Refurbished Gebäudetechnik : Der schwierige Weg vom Verschrotten zum Wiederverwenden

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Kreislaufwirtschaft – ein Thema, das in der Bauwirtschaft höheres Ansehen genießt als in der Gebäudetechnik. Dennoch gibt es Pioniere.

- © Rees - stock.adobe.com

„Der hat bestimmt noch nie einen alten Fancoil ausgebaut“, flüsterte mir ein Techniker zu, während wir lauschten wie Michael Haugeneder auf der Bühne über Recycling und Gebäudetechnik sprach. Genau genommen sprach der Geschäftsführer von ATP sustain nicht bloß über Recycling, also das Wiederverwerten der in ausrangierten Produkten enthaltenen Rohstoffe: Er sprach über seine Vision von „Repair & Reuse“, also das Ausbauen, Wiederinstandsetzen und Weiterverwenden von gebäudetechnischen Anlagenteilen. Also am besten die Frage gleich weitergeben, ehe wir uns zu lange mit Theorie aufhalten: Haben Sie schon mal einen alten Fancoil ausgebaut, Herr Haugeneder?

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Das zweite Leben eines Gebläsekonvektors

Michael Haugeneder beschäftigt sich seit 30 Jahren mit nachhaltigem Bauen, mit dem Lebenszyklus von Gebäuden und den Möglichkeiten, diese durch integrale Planung zu optimieren. Seit 2010 ist der Absolvent der FH für Gebäudetechnik in Pinkafeld Geschäftsführer von ATP sustain, der Forschungs- und Sonderplanungsgesellschaft eines der größten Planungsbüros in Europa. Die Frage, ob er denn nun mal schon einen Fancoil ausgebaut hat, bringt ihn zum Lächeln: „Ja, natürlich weiß ich wie ein 25 Jahre alter Fancoil aussieht: Der ist dreckig, die Lamellen sind verklebt …“.

Aber gleichzeitig ist dieser fiktive Fancoil ein gutes Beispiel dafür, was Haugeneder meint, wenn er von der Weiterentwicklung der Gebäudetechnik in Richtung Recycling und Reuse spricht. Da ist erstens der praktische Zugang: „Einen Fancoil reinigen wird man hinbekommen, und die Lamellen lassen sich gegebenenfalls reparieren“. Das ist deshalb mit einigem Aufwand verbunden, weil bei der Konstruktion dieses Geräts vor 25 Jahren nur ans Einbauen und die Funktion des Luftkonditionierens gedacht wurde, nicht ans Leben danach. Haugeneder: „Das Produktdesign der Zukunft muss einen Fancoil so gestalten, dass er leicht reinigbar, leicht zerlegbar und kaputte Teile leicht austauschbar sind, um das Gerät nach Reinigung und Reparatur weiter verwenden zu können.“

Michael Haugeneder
Hat auch schon Fancoils ausgebaut: Michael Haugeneder, Geschäftsführer ATP sustain. - © ATP/Florian Schaller

Die TGA braucht hochwertigste Materialien

Ein wichtiger Schritt wäre es, den ökologischen Fußabdruck dieses Fancoils zu kennen. Hier sind viele hochwertige Teile und vor allem hochwertige Materialien verbaut, vom Elektromotor über den Ventilator bis zum Wärmetauscher. Haugeneder: „Wenn man genau wüsste, was das alles kostet, wie viel Energie reingesteckt werden muss, um den zu produzieren, wird man rasch merken, dass reinigen, reparieren und wiederverwenden die deutlich billigere Lösung ist.“ Aber genau das ist das Problem in der Gebäudetechnik: Während in anderen Baubereichen Recycling und Kreislaufwirtschaft ein großes Thema sind, werde das in der Gebäudetechnik bisher großteils ignoriert – und das gegen den Trend in der Bauwirtschaft.

Gebäudetechnik: Default-Aufschlag zur Ökobilanz

Am Bau ist die Ökobilanz das Werkzeug für den Klimaschutz. Die grauen Emissionen der Baustoffe werden für den Bauherren, der zunehmend „grün“ bauen will und laut EPBD seinen ökologischen Fußabdruck auch deklarieren muss, mit ausgereiften Modellen dargestellt. In der Gebäudetechnik habe man davon noch nichts, meint Haugeneder: „Wir machen in der Ökobilanz einfach einen 20-prozentigen Aufschlag für die TGA, weil von den Herstellern keine genaueren Daten verfügbar gemacht werden.“ Das ist auch irreführend, denn wenn sich ein Bauherr wirklich um einen ökologisch hochwertigen Rohbau bemüht, sind 20 Prozent Aufschlag darauf viel weniger als in einem 08/15-Bau – obwohl die gleiche Gebäudetechnik verbaut wird. Zudem gibt es Forschungsergebnisse, die darauf schließen lassen, dass alleine bei der Errichtung die Gebäudetechnik bis zu 50 Prozent der CO2-Bilanz verursachen.

