Soziale Gesamtmiete : Energiekosten rücken in den Fokus

Abbildung 1: Rendering eine Putzfassade mit integrierter Wärmepumpenaußeneinheit und Zu- und Abströmöffnungen

- © Element Design

Die Umsetzung von wärmepumpenbasierten Heizungssystemen in Kombination mit der seriellen thermischen Sanierung im Geschoßwohnbau ist einer der wenigen großen Hebel, um die Klimaschutzziele zeitnah und sozialverträglich zu erreichen. Die Dekarbonisierung der Wärmeversorgung - auch zu zurückhaltend „Wärmewende“ genannt - ist bzw. wäre ein wesentliches energiepolitisches Instrument zur Erreichung der Klimaschutzziele und der Unabhängigkeit von (importierter) fossiler Energie, wird aber bisher zumindest nicht ausreichend als solches verstanden.

Die thermische Sanierung und der Umstieg von fossilen auf wärmepumpenbasierte Heizungen wird erlauben, den deutlich steigenden Gaspreisen und damit steigenden Heizkosten entgegenzuwirken und gleichzeitig einen wesentlichen und verhältnismäßig kosteneffizienten Beitrag zur Erreichung der Klimaschutzziele zu leisten. Keine Lösung ist dagegen „grünes“ Gas. Aufgrund der limitierten Verfügbarkeit und des hohen Aufwands und der damit verbundenen hohen Kosten für die Herstellung wird „grünes Gas“ nicht für die Gebäudeheizung zur Verfügung stehen.

>> Immer up to date mit News aus der Branche sein? Abonnieren Sie unsere Newsletter: Ob wöchentliche Übersicht, Planer*innen-Newsletter oder Sanitär-Trendletter – mit uns bleiben Sie informiert! Hier geht’s zur Anmeldung!

Technische Lösungsentwicklung

Sozialverträgliche Miet- und Heizkosten müssen schnellstmöglich umgesetzt werden. Dabei hat die Betrachtung der gesamten Lebenszykluskosten für die Evaluierung verschiedener Maßnahmen zur thermischen Sanierung von Gebäuden auch beim Gesetzgeber einen immer größeren Stellenwert. Die Brisanz dieses Themas und die öffentliche Wahrnehmung hat in Anbetracht der politischen, sozialen, umwelttechnischen und klimaschutztechnischen Lage dramatisch zugenommen. Im Rahmen der FFG Forschungsprojekte SaLüH!, FiTNeS und PhaseOut (TGA berichtete erst kürzlich) unter der Leitung des Arbeitsbereichs für Energieeffizientes Bauen und in Kooperation mit verschiedenen Forschungs- und Industriepartnern werden technische Lösungen für die thermische Sanierung und den Umstieg auf wärmepumpenbasierte Heizungssysteme seit mehreren Jahren entwickelt, optimiert und erprobt.

Fassadenintegrierte Kleinst-Split-Wärmepumpe

Im österreichischen Forschungsprojekt FitNeS (FFG) wurde eine mit Propan (R290) betriebene fassadenintegrierte Kleinst-Split-Wärmepumpe (1.5-kW) für die dezentrale wohnungsweise Warmwasserbereitung entwickelt, diese wird derzeit im Labor getestet. Für minimalinvasive serielle Renovierungen kann die Fassadenintegration von entscheidender Bedeutung sein, v.a. in dicht besiedelten städtischen Gebieten, in denen die Verfügbarkeit von Wärmequellen begrenzt ist bzw. deren Erschließbarkeit technisch und wirtschaftlich schwierig ist.

Des Weiteren gibt es viele Fälle, in denen ein zentrales Wärmeversorgungs- und Verteil-System aus technischen, wirtschaftlichen oder sozialen Gründen nicht machbar ist, gleichzeitig die Wohnungsgröße eine Installation innerhalb der Wohnung aber nicht erlaubt. Eine der größeren Herausforderungen bei der Fassadenintegration ist die Zugänglichkeit für die notwendige Wartung und Reparatur. Diese ist aber gleichzeitig eine Chance: Wenn der Zugang über die Fassade gewährleistet werden kann (Laubengang, Balkon, Steiger etc.), kann die sonst teilweise mühsame Abstimmung für den Zugang zu den Wohnungen mit den Mieter*innen vermieden werden.

Die technische Herausforderung ist ein kompaktes und attraktives Design der Wärmepumpen-Außeneinheit mit optimierter Luftführung für hohe Effizienz und möglichst geringe Schallemissionen. Das Konzept und das Design der Außeneinheit wurden durch Simulation und experimentelle Untersuchungen optimiert (siehe Abb. 1 und Abb. 2). Die thermische Sanierung in Kombination mit dem Umstieg auf wärmepumpenbasierte Heizungslösung erlaubt die Energiekosten deutlich zu senken und führt zu einer geringeren Abhängigkeit von steigenden Energiepreisen. Steigende Strompreise fallen bei einer wärmepumpenbasierten Heizung in einem thermisch sanierten Gebäude deutlich weniger ins Gewicht als steigende Gaspreise.

Konzept der Außeneinheit mit vier parallelen Axialventilatoren und Verdampfer.
Abbildung 2: Konzept der Außeneinheit mit vier parallelen Axialventilatoren und Verdampfer - © Quelle Element Design

Außen- und Inneneinheit

- © Element Design

Gesamtkosten betrachten

Die Bewertung der Kosten sollte über den Lebenszyklus der Gebäude erfolgen und Gesamtkosten berücksichtigen. Die Gesamtkosten, d.h. (Investitionskosten umgelegt auf) Mietkosten und Energie- sowie Wartungskosten sind insbesondere mit dem Hintergrund steigender Energiepreise auch für die Planungssicherheit der Mieter*innen zu betrachten. Mit der Perspektive deutlich steigender Gaspreise wird dieser Aspekt immer bedeutender. Je besser die Qualität der Gebäude, desto geringer die Abhängigkeit von Energiepreisen.

