Dekarbonisierung : Klimaschonendes Wirtschaften erfordert energieoptimierte Industrieimmobilien

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Es ist ein Trend, der Mut macht: Laut österreichischem Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMK), steigt in der Alpenrepublik der Produktionsindex deutlich stärker als der Energieverbrauch. Damit verbessert sich die Energieproduktivität um ein Vielfaches. Zwischen 2014 und 2020 hat die Produktion sogar um 9,2 Prozent zugenommen, wobei vor allem Wirtschaftsbereiche mit einer geringeren Energieintensität zulegen. Der Endenergieverbrauch wurde so um 5,8 Prozent kompensiert, so das Ministerium. Damit wird dokumentiert, dass es auch in der österreichischen Industrie in die energieeffiziente Richtung geht.

Es gilt zu beachten: Energieeffizienz geht vor Energieträgerwechsel.

Regierungen in Wien und Berlin drücken aufs Tempo beim Umstieg

Doch reicht das Tempo? Angesichts der massiven Verwerfungen durch die Klimaerwärmung ist dies bereits überfällig. Alle Hebel müssen in Richtung Dekarbonisierung umgelegt werden, damit die Ziele der Politik und der Wissenschaft noch erreichbar bleiben. Das Ziel muss aber auch sein, dies so weit wie möglich kostenneutral zu gestalten. Und es gilt zu beachten: Energieeffizienz geht vor Energieträgerwechsel.

Das Ziel der österreichischen Bundesregierung ist es, bis 2040 Österreichs Klimaneutralität zu erreichen. Mit dem Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz will das Land bis zum Jahr 2030 im Strombereich seinen Gesamtverbrauch national bilanziell zu 100 Prozent auf erneuerbare Energiequellen umstellen. Gleichzeitig muss es nach Angaben der Regierung weg von Fossilen und in erster Linie weg von Öl und Gas, die zwei Drittel des noch fossilen Energieverbrauchs ausmachen.

Industrie ist in der Klimaschutz-Pflicht

Mit rund 29 Prozent Endenergieverbrauch ist die Industrie neben der Raumwärme und dem Verkehr ein wesentlicher Energieverbrauchsbereich. Das gilt für Österreich, aber auch für das Nachbarland Deutschland. Dort beschloss die Bundesregierung aus SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen Mitte April den Entwurf zum Energieeffizienzgesetz.

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Das Gesetz formuliert strenge Ziele für die Senkung des deutschen Energieverbrauchs: Bis Ende dieses Jahrzehnts soll der Endenergieverbrauch Deutschlands um 26,5 Prozent gegenüber dem Jahr 2008 sinken, bis 2045 sogar um 45 Prozent. Auch die Industrie ist hier in der Pflicht, einen nennenswerten Beitrag zum Erreichen der Klimaziele zu leisten.
Wenn bildlich gesprochen die energetische Umrüstung eines Einfamilienhauses aus den Siebzigerjahren auf eine Wärmepumpe eine Gesellenprüfung darstellt, ist die energetische Umrüstung einer großen Industrieimmobilie mindestens die Meisterprüfung.

Industrieimmobilien unter ferner liefen – bis jetzt

Energieeffizienz und danach den Ausbau der regenerativen Energieträger voranzutreiben, wird dabei der größte Hebel für den grünen Umbau des Gebäudebetriebs im Industriesektor sein. Allein in Deutschland ist ungefähr jede dritte Immobilie eine Industrieimmobilie. Diese Tatsache wird bei der Debatte um das klimaneutrale Heizen oder den Grünstrom in Ein-, Zwei- oder Mehrfamilienhäusern jedoch viel zu selten erwähnt.

Vor allem, weil nahezu alle Industrieimmobilien heute noch mit Gas, Öl oder der Kombination aus beidem betrieben werden. Doch wie gelingt die energetische Sanierung von Industriebauten, von Werkshallen und Produktionsstätten? Wenn bildlich gesprochen die energetische Umrüstung eines Einfamilienhauses aus den Siebzigerjahren auf eine Wärmepumpe eine Gesellenprüfung darstellt, ist die energetische Umrüstung einer großen Industrieimmobilie mindestens die Meisterprüfung.

Vor der ersten Baumaßnahme steht die gründliche Ist- und Schwachstellenanalyse: An welchen Stellen im Gebäude wird die meiste Wärme und der meiste Strom verbraucht? Wo wird beides vielleicht sogar vergeudet? An welchen Stellen des Gebäudebetriebs sind ineffiziente Energieverbräuche am schnellsten korrigierbar? Nur der ganzheitliche Ansatz und das Denken „Out of the Box“ führen hier zum Erfolg.

Für diese Analyse braucht es Zeit, viel Fachwissen und das entsprechende Personal. Doch daran mangelt es selbst in größeren Unternehmen. Daher lohnt der Einsatz fachkundiger externer Energie-Expert*innen und -Berater*innen. Sie bewerten die aktuelle Energieeffizienz und entwickeln einen Fahrplan für den Umstieg.

Andreas Blassy
Fachautor Andreas Blassy, Head of Digital & Energy Services bei Caverion Deutschland, fordert ein Umdenken. - © Caverion
Allein durch die Wechsel auf Grünstrom wird eine Immobilie nicht klimaschonend.

Summe vieler kleiner Schritte führt zum Ziel

Es ist nie der eine Schritt, mit dem der energie- und klimaschonende Umstieg in der Gebäudetechnik funktioniert – vor allem nicht bei so großen und verschachtelten Objekten wie Industrieimmobilien. Viele kleine Schritte führen über einen Zeitraum vielmehr zum Ziel.

Dabei kann etwa eine neu justierte und angepasste Regelungstechnik eine zentrale Rolle spielen. Aber auch Maßnahmen, die die Hydraulik verbessern oder die Installation einer modernen Messtechnik, sind wichtige Bausteine für die energieeffiziente und klimagerechte Umrüstung der Immobilie. Abgerundet wird der Prozess in der Regel durch die Implementierung von Gebäudeleittechnik und einem digitalen Energiemonitoring. Sinnhaftigkeit und Logik gehen hier vor unnötiger Komplexität und überflüssiger Technik.

Die Unternehmen, denen die Immobilien gehören, sollten auf keinen Fall zu kurz denken. Allein durch die Wechsel auf Grünstrom wird eine Immobilie nicht klimaschonend, wenn beispielsweise die alten zugigen Fenster nicht ausgetauscht werden oder bei der Regelungstechnik alles beim Alten bleibt. Um einen alten Werbespruch aus der fossilen Zeit abgewandelt zu zitieren: Es gibt viel zu tun, packen wir es an. In tagtäglicher Abstimmung mit fachkundigen Energie-Expert*innen lassen sich auch und gerade bei Industrieimmobilien ungeahnte Einspar- und Klimaschutzpotenziale entdecken und heben.