EU-Trinkwasserrichtlinie : Mit allen Wassern gewaschen

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Die Uhr tickt, bis 23. Jänner 2023 muss die 2020 veröffentlichte EU-Trinkwasserrichtlinie in österreichisches Recht gegossen werden. Im Anschluss an die europäische Bürgerinitiative „Right2Water“ wurde die Vorgängerrichtlinie aus dem Jahre 1998 evaluiert und vier zu verbessernde Bereiche ermittelt: die Liste der Parameterwerte, die Anwendung eines risikobasierten Ansatzes, die ungenauen Bestimmungen zur Information der Verbraucher*innen und die Disparitäten zwischen Zulassungssystemen für Materialien und Werkstoffe.

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Weg des Wassers: Ein Blick entlang der Wasserversorgungskette

Erstmals hat die Richtlinie nun mit dem risikobasierten Ansatz die gesamte Wasserversorgungskette vom Einzugsgebiet der Entnahmestelle über das Versorgungssystem und neuerdings bis zur Hausinstallation im Blick. „Wirklich neu ist das Thema Risikomanagement und dessen Einführung in der Wasserwirtschaft. Es schlägt entsprechend in der Branche ein“, weiß Dr. Markus Werderitsch, stellvertretender Leiter für den Fachbereich Planung und Bau bei Wiener Wasser.

Das Risikomanagement ist ein Aspekt des Wassersicherheitsplanes, der in seiner Gänze zwar nicht verpflichtend, aber durchaus anzustreben ist. Welche Auswirkungen kommen dadurch nun auf Wasserversorger, Planer*innen, Industrie und Installateur*innen zu? „Dem vorzugreifen ist ein bisschen schwierig, es kommt sehr viel auf die rechtliche Umsetzung an und da arbeiten im Moment alle auf Hochtouren“, gibt Dr. Regina Sommer vom Institut für Hygiene und Angewandte Immunologie der Meduni Wien und Vorsitzende der Trinkwasser-Codexkomission zu bedenken. Ein Blick auf die Stationen der Trinkwasserversorgung zeigt, mit welchen Herausforderungen die Branchen aktuell rechnet.

>> Lesen Sie hier: Vorschlag für die Risikobewertung von Trinkwasser-Installationen mit Augenmaß

Einzugsgebiet der Entnahmestelle

Grundwasser ist die wichtigste Trinkwasserquelle in Österreich und deckt laut dem Bundesministerium für Landwirtschaft die Wasserversorgung zur Gänze. Umso wichtiger ist es, sorgsam damit umzugehen. Die EU-Trinkwasserrichtlinie schreibt in diesem Bereich ein Risikomanagement vor. Darunter fällt, Einzugsgebiete zu charakterisieren und Gefährdungen sowie Gefährdungsereignisse, die die Wasserqualität beeinträchtigen könnten – wie mögliche Verunreinigungsquellen –, zu ermitteln.

Rund um Entnahmestellen gebe es sogenannte Schutzzonen, „die hat man sehr gut im Visier“, erklärt Werderitsch. Die Einzugsgebiete selbst können aber durchaus sehr weitläufig sein, sodass etwa ein Industriebetrieb im Gebiet liegen kann. Auch dieser hat natürlich wasserrechtliche Auflagen. Die Kontrolle, ob diese Auflagen wirklich eingehalten werden, sei nicht immer gegeben, umreißt Werderitsch eine potenzielle Verunreinigungsquelle.

Wir sehen derzeit in Österreich keine wesentlichen Änderungen, da wir einen sehr hohen Level im Bereich Prüfungen und Abnahme von Materialien und Produkten haben.
Werner Sens, Leiter Produktmanagement Tiefbauprodukte bei Pipelife Austria

Versorgungssystem

Rund 5.500 Wasserversorgungsunternehmen kümmern sich in Österreich um die Versorgung mit Trinkwasser. Sie seien „dafür verantwortlich, das Wasser kontrolliert in Hinblick auf Schadstoffe und Krankheitserreger mit einem möglichst geringen Risiko bis zum Haus zu bringen“, fasst Sommer zusammen. Auch hier spricht die Richtlinie von einer Risikobewertung und einem Risikomanagement für die Wasserversorgung. Zudem kommt die von der EU bis 2025 zu erarbeitende Positivliste zum Tragen. Sie definiert gesundheitlich und hygienisch unbedenkliche Werkstoffe und Ausgangsmaterialien, die mit Trinkwasser in Berührung kommen dürfen.

Pipelife Austria produziert Rohrsyteme für die Trinkwasserversorgung, die Positivliste sorgt bei Werner Sens, Leiter Produktmanagement Tiefbauprodukte, aktuell in Österreich für keine Bedenken: „Die Qualität der Trinkwasserversorgungssysteme zu sichern und zu verbessern, den Zugang zu sauberem Trinkwasser für alle in Europa zu ermöglichen, ist positiv zu bewerten. Wir sehen derzeit in Österreich keine wesentlichen Änderungen, da wir einen sehr hohen Level im Bereich Prüfungen und Abnahme von Materialien und Produkten haben." Ein weiteres werkstoffseitiges Thema ist die Senkung des Bleiparameters von zehn auf fünf Mikrogramm pro Liter – diesen Wert gilt es laut EU-Trinkwasserrichtlinie bis 2036 an der Entnahmestelle zu erreichen. Versorgerseitig scheint der Bestand bereits zu großen Teilen nachgerüstet zu sein, Wiener Wasser liefert laut eigenen Angaben bleifrei.

