Wärmequelle Abwasser : Innovative Wärmerückgewinnung: Grauwasser als unterschätzte Energiequelle

„Technologien zur Einsparung von Energie mit sehr kurzen Amortisationszeiträumen, wie die (…) Rückgewinnung von Wärme aus Abluft oder Abwasser, werden derzeit nicht ausreichend berücksichtigt“, heißt es auf Seite 4 der frisch überarbeiteten EU-Gebäuderichtlinie. Wie unterschätzt die Wärmequelle Abwasser eigentlich ist, zeigt nun ein Pilotprojekt in Wien vor:

In der Kauergasse 2 deckt eine Grauwasseranlage seit kurzem den Wärmebedarf für Warmwasser, sorgt für Raumkühlung und Nutzwasser. Finden kann man Anlagen-Prototypen übrigens nicht im Keller eines hochmodernen Neubaus, sondern in einem Gründerzeithaus. Der Altbau im 15. Wiener Gemeindebezirk stammt aus dem Jahr 1895 und umfasst viergeschossige Straßentrakte sowie zwei Hoftrakte, die gemeinsam 31 Wohnungen sowie vier Betriebseinheiten beheimaten. Eine Sockelsanierung später befindet sich das Eckhaus nun auf EnerPHit-Standard und erreicht damit quasi Passivhausniveau.

Statt der dezentralen Gasthermen werden Raumwärme und Warmwasser in der Kauergasse seit der Sanierung mittels Fernwärme geliefert – wobei die Fernwärme in Sachen Warmwasser dank der Grauwasser-Anlage eher für die Ausfallsicherheit als die tatsächliche Bereitstellung benötigt wird. Dafür sorgt der im Rahmen des Forschungsprojekts „greenWATERrecycling“ entwickelte Prototyp zur thermischen und stofflichen Verwertung von Grauwasser aus der Feder der Firma Gebe-Strebel. „Bei einer guten Sanierung oder auch beim Neubau ist etwa die Hälfte des Wärmeaufwands für die Heizung und die andere Hälfte für das Warmwasser“, zeigt Helmut Schöberl, Geschäftsführer Schöberl & Poll und Projektleiter, die Größenordnung der Anlage auf.

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Im Gegensatz zu anderen Verfahren, bei denen Grauwasser großvolumig über Wärmetauscherflächen geleitet wird und Verschmutzungen regelmäßig abgeschlämmt werden müssen, setzt das Verfahren von Gebe-Strebel darauf, das Grauwasser zuvor zu reinigen. Das sorgt nicht nur für eine effizientere Wärmeübertragung, als Nebeneffekt lässt sich auch das gereinigte Nutzwasser nutzen. „Das Nutzwasser ist quasi ein Abfallprodukt. Die eigentliche Intention war, die Wärmerückgewinnung von Abwasser“, so Schöberl.

Im Keller des Gebäudes, nach den Fallleitungen, wird das Grauwasser aufbereitet. Nach einer mechanischen Filterung von Festkörperteilchen > 1 mm in einem Vorbehälter, der auch als Pufferspeicher für das Grauwasser dient, geht es weiter in den Belebungsbehälter. Zur biologischen Reinigung werden in dem mit Sauerstoff versorgten Behälter mit Membranfilter gezielt Bakterien eingebracht, die organische Verschmutzungen abbauen. Eine Entlüftung führt im Prozess entstehende Abgase ab, für die Entfernung des anfallenden Klärschlamms reicht eine jährliche Wartung. Nach den beiden Reinigungsschritten ist das Filtrat („Grünwasser“) keimfrei und wird in einem zweiten Pufferspeicher eingelagert.

Weil im Wasser gelöste Substanzen weiterhin vorhanden sind, kann das Grünwasser als Nutzwasser, aber nicht Trinkwasser, verwendet werden. In einem nachgelagerte Plattenwärmetauscher gibt das Grünwasser seine Wärme dann an einströmendes Kaltwasser ab und erwärmt dieses auf 30° C. Das so auf etwa 20° C abgekühlte Grünwasser wird durch eine Wasser/Wasser-Wärmepumpe nochmals auf 5 °C abgekühlt – diese entzogene Wärme erhitzt das vorgewärmte Kaltwasser in einem dritten Pufferspeicher auf 60 °C, um Legionellen abzutöten – von dort kann es dann zum Duschen, für den Geschirrspüler oder die Waschmaschine benutzt werden. Das schlussendlich etwa 3° C kalte Grünwasser kann zur Flächenkühlung genutzt werden, in der Kauergasse erfolgt etwa die Kühlung einer Bäckerei im Erdgeschoss auf diesem Weg. Dadurch erwärmt sich das Grünwasser erneut und kann schlussendlich als Nutzwasser zur Bewässerung oder Klospülung dienen.

Wirtschaftlich ist ein Einsatz der Technologie in Wohngebäuden ab 50 Personen, schätzt man bei Gebe-Strebel. Werden Waschmaschinen und Geschirrspüler nicht elektrisch beheizt, sondern mittels Vorschaltgeräten mit dem Warmwasser versorgt, übersteigt die Stromersparnis den Strombedarf der Wärmepumpe außerdem um ein Dreifaches. „Zudem spart man Trinkwasser und Abwassergebühren. Vielen ist einfach noch nicht bewusst, dass man aus dem Abwasser so viel Energie rausholen kann“, ergänzt Schöberl, der sich zukünftig einen standardmäßigen Einbau der Technologie im Neubau vorstellen kann.

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Im Falle einer Nachrüstung wie in der Kauergasse sind eine sorgfältige Planung und Koordination zentral, weiß Walter Huber, Geschäftsführer der Gebe-Strebel-Gruppe: „Der Aufwand hängt von der bestehenden Infrastruktur ab, insbesondere von den vorhandenen Abwasserleitungen und dem Platzangebot im Gebäude. Im Allgemeinen dauert die Nachrüstung mehrere Wochen und umfasst die Installation der Wärmetauscher, der Wärmepumpe und der zusätzlichen Leitungen für die Rückführung des gereinigten Grauwassers zu den WCs.“

Er schätzt das Marktpotenzial der Systemlösung auch international als sehr hoch ein. Während in Österreich etwa die Wärmerückgewinnung im Vordergrund steht, kann die Technologie in Ländern, die unter Wasserstress leiden, für eine erhöhte Wasserverfügbarkeit sorgen. Vom Pilotprojekt in der Kauergasse erwartet sich Huber nun konkrete Daten zur Leistungsfähigkeit und Wartungsfreundlichkeit der Anlage in der Praxis.