Frühlings-energytalk 2023 : Vorfertigung im Bauwesen: Eine Chance für die Gebäudetechnik

Am Flughafen Graz bekamen die Besucher*innen Einblicke in die Baustelle 4.0

Am Flughafen Graz bekamen die Besucher*innen Einblicke in die Baustelle 4.0

- © energytalk/Gernot Eder photography

Viele Lebensbereiche, darunter auch der Wohnbau, sind von der Forderung nach Flexibilität und Nachhaltigkeit betroffen. Gleichzeitig ist im Bausektor eine Produktivitätssteigerung notwendig, um die Nachfrage an Wohnraum zu bedienen. Aus diesem Grund widmete sich der energytalk Ende März dem Thema „Vorfertigung im Bauwesen“. Dabei wurde geklärt, welche Vorteile und Herausforderungen die Vorfertigung von der Planung über die Architektur bis hin zur Gebäudetechnik mit sich bringt.

„Um zukunftsweisenden Wohnraum sicherzustellen und die Arbeitsabläufe zu optimieren, braucht es neue Herangehensweisen im Bauwesen“, betonten die Veranstalter Robert Pichler, TBH Ingenieur und Johannes Huber-Grabenwarter, Odörfer. Auch energytalk-Gast Johann Seitinger sieht im Bereich des Wohnbaus noch Potential. Neben angemessenen Förderungsmaßnahmen brauche es nachhaltiges und effizientes Bauen, um langfristig leistbares Wohnen gewährleisten zu können, so der Landesrat.

Im Bauwesen bietet Vorfertigung die Möglichkeit, flexiblen und nachhaltigen Wohnbau zu realisieren, sowie die Produktivität in den einzelnen Projektphasen von der Planung bis zur Gebäudetechnik zu steigern. Im Rahmen des Energiegesprächs wurde das Thema daher von drei verschiedenen Perspektiven - jener der Bauherr*innen, der Architektur und der Haustechnik - beleuchtet und ein Blick auf die Baustelle 4.0 geworfen: Von Elementbauweise im Holzhochhaus über modulare Wohnkonzepte bis hin zur seriellen Vorfertigung.

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Hans Schaffer, ÖWG Wohnbau | Kiubo, Landesrat Johann Seitinger, Johannes Huber- Grabenwarter, Odörfer Haustechnik, Robert Pichler, TBH Ingenieur, Stefan Schrenk, myblock und Andreas Wemmer, Assmann Beraten + Planen (v.l.n.r.) am Frühlings-energytalk
Hans Schaffer, ÖWG Wohnbau | Kiubo, Landesrat Johann Seitinger, Johannes Huber- Grabenwarter, Odörfer Haustechnik, Robert Pichler, TBH Ingenieur, Stefan Schrenk, myblock und Andreas Wemmer, Assmann Beraten + Planen (v.l.n.r.) am Frühlings-energytalk - © energytalk/Gernot Eder photography
Um zukunftsweisenden Wohnraum sicherzustellen und die Arbeitsabläufe zu optimieren, braucht es neue Herangehensweisen im Bauwesen.
Robert Pichler, TBH Ingenieur und Johannes Huber-Grabenwarter, Odörfer Haustechnik

Holzbau roots: Deutschlands höchstes Holzhochhaus

Der Holzbau roots in der Hamburger HafenCity ist nicht nur Deutschlands höchstes Holzhochhaus, sondern beeindruckt auch durch seinen schnellen Baufortschritt: Alle drei Wochen wächst roots um ein Stockwerk. Hochbelastbare Außenwände in vorgefertigter Elementbauweise machen dies möglich.

Querbau und Riegelgebäude sind fertig montiert, aktuell entsteht alle drei Wochen ein neues Geschoss des Gebäudeteils „Turm“. Am Ende werden es allein im Turm über 1.200 Holzbauelemente sein, die das Projekt der Garbe Immobilien-Projekte auf eine Gesamthöhe von 73 Metern emporwachsen lassen. Die Fertigstellung des vom Hamburger Architekturbüro Störmer Murphy and Partners entworfenen Holzhochhauses ist bis 2024 geplant.

Je Geschoss werden 12 Außenwand-Module (aus insgesamt 41 Außenwand-Elementen), 12 Innenwand-Elemente sowie 53 Decken-Elemente aus Brettsperrholz (vorgefertigt mit Ausfräsungen für Montage und Installation sowie Witterungsschutz) verbaut. Zunächst werden die hoch lastabtragenden Außenwände aufgestellt, dann ein Ring von tragenden Innenwänden. Am Betonkern des Turms sowie zwischen Innen- und Außenwandring dienen einige Stahlträger als Auflager für die Decken-Elemente. Die Elemente der Geschoßdecke aus 240 mm starkem Brettsperrholz werden umlaufend montiert, an deren Stirnkante erfolgt umlaufend die Montage des Stahlprofils, bevor wieder die Außenwände des nächsten Geschosses errichtet werden.

Roots Hamburg
Am Ende werden es allein im Turm über 1.200 Holzbauelemente sein, die das Projekt der Garbe Immobilien-Projekte GmbH auf eine Gesamthöhe von 73 Metern emporwachsen lassen. - © Garbe Immobilien-Projekte

„Der Produktivität im Bau des Holzhauses gehen komplexe, detaillierte Planungsabläufe voraus, welche den raschen Aufbau erst ermöglichen“, erklärte Andreas Wemmer, Projektleiter der Holzbauplanung von Assmann Beraten + Planen. In seinem Vortrag schlüsselte Wemmer die einzelnen Planungsschritte auf - von der Tragwerksplanung bis zur 3D-Wandelementplanung. Er zeigte zudem, inwiefern Planungsprozesse neu strukturiert werden müssen, damit der Bauprozess reibungslos funktioniert.

