NEST-Unit "STEP2" : Empa: Erweiterung für Forschungs- und Innovationsgebäude NEST
Eine digital gefertigte Treppe, die sich in den zweiten Stock windet, eine hauchdünne, perforierte Betondecke, die den Schall absorbiert. Boden- und Wandmaterialien aus rezyklierten Abfallstoffen – das neueste Gebäudemodul im Forschungs- und Innovationsgebäude NEST an am Schweizer Forschungszentrum Empa ist ein Leuchtturm für materialsparende und energieeffiziente Bautechnologien. Die neue Unit STEP2 wurde nun offiziell eröffnet.
Das zweistöckige Gebäudemodul ganz oben in der Südostecke von NEST vereint eine Reihe von Innovationen, die allesamt zum Ziel haben, den Material- und Energieverbrauch zu senken und einen kreislaufgerechten Umgang mit unseren Ressourcen zu fördern. „Gleichzeitig ist es uns ein großes Anliegen, dass wir Lösungen entwickeln, die marktfähig sind und in der Baubranche tatsächlich eine Zukunft haben", betont Enrico Marchesi, Innovation Manager im NEST.
Im Dreiergespann mit dem Chemiekonzern BASF und dem Architekturbüro ROK hat das NEST-Team der Empa deshalb jede Idee auf Marktrelevanz überprüft und mit den weiteren Partnern reale Business Cases entwickelt. Entsprechend verfolgte das Team von Anfang an einen – für ein Bauprojekt eher unüblichen – Co-Creation-Ansatz. „In der Praxis eines solchen Bauprojekts erfordert das engste Zusammenarbeit aller Beteiligten von der Konzeption bis zur Umsetzung", weiß Architekt Silvan Oesterle von ROK. Schon vor der ersten Skizze saßen alle relevanten Akteure an einem Tisch. „Nur so konnten wir sicherstellen, dass wir bei der Integration von neuen Technologien ins Bauprojekt alle wichtigen Aspekte berücksichtigen", erklärt Oesterle und nennt dieses Konzept der integrierten Architekturentwicklung.
Was ist NEST?
NEST ist das modulare Forschungs- und Innovationsgebäude der Empa und der Eawag. Dort werden neue Technologien, Materialien und Systeme unter realen Bedingungen getestet, erforscht, weiterentwickelt und validiert. Eine enge Kooperation mit Partnern aus Forschung, Wirtschaft und öffentlicher Hand soll dazu führen, dass innovative Bau- und Energietechnologien schneller auf den Markt kommen.
Selbstregulierende Elemente an der Fassade
Wichtige Innovationsbereiche der STEP2-Unit betreffen das Energiemanagement und die Gebäudehülle. Das Ingenieurbüro WaltGalmarini hat für die Unit ein umfassendes Energie- und Behaglichkeitskonzept entwickelt. Die Fassade ist das zentrale Element, wenn es darum geht, das Raumklima zu optimieren und gleichzeitig die Energieeffizienz des Gebäudes zu steigern. Zum Einsatz kommt eine von Aepli Metallbau neu entwickelte Doppelhautfassade mit integrierter Beschattung, kontrollierter natürlicher Lüftung und automatisierten Lüftungsklappen.
Die Fassade ist selbst eine Versuchs- und Entwicklungsplattform: Mit wenig Aufwand können in den kommenden Jahren einzelne Module ausgewechselt und dadurch neue Technologien verbaut werden. In einer ersten Phase kommt etwa ein Fensterelement von New Digital Craft mit integrierter, 3D-gedruckter Struktur zum Einsatz, die dem Sonnenverlauf angepasste Beschattung liefert. Dafür brachte BASF im Bereich der digitalen Produktionstechnologien 3D-Druckmaterialien ein, die auch für den Druck der Treppenschalung verwendet wurden.