Durch den Einsatz von Wärmepumpen wird die Abhängigkeit vom Energiepreis nochmal reduziert (nämlich um die Jahresarbeitszahl der Wärmepumpe, vgl. Berechnung und Vergleich der Energiekosten in den Tabellen). Bei fossilen Heizungen ist zukünftig ein zusätzlicher Kostendruck zu erwarten durch die Einführung der CO2-Bepreisung und bei auch hier zu erwartenden zukünftig deutlich steigenden CO2-Steuern. Es ist zu erwarten, dass über den Lebenszyklus gerechnet die Mehrkosten durch die thermische Sanierung deutlich von den reduzierten Energiekosten überkompensiert werden können.

Spezifische Gebäudeheizlast Einheit Gas 9 Cent/kWh Gas 12 Cent/kWh Gas 15 Cent/kWh
Bestand (18.8 °C) EUR/m²/a 15.0 20.1 25.1
Bestand (22 °C) EUR/m²/a 17.7 23.7 29.6
Sanierungsvarianten (22.5 °C):
OIB fGEE EUR/m²/a 10.2 13.6 17.0
OIB EEB EUR/m²/a 9.5 12.7 15.9
EnerPHit + Abluft EUR/m²/a 7.5 9.9 12.4
EnerPHit mit WRG* EUR/m²/a 5.8 7.7 9.6

* Bei WRG sind noch Kosten für Hilfsenergie zu berücksichtigen

Tabelle 1: Energiekosten (für Raumheizung und Warmwasser (20 kWh/(m² a)*)) abhängig von Sanierungstiefe und Entwicklung der Gaspreise (Gaskessel mit h = 0.8)

Spezifische Gebäudeheizlast Einheit Strom 25 Cent/kWh Strom 30 Cent/kWh Strom 35 Cent/kWh
Bestand (18.8 °C) EUR/m²/a - - -
Bestand (22 °C) EUR/m²/a - - -
Sanierungsvarianten (22.5 °C):
OIB fGEE EUR/m²/a - - -
OIB EEB EUR/m²/a 9.1 10.9 12.7
EnerPhit + Abluft EUR/m²/a 8.5 10.2 11.9
EnerPhit mit WRG EUR/m²/a 6.6 8.0 9.3

Tabelle 2: Energiekosten (für Raumheizung und Warmwasser) abhängig von Sanierungstiefe und Entwicklung der Strompreise (Wärmepumpe mit JAZ = 2.5)

Achtung vor dem Lock-in Effekt

Der Umstieg auf ein fossilfreies und damit klimaschutzkompatibles Energiesystem kann aufgrund der limitierten Verfügbarkeit und starken Volatilität von erneuerbaren Energien nur gelingen, wenn der Energiebedarf des Gebäudebestands auf ein sehr geringes Niveau reduziert wird. Von besonderer Bedeutung – aber häufig nicht beachtet – ist der volkswirtschaftliche und energiepolitische Aspekt, der sog. Lock-in Effekt. Eine geringfügige bzw. ungenügende thermische Sanierung z. B. auf eine HWB von 70 kWh/(m2a) bis 80 kWh/(m2a) verhindert einen nachträglichen Umstieg auf ein Wärmepumpensystem mit ausreichend niedrigen Vorlauftemperaturen, welche für den effizienten Betrieb von Wärmepumpen notwendig sind. Eine Sanierung auf einen Standard von etwa 45 kWh/(m2a) und besser wird empfohlen. Bei einer Sanierung mit einem HWB oberhalb von etwa 65 kWh/(m2a)ist ein sicherer und effizienter Betrieb einer Wärmepumpenlösung ggf. nicht gegeben.

Die hochwertige energetische Sanierung auf den EnerPHit-Standard mit mechanischer Lüftung mit Wärmerückgewinnung ermöglicht den Einsatz kleiner kompakter und kostengünstiger Wärmepumpen und sehr geringe Energiekennwerte und sollte entsprechend nicht nur wegen des hohen thermischen Komforts und der hohen angestrebt werden (siehe auch EU Projekt OutPHit). Weitere technische Lösungsansätze für die serielle Sanierung und den Umstieg auf wärmepumpenbasierte Heizsysteme werden derzeit in den FFG Projekten FiTNeS und PhaseOut erarbeitet und – unterstützt durch das Innovationslabor RENOWAVE.at – sind weitere Aktivitäten geplant.

Danksagung: Das Projekt FiTNeS wird vom BMK im Rahmen des FFG Förderprogramms Stadt der Zukunft (5. Ausschreibung, FFG-Nr. 867327) unterstützt.

Gut zu wissen: Der EnerPHit-Standard

Das Passivhaus Institut Darmstadt hat mit der Zertifizierungsform EnerPHit ein Instrumentarium geschaffen, die Anwendung von Passivhauskomponenten auf Einzelbauteile umfassend zu bewerten und wesentliche Verbesserungen hinsichtlich Komfort, Energieeinsparung und Bauschadensfreiheit zu erreichen. EnerPHit kennt zwei alternative Nachweisverfahren: das Bauteilverfahren mit bauteilbezogenen Anforderungen (die Kriterien sind hier weitgehend mit denen von zertifizierten Passivhaus-Komponenten ident) oder gebäudebezogene Anforderungen (Energiebedarfsverfahren). Die einzuhaltenden Kriterien und Anforderungen variieren je nach Gebäudestandort und Klimazone, eine Zertifizierung nach EnerPHit ist damit weltweit möglich.

www.ibo.at/forschung/referenzprojekte/data/enerphit