Kiubo: Modulare Wohnkonzepte zur Flexibilisierung

Mit Kiubo hat die ÖWG gemeinsam mit dem Grazer Architekturbüro Hofrichter-Ritter und Kulmer Holzbau ein modulares Wohnkonzept entwickelt. Gemeinsam haben sie das erste mehrgeschossige Kiubo-Haus in der Grazer Starhemberggasse realisiert. Das Gebäude besteht aus vier Stockwerken. Im Untergeschoss befindet sich eine Tiefgarage und im Erdgeschoss ist eine Geschäftszone vorgesehen. Die 33 eingefügten Holzmodule bilden derzeit 19 selbstständige Wohneinheiten. Zusätzlich gibt es Gemeinschaftsräume mit begrünten Außenbereichen und grünen Freiflächen.

Unterschiede zum herkömmlichen Hausbau gibt es viele, beginnend mit der Trennung von Roh- und Ausbau. Ein modulares Wohnhaus besteht aus einem stabilen Skelettbau, den sogenannten Terminal. Das Gerüst wird bereits am gewünschten Ort erbaut und ist aus Beton gefertigt. Anschlüsse und Infrastruktur wie Wasser- und Energieversorgung sind im Grundgerüst eingebaut, um die einzelnen Module einfügen zu können.
Im Rahmen von „Häuser schaun“ fanden im ersten Kiubo Wohnhaus drei Besichtigungstermine statt.
Im Rahmen von „Häuser schaun“ fanden im ersten Kiubo Wohnhaus drei Besichtigungstermine statt. - © Jakob Waltl, HDA

Die Bauzeiten hierfür sind kürzer, vor Ort wird nur wenig Zeit zur Errichtung benötigt und über die Nutzungsmöglichkeiten für das Gebäude kann, wenn erwünscht, auch erst kurz vor der Fertigstellung entschieden werden. In die Terminals, die den Rohbau bilden, können innerhalb von drei Stunden die bereits vorgefertigten Wohnmodule eingebaut werden. Diese 25 Quadratmeter großen Modul-Einheiten werden aus Holz in serieller Produktion in Hallen gefertigt, statt am zukünftigen Standort erbaut. Sie können nach Belieben erweitert und an andere Orte übersiedelt werden, sofern es auch dort einen Kiubo-Terminal gibt.

Jede Einheit startet mit einem Basismodul in der Größe von 25 Quadratmetern. Dieses Modul ist eine autarke Wohneinheit, die mit einem Bad, einer Küche sowie einem Schlaf- und Aufenthaltsbereich ausgestattet ist. Sie kann um Zusatzmodule, die wieder jeweils 25 Quadratmeter groß sind, erweitert werden.

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„Durch die vorgefertigten Kiubo-Module werden revolutionäre Möglichkeiten geschaffen: So kann der Wohnraum je nach Bedarf flexibel vergrößert oder verkleinert werden und im Fall eines Umzugs können einfach die vollmöblierten Module übersiedelt werden“, erklärte Hans Schaffer, Vorstandsdirektor des ÖWG Wohnbau und Geschäftsführer Kiubo, einige der Vorteile des modularen Wohnkonzeptes. Langfristiges soll Kiubo neue Städte und Regionen erschließen.

Energytalk Flughafen 2023 Gernot Eder photography 2023 29.03.2023
Hans Schaffer (ÖWG) präsentierte das modulare Wohnkonzept Kiubo - © energytalk/Gernot Eder photography
Durch das Trennen von Bauteilen ermöglichen wir außerdem bessere, ergonomischere Arbeitsbedienungen entlang der gesamten Herstellungskette.
Stefan Schrenk, Geschäftsführer von myblock

myblock: Zeit- und Kostenersparnis durch serielle Vorfertigung

Aufgrund des Fachkräftemangels und der hohen Fluktuation an Mitarbeitenden wird es für viele Unternehmen immer schwieriger, den hohen Qualitätsanspruch zu halten. „Durch die serielle Vorfertigung in der Halle, können wir mit myblock trotz der aktuellen Situation konstant die höchste Qualität garantieren. Durch das Trennen von Bauteilen ermöglichen wir außerdem bessere, ergonomischere Arbeitsbedienungen entlang der gesamten Herstellungskette“, skizzierte Stefan Schrenk, Geschäftsführer myblock.

Was ist der myblock? Elektro-, Installations-, Heizungs- und Lüftungstechnik sind dabei in einem Block verbaut – wahlweise auch mit einer anschlussfertigen Küche inkl. aller Geräte oder einem ausgestatteten Bad. Der Aufbau und Anschluss sollen an der Baustelle in fünf Minuten erledigt sein, wie das Unternehmen auf seiner Website wirbt. Möglich ist ein Einsatz bei allen mehrgeschossigen Wohnanlagen aus Holz. Die serielle Vorfertigung spart so Zeit auf der Baustelle und reduziert die Abhängigkeit von Installateur*innen. Den myblock gibt es in vier Größen und mehreren Ausstattungsvarianten.

Was ist energytalk?

Der energytalk ist eine Informations- und Netzwerkplattform, die 2009 von der TBH Ingenieur und Odörfer Haustechnik ins Leben gerufen wurde. Zur Zielgruppe gehören Entscheidungsträger*innen im Bereich Energie, Kommunen, Bauträger, Genossenschaften, Architekt*innen, Baumeister*innen, Professionist*innen, sämtliche Unternehmen im Bereich Energie und Bau sowie Endverbraucher*innen. In den mehrmals jährlich stattfindenden Abendveranstaltungen referieren Fachleute zu den Themen Umwelt, Energie und Versorgung und stellen Best- Practice-Beispiele vor.

Der Sommer-energytalk findet am 5. Juli 2023 statt.