Aus TGA 4: DI Udo Pappler, OFI, im Gespräch : Chemie ist nicht (immer) der Weisheit letzter Schluss
Trinkwassererwärmungsanlagen sind in der Haustechnik Standardinstallationen – sollte man meinen. Viele Komplettsanierungen könnten allerdings vermieden werden, wenn man sich mit dem Thema sensibler auseinandersetzt, weiß Udo Pappler aus der Praxis. „Ich bin im Rahmen meiner gutachterlichen Tätigkeit immer wieder mit Komplettsanierungen konfrontiert, die eigentlich so gar nicht sein müssten. Insbesondere in Krankenhäusern oder Altenheimen resultieren daraus enorme Kosten und ein erheblicher Aufwand, aber natürlich ist das Thema auch in allen anderen Gebäuden ein schwieriges und häufig auftretendes. Das Grundproblem ist die Schnittstellenfrage, Planer*innen wissen oft nicht, was die Betreiber*innen tun, oder aber Betreiber*innen ändern kurzfristig etwas an der Installation oder den Betriebsbedingungen“, so Udo Pappler.
Und weiter: „Bei mikrobiologischen Problemen ermöglicht die Norm ÖNORM B 5019 die kurzfristige Zugabe von Chemie, um zwischenzeitlich die Ursache für das Problem zu finden, stattdessen wird daraus oft eine permanente chemische Desinfektionsmaßnahme. Das ist ein Kardinalsfehler. Die Anlage wird dann über Jahre hinweg betrieben, das schädigt Werkstoffe und Produkte in der Anlage, schlussendlich resultieren daraus Brüche. Eine Anlage besteht immer aus einem Mix verschiedener Materialien, das ist naturgegeben. Aber alle Werkstoffe können durch chemische Desinfektionsmaßnahmen geschädigt werden. Eine Desinfektionsmaßnahme wie z.B. die Chlorierung kann daher immer nur befristet durchgeführt werden.“ Pappler empfiehlt: „Betreiber*innen müssten bereits in der ersten Planungsphase darüber Bescheid geben, wie sie künftig vorhaben, die Anlage zu betreiben. Für Installateur*innen ist das ein schwieriges Metier, es wird oft zu wenig nachgefragt. Es geht um Isolierung und Leistungsführung bis hin zur Auswahl der Materialien. Toträume sollten möglichst vermieden werden.“
Knackpunkt Betriebsführung
Fehlerquellen bietet in Folge auch die Übergabe der Anlage, weiß der Experte: „Die Druckprüfung sollte mit Trinkwasser oder Luft unmittelbar vor dem provisorischen Betrieb durchgeführt werden. Nie sollte das Wasser tagelang auf der Baustelle im System verbleiben. Vorsicht auch bei der anfänglichen Leitungsdesinfektion! Diese ist so gut wie nie dokumentiert und lässt sich nach zehn Jahren nicht mehr nachweisen.“
Und in der Betriebsführung? Welche Aspekte sind zu bedenken? „Grundsätzlich gilt: Man sollte das Wasser so wenig beeinflussen wie möglich. Jede Zugabe von Chemie, jeder Entzug von Stoffen bringt Wasser möglicherweise aus dem Gleichgewicht und kann zu einem Angriff auf die Werkstoffe führen. Sollten Betreiber*innen zusätzliche Aufbereitungsschritte, und sei es auch nur eine Enthärtung oder Phosphatierung, vornehmen wollen, sollten sie in jedem Fall eine Expertise einholen. Ein Ionentauscher zum Beispiel wird händisch eingestellt, muss aber regelmäßig kontrolliert werden. Eine Dosieranlage zur Zugabe von Phosphat senkt den pH-Wert des Wassers und ist insbesondere in Kombination mit einer Chlorierungsmaßnahme häufig kritisch für Werkstoffe. In Gebäuden, die Haustechniker*innen haben, ist das Wissen oft vor Ort vorhanden, in Hotels oder Privathaushalten wissen die Nutzer*innen und Betreiber*innen aber oft nicht ausreichend Bescheid. Die Installateur*innen wären fit für die Wartung, sie werden aber nicht gerufen“, gibt Udo Pappler zu bedenken und meint weiter: „ Betreiber*innen haben ihre Pflichten: warten, dokumentieren – Wartungsbücher zu führen ist sehr wichtig. Denn die Haftungsfrage liegt den Betreiber*innen, wir sprechen ja von Beeinflussung des Wassers durch Betreiber*innen.“
Die EU-Trinkwasserverordnung – auch ein Politikum
Die Einführung der EU-Trinkwasserverordnung ist für Udo Pappler ein wichtiger Schritt: „Das wird sehr spannend. Erstmals gibt es dann von der EU ein Rechtsdokument, das Anforderungen an Werkstoffe und Produkte in Kontakt mit Trinkwasser definiert. Nach Jahrzehnten an nicht fruchtbaren Harmonisierungsversuchen versucht man es nun über den Verordnungsweg. Neben der Frage, welche Stoffe welches Material bei Kontakt mit Warm- und Kaltwasser abgibt, werden Kriterien für den Oberflächenbewuchs und die Beeinträchtigung des Wassers durch Produkte festgelegt. Die Trinkwasserverordnung sieht auch eine Zertifizierung vor, das ist insbesondere für die Industrie ein wichtiger Punkt. Einzelne Länder dürfen strengere Anforderungen an Produkte setzen, denn die Wasserqualität in Österreich kann zum Beispiel mit jener im Ruhrgebiet oder in Südspanien nicht verglichen werden. Einheitliche Grenzwerte sind aber trotzdem wichtig.“ Erste Anforderungen werden Ende 2023 klarer werden. Pappler dazu: „Das ist nicht zuletzt ein politisches Thema, es ist zu befürchten, dass einzelne Nationen gegensteuern. In Wirklichkeit muss man jetzt einmal abwarten, noch sind viele Fragen offen.“
Zur Person
Bevor DI Udo Pappler 2017 die Geschäftsführung des OFI übernommen hat, war er im Unternehmen für den Bereich Werkstoffanwendungen verantwortlich und Leiter der Zertifizierungsstelle OFI CERT. Als Experte für Richtlinien, Standards und Normen, v. a. im Bereich Rohrleitungstechnik, ist er seit mehr als 20 Jahren auch gutachterlich tätig. Das OFI ist ein unabhängiges Prüf- und Forschungsinstitut, das mit seinen Dienstleistungen Produktentwicklungen bis zur Markteinführung begleitet. Als Mitglied der Austrian Cooperative Research (ACR) unterstützt das OFI die Innovationsbestrebungen von KMU mit angewandter Forschung.