Sanierung im kommunalen Wohnbau : Erdwärme für den Gemeindebau

Bezirksvorsteherin Penzing Michaela Schüchner, Vizebürgermeisterin und Wohnbaustadträtin Kathrin Gaál, Klimastadtrat Jürgen Czernohorszky und Wiener Wohnen-Direktorin Karin Ramser (v.l.n.r.)

Bezirksvorsteherin Penzing Michaela Schüchner, Vizebürgermeisterin und Wohnbaustadträtin Kathrin Gaál, Klimastadtrat Jürgen Czernohorszky und Wiener Wohnen-Direktorin Karin Ramser (v.l.n.r.) bei den Tiefenbohrungen für die Erdwärmesonden.

- © Stadt Wien/Martin VOTAVA

Rund 500.000 Personen wohnen in Wien im Gemeindebau, die ältesten Gebäude stammen aus dem Anfang der 1920er-Jahre. Diesen großvolumigen Wohnbau von fossilen Heizsystemen auf erneuerbare umzustellen – insbesondere, wenn kein Fernwärme-Anschluss möglich ist –, ist ein wichtiger Baustein in der Wärmestrategie der österreichischen Hauptstadt. 

Eine Gebäudetechnik-Premiere in dieser Hinsicht feiert nun die Wiener Deutschordenstraße 7-25: Erstmals wurde ein Wiener Gemeindebau – im Rahmen eines Raus aus Gas-Pilotprojektes – komplett auf eine klimaneutrale Energieversorgung mit einer zentralen Wärmepumpenanlage umgestellt. Den Probebetrieb hat die Anlage an dieser Adresse erfolgreich absolviert, jetzt wird der Regelbetrieb aufgenommen: 18 Wohnungen sind bereits versorgt, ab Mitte April werden 90 weitere Wohnungen angeschlossen. Bis zum Beginn der nächsten Heizsaison im Oktober werden die Wohnungen aller Mieter*innen, die sich für den Heizungstausch entschieden haben, mit dem neuen System versorgt sein.

Die neue klimaneutrale Wärmeversorgung ist ein Gemeinschaftsprojekt von Wiener Wohnen und Wien Energie. Der Energieversorger übernimmt den effizienten Betrieb der Anlage und die Belieferung der Bewohner*innen mit Wärme für Heizung und Warmwasser. Der Energieumstellung des von 1953 bis 1955 errichteten Gemeindebaus ging eine umfassende Sanierung mit einer Reduktion des Heizwärmebedarfs um 75 Prozent voraus. „Mit diesem ‚Raus aus Gas‘-Pilotprojekt zeigt der Wiener Gemeindebau vor, wie man große bestehende Wohnhausanlagen zukunftsfit machen kann", erklärt Vizebürgermeisterin und Wohnbaustadträtin Kathrin Gaál die Energielösung, die auf Erdwärme, Wärmepumpe und Photovoltaik setzt. 

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Erdwärme und Photovoltaik

Für die Propan-Wärmepumpenlage werden zwölf Erdwärmesonden mit 120 Meter Tiefe genutzt. Die gewonnene Erdwärme wird mit den Wärmepumpen weiter angehoben und zum Heizen und zur Warmwasseraufbereitung genutzt. Die Technikzentralen finden in kleinen, begrünten Nebengebäuden Platz. Die Anbindung der einzelnen Wohnungen erfolgt über die neu errichteten Liftschächte. Der Strombedarf der Wärmepumpen wird in Zukunft zu einem Gutteil aus einer Photovoltaikanlage am Dach gedeckt werden, der Rest aus Ökostrom.

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„Die Wiener Gemeindebauten sind das Flaggschiff des sozialen Wiens. Mit Erneuerungen wie dieser stellen wir sicher, dass die Wiener Gemeindebauten weiterhin eine hohe Lebensqualität bieten und nicht nur Vergangenheit und Gegenwart, sondern auch Zukunft unserer Stadt sind“, erklärt Christoph Maschek, Stadtrat für Finanzen, Wirtschaft, Arbeit und Wiener Stadtwerke. Das lassen sich die Stadtwerke auch kosten: „Allein Wien Energie investiert über fünf Jahre mehr als eine Milliarde Euro in die Wärmewende."

In rund sechs Monaten soll auch die Nachbaranlage (Deutschordenstraße 27-35) umgestellt werden, dort wird die Wärmepumpenanlage im Hof gerade errichtet. Weitere Wärmepumpen-Projekte verbunden mit Sanierungsmaßnahmen sollen in Gemeindebauten der Bezirke 13., 17., 19. und 23 folgen.