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Wenn die Gebäudetechnik es mit der Nachhaltigkeit ernst meint, muss sie beginnen Daten zur Ökobilanz ihrer Produkt zu liefern.
Michael Haugeneder, ATP sustain

Die fehlenden Daten hinter der Technik

Das liegt, so Haugeneder, an den schon erwähnten hochwertigen Materialien, die in der Gebäudetechnik verbaut werden. Alleine der Ventilator des beispielgebenden Fancoils besteht aus bis zu 200 Einzelbauteilen. Verwendet werden Metalle und Metallegierungen, die heute bestenfalls „downgesized“, also zu minderwertigem Material eingeschmolzen werden, wenn sie nicht überhaupt bloß verschrottet und entsorgt werden. Michael Haugeneder: „Wenn die Gebäudetechnik es mit Nachhaltigkeit und CO2-Bilanz ernst meint, muss sie beginnen, Daten über ihre Produkte zu liefern – so wie es andere Baugewerke schon tun.“ Grund genug, sich umzuschauen: Was tut die Gebäudetechnik bereits in Sachen Kreislaufwirtschaft?

In der Wärmepumpen-Branche selber hat sich Daikin mit seinem Projekt „Loop“ des Themas angenommen und bietet Kreislaufwirtschaft bei Kältemitteln.

- © Daikin Österreich

Recycling: Rohre und Kältemittel

Auf der Suche nach Beispielen für Kreislaufwirtschafts-Ansätze landet man zuerst freilich beim Recycling. Das ist in der Kreislaufwirtschaft die erste, die niedrigste Stufe der Entwicklung. Am Ende der Lebenszeit eines Produktes oder aus nicht mehr verwendbaren Produktabfällen wird der Rohstoff wiedergewonnen. Das bekannteste Beispiel in Österreich ist der ÖAKR, der Österreichische Arbeitskreis für Kunststoffrohr-Recycling.

Schon seit 1991 sammeln führende Kunststoffrohr-Anbieter gebrauchte Rohre und bei der Verlegung anfallende Reste zwecks Wiederverwertung. Zu Spitzenzeiten wurden fast 1.500 Tonnen Material gesammelt. Der Verein, dessen Vorsitz derzeit wegen Jobwechsels des Präsidenten vakant ist, versammelte zuletzt 34 Mitgliedsunternehmen. Beim Kupferrohr tut sich die Wieland-Gruppe hervor, die 2023 das aus 100 Prozent Recycling-Material bestehende Installationsrohr cuprolife auf den Markt brachte. Damit trägt das Wieland Möllersdorf, in Österreich früher bekannt unter Metallwerk Möllsdorf, der praktisch unbegrenzten Lebensdauer des Werkstoffs Kupfer Rechnung.

Ein begehrtes Recycling-Produkt sind auch Kältemittel. Der Weg in Richtung natürlicher Kältemittel mit geringererem GWP (Global Warming Potenzial) und damit der Ausstieg aus „alten“ Kältemitteln ist branchenbekannt. Doch die Nachfrage nach R-410a und ähnlichem ist für die Sanierung ungebrochen, aufbereitete Kältemitteln können darum bei vielen Händlern erworben werden. In der Wärmepumpen-Branche selber hat sich Daikin mit seinem Projekt „Loop“ des Themas angenommen und bietet Kreislaufwirtschaft bei Kältemitteln: Mit dem Service aus Rückgewinnung, Aufbereitung und Wiederverwendungn hilft der Hersteller den Betreibern, Kosten zu sparen und Anlagen länger zu Betreiben, während gleichzeitig die Produktion neuer Kältemittel vermieden wird.

Ochsner Second Life: Qualität lebt länger

Eine echte Innovation in Sachen Kreislaufwirtschaft ist dem Wärmepumpen-Spezialisten Ochsner gelungen: Mit seiner Second-Life-Schiene ist er der erste Heizgeräte-Anbieter, der sich aktiv um die Verlängerung der Lebensdauer seiner Maschinen kümmert. Verantwortlich dafür ist Hannes Brandner, der seit fünf Jahren als Qualitätsmanager bei Ochsner tätig ist.