Multifunktionale Geschossdecke und Betontreppe aus dem 3D-Drucker
Beim Betreten von STEP2 sticht zuallererst die Decke ins Auge. Als Rippen-Filigrandecke konzipiert, erlaubt sie Spannweiten von bis zu 14 Metern und eignet sich damit besonders für den Büro- und Hochhäuserbau. Entwickelt wurde die Decke vom Architekturbüro ROK zusammen mit dem Ingenieurbüro WaltGalmarini und Stahlton. Mithilfe von eigens entwickelten digitalen Planungsmethoden und 3D-gedruckten Schalungen für die vorgefertigten Elemente konnten sowohl der Materialaufwand wie auch die CO2-Emissionen verglichen mit einer Beton-Flachdecke derselben Spannweite um rund 40 Prozent gesenkt werden.
Neben ihrer strukturellen Funktion übernimmt die Decke zusätzlich weitere Aufgaben: Integrierte, 3D-gedruckte Boxen, die mit einem Tonschaum von BASF zur Schallisolation gefüllt sind, sorgen für eine angenehme Raumakustik, trotz schallharter Oberfläche. Außerdem dient die Decke als thermische Speichermasse, wirkt damit ausgleichend auf die Raumtemperatur und ist ein wichtiger Bestandteil des Energiekonzepts der Unit.
Ins zweite Stockwerk der Unit gelangt man über eine geschwungene Betontreppe mit dem Namen Cadenza, die das symbolische Rückgrat des Gebäudes darstellt. Für die Treppe hat das Team rund um den Lehrstuhl "Digital Building Technologies" der ETH Zürich und das Architekturbüro ROK das Potenzial von computergestütztem Design und 3D-Druck ausgeschöpft. Die 17 Treppenstufen wurden mit einer einzigen wiederverwendbaren 3D-gedruckten Schalung gefertigt, die eine materialreduzierte Form erlaubt.
Im NEST sind wir an der Schwelle zwischen Forschung und Wirtschaft und können mit unserer Expertise viel für einen erfolgreichen Brückenschlag zwischen Labor und Markt beitragen.Olivier Enger, BASF
Rohstoffgewinnung aus Abfall
Nach den Prinzipien des Upcyclings hat BASF gemeinsam mit Partnern Verfahren und Materialien entwickelt, um aus Abfallstoffen leistungsfähige Oberflächenbeläge zu schaffen. Die Kombination bestehender Verarbeitungstechnologien mit neuer Bindemitteltechnologie und (Rest-)Rohstoffen erlaubt es, Holzfaserplatten wie auch Textilreststoff und Kaffeesatz durch thermoplastische Verformung dreidimensional zu gestalten. Damit wurden individuell geformte Wandpaneele für die Unit gefertigt.
>>> Der schwierige Weg vom Verschrotten zum Wiederverwenden
Die Wandpaneele wie auch die Bodenplatten wurden aus Reststoffen von rezyklierten Denim-Fasern, gebrauchten Pappbechern und Kaffeesatz mithilfe eines Bindemittels und leistungsstarken Beschichtungen hergestellt. Für den Küchenbereich wurde ebenfalls in bekannten Verfahren ein neues Bindemittel eingesetzt, um mit Kaffeesatz Möbeloberflächen herzustellen. Auch für den Ausgleich sowie die thermische und akustische Isolation des Unterbodens, einer Hohlboden-Konstruktion, wurden BASF-Materialien verwendet. Dafür kam zum ersten Mal ein spritzbarer, nichtbrennbarer Tonschaum zum Einsatz.
STEP2 ist als Co-Creation-Plattform und Innovationswerkstatt gedacht. Die Unit wird dem "Scouting & Academic Collaborations"-Team von BASF rund um Olivier Enger fortan als Arbeitsplatz dienen. Bereits seit mehreren Jahren pflegen BASF und die Empa eine strategische Partnerschaft; das Team ist seither auf dem Empa-Campus angesiedelt. Olivier Enger ist überzeugt: „Im NEST sind wir an der Schwelle zwischen Forschung und Wirtschaft und können mit unserer Expertise viel für einen erfolgreichen Brückenschlag zwischen Labor und Markt beitragen."