Wärmewende im Gemeindebau bis 2040

 

Der Hintergrund: Wiener Wohnen hat sich das ambitionierte Ziel gesetzt, alle Wiener Gemeindebauten bis 2040 auf ökologische Wärmeversorgung umzustellen. Ein großer Teil der Wohnhausanlagen wird bereits heute mit Fernwärme versorgt oder in den kommenden Jahren an das Wiener Fernwärmenetz angeschlossen. Bei einem kleinen Teil der Wohnhausanlagen ist ein Anschluss aus unterschiedlichen Gründen jedoch nicht möglich. Dort setzt man auf alternative Wärmeversorgungsysteme wie Wärmepumpen.

Karl-Marx-Hof
Der Karl-Marx-Hof ist einer der bekanntesten Gemeindebauten Wiens. - © Oskar - stock.adobe.com

Freiwilliger Umstieg: 80 Prozent sagen Ja

Der Umstieg der Mieter*innen auf die klimafreundliche Wärmeversorgung erfolgt freiwillig. Wiener Wohnen setzt dabei auf Information und Beratung seiner Mieter*innen und gestaltet den Umstieg für Bewohner*innen so einfach wie möglich: Ist die zentrale Wärmepumpe erst einmal errichtet, dauert der Anschluss einer Wohnung je nach Gegebenheit zwischen zwei und vier Tagen. Denn in den Wohnungen selbst muss nur eine Wohnungsstation mit Wärmetauscher installiert werden. Das System ist damit auch wartungsärmer als dezentrale Gasthermen.

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Mieter*innen, die sich für eine Umstellung ihrer Wohnung entschließen, können die Dekarbonisierungsprämie der Stadt Wien in Höhe von 1.000 bis 1.500 Euro erhalten. Die Prämie der MA 50 - Wohnbauförderung und Schlichtungsstelle für wohnrechtliche Angelegenheiten steht für Mieter*innen und Wohnungseigentümer*innen bereit, die ihre Wohnung gasfrei machen und auf Fernwärme beziehungsweise alternative Energieversorgung umsteigen.

In der Deutschordenstraße haben sich rund 80 Prozent der Mieter*innen für einen Umstieg entschieden. „Es ist uns sehr wichtig, alle Mieter*innen auf dem Weg ‚Raus aus Gas‘ intensiv zu beraten und zu begleiten, um möglichst viele zu motivieren, auf eine klimafreundliche Versorgung umzusteigen. Sollten sich Mieter*innen der Deutschordenstraße nun nachträglich für einen Umstieg entscheiden, ist dies jederzeit möglich“, so Wiener Wohnen-Direktorin Karin Ramser.

Die Energieumstellung ist für die Mieter*innen unkompliziert: In den Wohnräumen ist es nur notwendig, die Gastherme abzumontieren und eine Wohnungsstation mit Wärmetauscher zu installieren.
Die Energieumstellung ist für die Mieter*innen unkompliziert: In den Wohnräumen ist es nur notwendig, die Gastherme abzumontieren und eine Wohnungsstation mit Wärmetauscher zu installieren. - © Stadt Wien/Martin Votava

Thermische Sanierung im Vorhinein

Bevor die dezentralen Gasthermen in den Wohnhausanlagen in der Deutschordenstraße dezentrale Gasthermen durch eine zentrale Wärmepumpenanlage ersetzt wurden, war eine umfassende thermische Sanierung der Gebäude notwendig. Fassaden, Kellerdecken und Dachböden wurden gut gedämmt, die Fenster getauscht. Dadurch sinkt der Wärmebedarf der Gebäude um 75 Prozent und das Energiesystem kann effizient funktionieren. Neben der thermischen Sanierung wurden auch weitere Verbesserungen für die Wohnqualität der Bewohner*innen beider Adressen umgesetzt – zum Beispiel 21 Personenaufzüge, neue einbruchshemmende Brandschutz-Eingangstüren, ein Kinderwagen- bzw. Fahrradraum sowie eine Rollstuhlrampe. Die Außenbeleuchtung wurde erweitert und eine neue Brandrauchentlüftung installiert.

Die Energiequelle Erde sorgt in Kombination mit Wärmepumpen für höhere Wirkungsgrade als bei Luftwärmepumpen, unterstützt den netzdienlichen Betrieb und eröffnet noch dazu eine Speicherquelle. Dieser TGA Round Table zeigt, was es braucht, um solche innovativen Systeme wirklich überall umsetzen zu können: