Kreislaufwirtschaft in der Gebäudetechnik : Ein Fancoil kann 100 Jahre halten

Michael Haugeneder

Michael Haugeneder, ATP sustain, warnt davor, dass die hochwertigen Materialien zur Herstellung von TGA in Zukunft nicht mehr verfügbar oder unleistbar sein werden.

- © ATP/Schaller

TGA: Herr Haugeneder, Sie kritisieren die fehlenden „second-life“-Bemühungen der Gebäudetechnik. Welches Interesse hätte die Branche, sich da mehr zu engagieren?

Michael Haugeneder: Ich sehe die Gefahr, dass wir durch intransparente oder gar nicht verfügbare Daten zur Ökobilanz Geschäft verlieren. Für den Errichter einer Immobilie ist jede technische Anlage ein Risiko. Wenn ich einem Immobilienentwickler keine Daten zur Gebäudetechnik bieten kann, wird er im Zweifelsfall zunehmend den „low tech“-Ansatz wählen und weniger Technik einbauen. Es gibt schon Fälle, wo überlegt wird, auf PV am Dach zu verzichten.

Warum das? Gerade PV ist doch das Klimaschutz-Vehikel am Bau schlechthin.

Haugeneder: Ja, aber wenn das Stromnetz in 10 Jahren ohnehin nur mehr erneuerbaren Strom transportiert, hat ein Immobilienbetreiber keinen ökologischen Vorteil mehr durch eine eigene PV-Anlage. Wenn ich dann keine Daten über die Ökobilanz der Produkte und über das Verhalten am Ende des Lebenszyklus vorlegen kann, hat der Errichter Sorge, dass er dann mit Sondermüll am Dach dasteht. Das zweite Problem, dass ich auf die Branche zukommen sehe, liegt darin, dass die hochwertigen Materialien zur Herstellung in Zukunft nicht mehr verfügbar oder unleistbar sein werden. Die Ressourcen sind dann entweder verbaut oder sind als Verunreinigung im minderwertigen Stahl oder liegen überhaupt am Schrottplatz.

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Ich sehe die Gefahr, dass wir durch intransparente oder gar nicht verfügbare Daten zur Ökobilanz Geschäft verlieren.

Was wäre Ihr Lösungsansatz für die Verlängerung des Lebenszyklus?

Haugeneder: Derzeit gibt es nur Einbauvorschriften für die Geräte. Wir bräuchten auch Rückbau- und Reparaturvorschriften sowie Prüfverfahren für die Wiederinverkehrbringung. Weil Sie mich nach dem Fancoil gefragt haben: Das Kühlregister hält 500 Jahre. Was kaputt wird, ist die Wicklung des Motors und natürlich Verschleißteile wie Lamellen. Wenn ich das Produkt so designe, dass es leicht austauschbar und reinigbar ist, verlängert sich die Lebenszeit eines Fancoils sehr rasch von 25 Jahren auf 100 Jahre oder mehr.

Sie sprechen von fehlenden Daten. Hier setzt man große Hoffnungen in die Digitalisierung, teilen Sie diese Hoffnung?

Haugeneder: Das sehe ich eher als Teil des Problems: Wir versuchen, etwas mit Sensorik und Elektronik zu lösen, weil wir nicht bereit sind, in eine ordentliche Betriebsführung zu investieren. Wenn ich von Anfang an die Informationen habe, was ich wann und wie verbaut habe, und wenn dann noch regelmäßig eine*n Techniker*in Nachschau halten lasse, brauche ich nicht in jedem Bauteil einen Chip verbauen. Damit verschieben wir nur die Verantwortung, die mit vorausschauender Planung und ordentlicher Betriebsführung besser und ohne zusätzlichen elektronischen Sondermüll gelöst wäre.

Nun ersetzt Digitalisierung und Fernüberwachung zum Teil aber auch fehlendes Personal, oder?

Haugeneder: Das ist schon richtig, und es ist auch möglich, dass wir in ein paar Jahren draufkommen, dass einzelne der vielen von uns jetzt erhobenen Betriebsdaten wirklich eine Verbesserung bringen. Aber lassen Sie mich einen anderen Aspekt beleuchten: In anderen Branchen gibt es Hersteller, die aktiv darauf schauen, dass sie ihre Produkte am Ende des Lebenszyklus auch wirklich zurückbekommen, um garantiert Zugriff auf die darin verbauten Materialien zu haben. Kupfer zum Beispiel ist eine zunehmend knappe Ressource, die aber ewig weiterverwendet werden kann, und das ist nur ein Beispiel. Die TGA verbaut hochwertigste Materialien und verlässt sich noch immer darauf, diese auch in Zukunft noch zukaufen zu können. Die Rohstoffversorgung ist aber höchst unsicher – ich frage mich, warum die Branche da nicht endlich aufwacht!

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