Lüftungstechnik im Fokus : „Es gibt keinen Grund, Abwärmenutzung niedriger zu bewerten als erneuerbare Energien"
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Die Energiewende im Blick
Welchen Faktoren hat die Branche die erhöhte Aufmerksamkeit zu verdanken? Ein Thema, das seit vielen Jahren stetig an Bedeutung gewinnt, ist die Energiewende. Je größer die Sorge um die Zukunft unseres Planeten wird, desto strenger werden auch die Anforderungen an die Energiebilanz unserer Gebäude. Um Wärmeverluste zu vermeiden und Ressourcen zu schonen, werden Gebäudehüllen immer dichter. Die Folge: ein generelles Lüftungsdefizit selbst bei regelmäßiger Fensterlüftung.
Corona-Krise und Lufthygiene
Zudem hat die Corona-Pandemie mit Beginn des Jahres 2020 das Thema Luftqualität in den öffentlichen Diskurs gebracht. Schon vorher war allgemein bekannt, dass unzureichendes Lüften dazu führen kann, das Ansteckungsrisiko von Virusinfektionen zu steigern und Konzentrationskraft und Wohlgefühl zu senken.
Aber mit der Dringlichkeit der Pandemie im Rücken wurde vielen Menschen erstmals wirklich klar, dass einfache Fensterlüftung in der von Expert*innen empfohlenen Häufigkeit praktisch so gut wie nicht umsetzbar ist. Sei es in Schulen, wo das Öffnen von Fenstern aus Sicherheitsgründen nicht immer praktikabel ist, sei es in Wohnräumen, wo der durchs offene Fenster eindringende Straßenlärm zu massiven Komforteinbußen führt – eine Alternative zur Fensterlüftung war gefragt.
>> Lesen Sie hier: Wann ist eine Fensterlüftung zumutbar?
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Dritter Faktor: Energiekosten
Die jüngsten Entwicklungen der Weltpolitik haben uns ins Bewusstsein gerufen, dass Energiepreise unvorhergesehenen, starken Schwankungen unterliegen können. Viele Menschen suchen in diesen Zeiten daher verständlicherweise nach Möglichkeiten, ihre Energiekosten zu reduzieren und sich so unabhängig wie möglich vom Energiemarkt machen zu können. Eine große Rolle spielt dabei auch der Wunsch, die wertvolle Heizwärme möglichst effizient zu nutzen, statt sie durch schlechte Dämmung oder fehlerhafte Fensterlüftung gleich wieder an die Umwelt zu verlieren.
Nachhaltigkeit, Corona-Krise, steigende Energiepreise – diese drei Themen lenken den Blick geradewegs auf die Lüftungsbranche. Denn eine gut eingerichtete Komfortlüftung kann Räume auf effiziente und kostensparende Weise optimal mit Frischluft versorgen. Verbunden mit Wärmerückgewinnungstechnologie kann im gleichen Zuge die Heizlast stark gesenkt werden. Sie nutzt die in der Abluft enthaltene Wärme, um die kältere Zuluft anzuwärmen. Der durch den Klimawandel steigenden Sommerhitze kann zudem eine Lüftung mittels Rückkühlung entgegentreten. Das bringt mehr Wohnkomfort und Einsparungen im Kühlbedarf. Lüftungssysteme mit Wärmerückgewinnung und Rückkühlung lassen sich mit geringem Aufwand auch in Bestandsbauten installieren.
Ungenutzte Potenziale & Aufklärungsbedarf
Die Vorteile liegen also auf der Hand. Dennoch zögern noch viele Menschen, das Potenzial moderner Lüftungssysteme voll auszuschöpfen. So haben österreichische Schulen seit Beginn der Corona-Krise nur etwa ein Viertel der über 4 Millionen Euro angefordert, die vom Staat für die Nachrüstung von Lüftungsanlagen bereitgestellt wurden.
Im privaten Wohnungsbereich wurde nur in sehr geringem Ausmaß nachgerüstet. Bei Neubauten wird oft nur in eine Entlüftung investiert, um zu hohe Luftfeuchtigkeit aus dem Gebäude abzutransportieren und daraus resultierende Bauschäden zu verhindern.
>> Lesen Sie hier: Warum Luftreiniger alleine in Schulen nicht reichen
Traditionelle Fensterlüftung kann bei modernen, energieeffizienten Gebäuden 50 Prozent und mehr des gesamten Wärmeverlustes ausmachen.
Zahlen, die für sich sprechen
Ein Grund dafür mag sein, dass noch immer der hartnäckige Irrglaube im Umlauf ist, Lüftungssysteme seien aufgrund von Geräuschentwicklung oder Wartungsaufwand unattraktiv. Noch größeres Unwissen scheint im Bereich Energieeffizienz und Synergien durch die Technik der Wärmerückgewinnung zu herrschen. Traditionelle Fensterlüftung kann bei modernen, energieeffizienten Gebäuden 50 Prozent und mehr des gesamten Wärmeverlustes ausmachen. Ein Lüftungssystem mit Wärmerückgewinnung kann diesen Wärmeverlust auffangen und so bis zu 90 Prozent der Wärmeenergie zurückgewinnen. Um die 5 Watt könnten so pro Quadratmeter beheizter Fläche eingespart werden – eine Ersparnis, die sich nicht nur in der Stromrechnung widerspiegelt, sondern auch in der verringerten CO2-Belastung unseres Planeten.
Eine jüngst erschienene Studie des Instituts für Technische Gebäudeausrüstung Dresden (ITG) ermittelte für ventilatorgestützte Wohnraumlüftungen mit Wärmerückgewinnung eine Leistungszahl, die direkt mit dem Kennwert von Wärmepumpen vergleichbar ist. Die Studie zeigt, dass bei typischen Außentemperaturen während der Heizperiode die äquivalente Leistungszahl der Wärmerückgewinnung beim Lüftungssystem deutlich über der Leistungszahl von Wärmepumpen liegt.
>> Zur Studie: https://wohnungslueftung-ev.de...
Dream Team: Wärmerückgewinnung & Wärmepumpe
Eine Lüftung mit Wärmerückgewinnung wird somit zum idealen Kombinationspartner für Wärmepumpen, die gerade eine sprunghaft steigende Nachfrage auf dem Heizungsmarkt erleben. Sie können die Wärmepumpe gerade in den kalten Wintermonaten entlasten und so dazu beitragen, Kosten und Ressourcen zu schonen. Bei einer Neuplanung eines Gebäudes kann durch die Berücksichtigung der Leistungen der Wärmerückgewinnung direkt der Kostenaufwand für die Heizungstechnik reduziertwerden.
Wie die Studie zeigt, genügt dank Wärmerückgewinnung oftmals ein kleineres Heizsystem und auch die Stromanforderungen verringern sich. In Fällen von Bestandsgebäuden, in denen ein Umstieg auf eine Wärmepumpe oder eine aufwendige Neudämmung des Gebäudes das Budget übersteigen würde, kann eine Lüftung mit Wärmerückgewinnung auch ohne Wärmepumpe den Wärmeverlust um bis zu 30 Prozent senken. Hier übersteigen die Einsparungen der Heizkosten ebenfalls bereits nach kürzester Zeit die Installationskosten der Lüftungsanlage. Und ganz nebenbei lässt sich mit dieser Maßnahme der Wert eines Gebäudes steigern.
Es gibt keinen sachlichen oder physikalischen Grund, Abwärmenutzung niedriger zu bewerten als erneuerbare Energien.
Politische Verantwortung & Förderungen
Man könnte meinen, solch handfeste Zahlen würden sich in der energie- und umweltbewussten Förderlandschaft Österreichs widerspiegeln. Leider ist das Gegenteil der Fall. Aktuell stellt mit wenigen Ausnahmen kein Bundesland Österreichs Fördermittel für Lüftungsanlagen zur Verfügung. Man kann nur auf Unterstützung hoffen, wenn die Lüftung zur Verbesserung des Gesamtenergieverbrauchs des Gebäudes beiträgt. Im Gebäude-Energieausweis ist das Thema Lüftung erst als unscheinbarer Punkt weit hinten zu finden. Das trägt nicht dazu bei, das Bewusstsein für ihre energetischen Vorteile zu schärfen. Die Forschenden des ITG sagen es ganz deutlich: Es gibt keinen sachlichen oder physikalischen Grund, Abwärmenutzung niedriger zu bewerten als erneuerbare Energien.
Im Gegenteil, bei der Abwärmenutzung entfällt im Vergleich zur Nutzung erneuerbarer Rohstoffe sogar der Energieverlust auf dem Transportweg sowie zusätzliche Umwandlungsprozesse. Weiter heißt es, dass die Einsparpotenziale im Sektor des Wärmeschutzes und der Anlagentechnik sträflich vernachlässigt werden, würden die Bemühungen zur Dekarbonisierung und Nachhaltigkeit der Energieversorgung nur auf die Erzeugung von erneuerbarer Energie fokussiert. Die Folge wären erhebliche Aufwendungen für den Ausbau von Strom- und Wärmenetzen. Das die damit verbundenen CO2-Emissionen nicht dem Klimaschutz zugutekommen würden, liegt auf der Hand.
Fazit: Hoffnung für die Zukunft
Deutliche Worte, die man gern auch aus dem Mund der Politik hören würde. Für die Zukunft bleibt zu hoffen, dass die Politik ihre Verantwortung wahrnimmt und die Lüftungstechnik mit Wärmerückgewinnung/Rückkühlung den traditionellen erneuerbaren Energien gleichsetzt. So könnte sie endlich vollends in den Fokus des öffentlichen Bewusstseins rücken und im Verbund mit Wärmepumpenheizung und Gebäudedämmung zur Schlüsseltechnologie der Energiewende werden – Fördermöglichkeiten inklusive.