Mehr Wissensdurst?

Was die EU­Trinkwasserrichtlinie an Änderungen und neuen Verantwortlichkeiten für Planer*innen, Errichtende und Betreibende bringt – das haben Dr. Alexander Blacky, Facharzt für Hygiene und Mikrobiologie, Michael Mattes, Bundesinnungs­meister der Sanitär­, Heizungs­ und Lüftungstechniker, Martin Taschl, Gründungsmitglied und Generalsekretär des Forums Wasserhygiene, und Doris Wirth, geschäftsführende Gesellschafterin beim Ingenieurbüro für Umwelttechnik Bluesave Consulting, bei unserem zweiten Round Table dis­kutiert.

Hausinstallation

Rendezvous an der Wasseruhr: Nach der Entnahmestelle, Speicherung, Aufbereitung und dem Transport kommt das Wasser in der Hausinstallation an und geht vom Verantwortungsbereich des Wasserversorgers in jenen des Gebäudebetreibers über. Die laut Richtlinie erforderliche Risikobewertung umfasst eine allgemeine Analyse der Risiken, die von Hausinstallationen und dafür verwendeten Produkten, Materialien und Werkstoffen ausgehen. Hervorgehoben werden dabei Legionellen und Blei in prioritären Örtlichkeiten, wie beispielsweise Krankenhäusern, Gesundheitseinrichtungen, Altenheimen und Schulen. Außerdem sollen Verbraucher*innen und Eigentümer*innen über Maßnahmen zur Risikoverringerung informiert, Schulungen für Fachleute in der Gebäudetechnik gefördert sowie der Austausch von Bestandteilen aus Blei in der Hausinstallation angeregt werden.

Herstellerseitig rechnen die Unternehmen vorerst mit keinen großen Änderungen durch die EU-Trinkwasserrichtlinie, insbesondere bei den Materialvorschriften. „Ich glaube nicht, dass mit dieser EU-Richtlinie irgendwelche großen Veränderungen bei den Materialien auf uns zukommen werden. Ich sehe es eher als eine Vereinheitlichung in der EU“, erklärt etwa Roman Kremsner, Produktmanagement Haustechnik bei Pipelife Austria. Ähnlich schätzt es auch Friedrich Singer, Produktmanager bei Geberit, ein. Die EU-Trinkwasserrichtlinie sieht er als übergeordneten Schirm, bei den Produkten müsse man eher ins Detail gehen. Geberit setzt hier verstärkt auf bleifreie Werkstoffe in den Rohrsystemen.

Dr. Heinz Rötlich, Leitung Seminare bei Judo Wasseraufbereitung, bekundet ebenfalls, dass mit keinen größeren Veränderungen im operativen Geschäft oder der Herstellung zu rechnen sei. Aber: „Mit diesem Instrument der Risikoanalyse – wenn diese konsequent durchgeführt wird – werden mit Sicherheit mehr Mängel in der Trinkwasserinstallation entdeckt, auch im Bereich der Wasserbehandlung. Geräte und Apparate, die nicht regelmäßig gewartet werden, müssen dann ausgetauscht werden“, beschreibt Rötlich mit Blick auf eine mögliche Geschäftsintensivierung. Die Wasseraufbereitung sei laut Rötlich zudem für die Bekämpfung von Legionellen sehr wichtig – per Filtration, Enthärtung oder Desinfektionsverfahren. Das Thema Legionellen sei auch ohne die Richtlinie hochrelevant; eine Art „Wappentier der SHK-Branche“, wie Dr. Peter Arens, Senior Consultant Hygiene Manager bei Schell, sie mit einem Augenzwinkern tauft. Neben den korrekten Temperaturen für Kalt- und Warmwasser sorgt auch ein regelmäßiger Wasserwechsel bekanntlich für Abhilfe gegen die Bakterienvermehrung. Eine Möglichkeit, diese Maßnahmen unter Kontrolle zu bekommen, ist die Verschränkung von Wassermanagementsystemen, Temperaturüberwachung und Fernzugriff. „Damit wird dem Anspruch zwischen Ökologie und Ökonomie, so wenig Wasser zu spülen wie möglich und die Wassergüte zu erhalten, Rechnung getragen“, so Arens.

Als Projektpartner der Universität Zürich forscht auch Geberit zum Thema Legionellen. Aus den Untersuchungen ergibt sich etwa, „dass es zum Beispiel möglich ist, über Temperaturen, die in Anlagen herrschen, auch Spülintervalle zu berechnen“, erläutert Singer mit Blick auf den ökologischen Aspekt der Wassernutzung.

>> Lesen Sie hier: Wissenschaft misst Legionellenwachstum genauer denn je

Fazit

Noch rauchen in diversen Gremien die Köpfe – auch am Normensektor ist 2023 mit Änderungen zu rechnen –, das Endprodukt wird den Umgang mit Trinkwasser entlang der gesamten Versorgungskette umfassen. Eine erste Bestandserhebung deutet an, dass besonders die Herstellerindustrie bereits auf einem sehr hohen Standard operiert und daher mit keinen akuten, einschneidenden Änderungen rechnet.