an der Sache mit dem Vertrag: Was genau drinnen steht, wissen nur die beiden Vertragspartner – also OMV und Gazprom. Eine Take-or-Pay-Klausel, der nach die OMV auch zahlen muss, wenn sie kein Gas abnimmt, ist bekannt. Rechtlich wäre ein Ausstieg aus dem Vertrag durchaus im Bereich des Möglichen, wie der Standard unlängst berichtete. Lieferschwankungen, ein erschüttertes Vertrauensverhältnis zwischen den Vertragsparteien oder ein mögliches österreichisches Gesetz, das den Import von russischem Gas verbieten würden, könnten eine Kündigung begründen. Dann ginge es aller Voraussicht nach vor ein privates Schiedsgericht.

>> Die österreichische Regierung könnte ein entsprechendes Gesetz erlassen (siehe unten).

Wollen tut Österreich ...

Nun gut, nicht ganz Österreich, aber immerhin Umweltschutzministerin Leonore Gewessler will offenbar dringend raus aus der Abhängigkeit von Russland. „Wir können es als souveränes Land nicht einfach hinnehmen, dass der Anteil des Russengases steigt, anstatt zu sinken", so ihre Reaktion auf die Gasquoten des vergangenen Dezembers. Sie will Energieunternehmen, die österreichische Kund*innen mit Erdgas versorgen, durch das Gaswirtschaftsgesetz dazu verpflichten, den Ausfall der größten einzelnen Bezugsquelle durch andere Bezugsquellen ersetzen zu können. Mit einer solchen Regelung wäre Russland zumindest das absolute Druckmittel von kalten Haushalten im Winter genommen.

Die Gasversorger sollen zudem einen schrittweise ansteigenden Anteil an nicht-russischem Erdgas nachweisen. Eine solche Diversifizierungspflicht würde eine Verfassungsmehrheit im Parlament benötigen. Um die Rahmenbedingungen dafür zu verbessern, will das BMK das Wirtschaftsforschungsinstitut mit einer Analyse der wirtschaftlichen Gefahren einer längeren Abhängigkeit sowie den volkswirtschaftlichen Auswirkungen der Vertragskündigung beauftragen.

>> Wollen tut Österreich weniger Energieabhängigkeit bei möglichst geringen Kosten.

Sollen tut Österreich ...

Österreich muss endlich die russische Nabelschnur namens Nord Stream kappen – und zwar bestenfalls noch vor dem angepeilten Ziel der Unabhängigkeit 2027. Solange wir die Verträge nicht nur bezahlen, sondern die "Ware" abnehmen, erhalten wir Gas als Gegenleistung für die Mitfinanzierung eines Angriffskrieges. Ethisch gesehen kann sich Österreich eine weitere Abhängigkeit also ausnahmslos nicht mehr leisten, volkswirtschaftlich gesehen ... die WIFO-Analyse wird eine erste Einschätzung geben. Vielleicht sollten wir uns nicht fragen, ob wir uns den Ausstieg leisten können, sondern was er uns wert ist.

>> Österreich sollte aufs (nicht russische) Gaspedal beim Gasausstieg drücken.