Der Unternehmensbereich „Ochsner Second Life“ hat das Ziel, die Lebensdauer von Wärmepumpen signifikant zu verlängern und dadurch Ressourcen zu schonen, Energie zu sparen und Abfall zu vermeiden. Das Geschäftsmodell basiert auf drei Säulen: Dem „Refurbishment“ von defekten Geräten, der Generalüberholung von Gebrauchtmaschinen und Neugeräten mit Schönheitsfehlern, sowie dem Verkauf von Second-Life-Ersatzteilen.

Second Life Ochsner
Der Unternehmensbereich „Ochsner Second Life“ hat das Ziel, die Lebensdauer von Wärmepumpen signifikant zu verlängern. - © Ochsner
Wir sehen ‚credible green‘ als Gegenpart zum leider allgegenwärtigen Greenwashing.
Hannes Brandner, Ochsner

Frankys funktionieren

Begonnen hat alles mit einem Rundgang durchs Werk mit seinem Vorgesetzten, erzählt Brandner: „Ich habe Maschinen entdeckt, die für die Verschrottung gekennzeichnet und vorbereitet waren.“ Da müsse man doch noch was machen können, die seien doch noch verwendbar, habe er gemeint. Die Reaktion des Chefs war „Ja, da haben Sie recht. Machen Sie was draus!“ Das tat der gelernte Elektrotechniker dann auch.

Der erste Schritt war es, die ausrangierten Geräte genau unter die Lupe zu nehmen und Kategorien zu bilden: Von Geräten, die bloß einen optischen Mangel wie einen Transportschaden aufweisen, über Labor- und Testmaschinen, Gebrauchtgeräten nach Laufzeiten und „Kilometerleistung“ bis hin zu Schrott, also tatsächlich nicht mehr funktionsfähigen Maschinen.

Aber selbst aus denen macht Ochsner noch sogenannte „Frankys“ in Anlehnung an den aus Leichenteilen zusammengebauten Frankenstein, wie Brandner mit einem Grinsen erzählt: Wenn man einzelne noch gebrauchsfähige Teile von Wärmepumpen addiert, kommt immer noch ein funktionsfähiges Gerät heraus.

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Hannes Brandner leitet den Bereich Second Life bei Ochsner.
Hannes Brandner leitet den Bereich Second Life bei Ochsner. - © Ochsner
Das ist natürlich kein Geschäftsfeld, bei dem die großen Margen zu holen sind.
Hannes Brandner, Ochsner

900 Second Life Wärmepumpen

Die Bilanz kann sich in jedem Fall sehen lassen: In den zwei Jahren von „Ochsner Second Life“ wurden bereits 900 Wärmepumpen einem zweiten Leben zugeführt. Bei Ochsner sind rechnerisch 2,5 FTE, also Vollzeitarbeitsplätze, mit dem Thema betraut. Zwei Techniker sind im Werk mit der Aufbereitung beschäftigt, eine Mitarbeiterin kümmert sich halbtags um die Abwicklung von der Rücknahme über die Angebotslegung bis zum Verkauf. Brandner: „Das ist natürlich kein Geschäftsfeld, bei dem die großen Margen zu holen sind. Wir machen eine schwarze Null damit, aber mir zeigt es, dass für uns bei Ochsner das Thema Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft nicht nur ein Lippenbekenntnis ist: Wir nehmen das wirklich ernst – ‚credible green‘ als Gegenpart zum leider allgegenwärtigen Greenwashing.“

Dornbracht ReCrafted: Ein Markenversprechen

Der zweite große Name in der Gebäudetechnik, der aus dem Schritt in die Kreislaufwirtschaft ein Geschäftsmodell gemacht hat, ist Dornbracht. Während bei einer Wärmepumpe die technische Funktionalität im Mittelpunkt steht und über optische Defizite eines im Keller stehenden Wärmeerzeugers leichter hinweggesehen werden kann, ist das bei Premium-Armaturen ganz anders: Hier steht das Designversprechen, die optische Exzellenz des Produkts im Blickpunkt.

Seit einem Jahr bietet Dornbracht nun seine wiederaufbereiteten Design-Klassiker unter der Marke „Dornbracht ReCrafted“ an. Zur ästhetischen Langlebigkeit der Armaturen addiert der Iserlohner Hersteller quasi den Nachhaltigkeitsaspekt, denn laut unabhängigen Berechnungen des TÜV spart jede ReCrafted-Armatur 40 Prozent CO2 in der Ökobilanz.

Stefan Gesing, Dornbracht
ReCrafted ist bei Dornbracht Chefsache. Idee und Anstoß stammen vom CEO Stefan Gesing. - © Dornbracht
Als ich die Idee erstmals zur Diskussion gestellt habe, bin ich belächelt worden.
Stefan Gesing, Dornbracht

Aufbereitung im Kleinen als Start

ReCrafted ist bei Dornbracht Chefsache. Idee und Anstoß stammen vom CEO Stefan Gesing, der diese Funktion 2020 übernommen hat. Als Vater von vier Kindern sei er natürlich auch persönlich geprägt von den Ideen der jüngeren Generation: „Papa, ist das überhaupt nachhaltig, was ihr da macht?“, so lautete die Frage an ihn. Dornbracht selbst produziert seit 2021 CO2-neutral, aber für ihn gehe das nicht weit genug.

Aus anderen Industrien gibt es Beispiele für erfolgreiche Ansätze, beispielsweise beim Kofferhersteller Rimowa, der seine Aluminiumkoffer im Kreislauf hält: Aus der Rücknahme, der Aufbereitung und dem Wiederverkauf ist hier ein Geschäftsmodell samt Kundenbindung geworden. Gesing: „Als ich diese Idee erstmals bei Dornbracht zur Diskussion gestellt habe, bin ich belächelt worden; aber ich habe nicht losgelassen.“ Zur Hilfe kam ihm dabei die Tatsache, dass der mittelständische Betrieb schon lange die Aufbereitung von Armaturen im Kleinen betreibt. Auf Kundenwunsch wurden auch bisher schon deren Lieblingsstücke sorgfältig restauriert: „Lasst uns diese Kompetenz einer breiten Käuferschicht anbieten“, so Gesings Ansatz.

Beim Aufbereitungsprozess wird die Armatur zuerst händisch zerlegt und geprüft. Das Chrom wird durch einen umgedrehten Galvanisierungsprozess entfernt, bis der unzerstörbare Messingkörper übrig ist. Dieser wird, so er nicht mechanisch nachhaltig beschädigt ist, soweit es nötig ist, geschliffen und poliert, danach wieder beschichtet und mit neuen Funktionsteilen versorgt. Am Ende zeigt nur das „ReCrafted“-Emblem, eine eingetragene Trademark von Dornbracht, dass es sich hierbei nicht um ein neues Teil handelt.

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Dornbracht Re Crafted
Aufbereitungsprozess der ReCrafted-Armaturen von Dornbracht. - © Dornbracht AG & Co. KG, Iserlohn, Deutschland
Wir geben auf unsere ReCrafted-Produkte die gleiche Garantie wie bei neuen Armaturen.
Stefan Gesing, Dornbracht

Gleiche Garantie & schwarze Null

Gesing: „Wir geben auf unsere ReCrafted-Produkte auch die gleiche Garantie wie bei neuen Armaturen!“ Dass Dornbracht seit jeher auf zeitlose Klassiker setzt – die Armatur Tara beispielsweise ist seit 31 Jahren unverändert –, und dass innerhalb der Produktion Kleinserien statt großen, industriell hergestellten Fließband-Serien üblich sind, hilft dabei natürlich. Aber noch eine weitere Parallele zu Ochsner nennt Gesing: „Das Geschäftsmodell muss sich von selber tragen, sonst ist es Marketing und nicht Nachhaltigkeit.“ Auch hier ist eine schwarze Null das Ziel: Kreislaufwirtschaft als Gegenmodell zum Greenwashing.

Wir kennen den ökologischen Fußabdruck der von uns verbauten Anlagen nicht.
Michael Haugeneder, ATP sustain

Fazit: Zwei Beispiele von derzeit … zwei!

Mehr Beispiele für kreislaufwirtschaftliche Ansätze kennt die Gebäudetechnik derzeit nicht. Michael Haugeneder erneuert darum seine Kritik an der Branche und insbesondere an den Herstellern: „Das Forschungsinstitut Fraunhaufer kann mittlerweile aus geschreddertem Beton Zement vom Stein trennen und wiederverwenden, während wir in der Gebäudetechnik nicht mal den ökologischen Fußabdruck unserer Anlagen kennen.“

Das sei gerade angesichts der verwendeten hochwertigen Materialien ein grober Makel. Das Beispiel Fancoil ist nur eines von vielen: In Pumpen beispielsweise werden Hochleistungsstähle eingesetzt, während für Stahlträger am Bau minderwertige Stähle reichen. Den Widerspruch bringt Haugeneder auf den Punkt: „Beim Abriss bringen wir den Baustahl mit Samthandschuhen ins Recycling, eine Pumpe hingegen fliegt zum Elektroschrott.“ Das muss sich ändern, wenn die Gebäudetechnik Nachhaltigkeit tatsächlich ernst nimmt.